Rhein-Neckar, 08. Januar 2013. (red/aw) Der Rücktritt der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Gabriele Warminski-Leitheußer, am gestrigen Montag sorgte für nur wenige überraschte Gemüter. Zu lange waren bereits Unstimmigkeiten und Vorwürfe zwischen ihr und der Landesregierung sowie der SPD bekannt. Nun muss schnell ein Nachfolger her. Und für viele stellt sich die Frage: Bekommt die Bildungspolitik eine neue Chance?
Von Alexandra Weichbrodt
Gabriele Warminski-Leitheußer meldete sich bisher nur schriftlich zu Wort:
In Zeiten großer Veränderungen brauche ich einen uneingeschränkten politischen Rückhalt, um überzeugend gestalten zu können. In den letzten Wochen musste ich erkennen, dass ich diese Unterstützung insbesondere in der SPD-Fraktion nicht mehr genieße.
Die logische Konsequenz: Rücktritt. Die Ministerin stand bereits seit Monaten in der Dauerkritik. Von Seiten der SPD-Fraktion wurde ihr vorgehalten, dass sie es nicht geschafft habe, sich als Ministerin für Kultus, Jugend und Sport im Kultusministerium durchzusetzen. Es habe an der Umsetzung zentraler Reformprojekte, wie der neuen Gemeinschaftsschule, gehakt.
Gigantisches Aufgabenfeld
Dies bestätigte auf Nachfrage auch der Mannheimer Stadtrat Gerhard Fontagnier:
Man hörte schon länger aus Stuttgart, dass es da an der ein oder anderen Stelle klemmt.
Fontagnier kennt Warminski-Leitheußer noch aus ihrer Amtszeit als Bürgermeisterin für Bildung, Jugend, Gesundheit und Sport der Stadt Mannheim. In diesem politischen Feld habe er sie sehr wohl als eine kompetente Kraft wahrgenommen. Allerdings sei diese Aufgabe eine deutlich überschaubarere gewesen als das Amt in Stuttgart.
Die Anforderungen in Stuttgart sind im Vergleich zu ihrer Tätigkeit in Mannheim gigantisch.
Auf bildungspolitischer Ebene sei in den letzten zehn Jahren viel schief gelaufen. Da sei von Warminski-Leitheußer schon viel erwartet worden. Vielleicht habe sie getan was sie konnte, konnte dem Druck aber nicht standhalten, vermutet der Grünen-Politiker.
Auch eine gewisse Schludrigkeit und fehlende Motivation warf man Warminski-Leitheußer in den vergangenen Monaten immer wieder vor, die sich beispielsweise durch Zuspätkommen äußerte.
Dieser Schritt ist sehr schmerzhaft für mich, denn ich brenne für die Bildungspolitik und werde mich auch weiter für ein gerechtes Schulsystem einsetzen,
erklärte Warminski-Leitheußer und zog die Reißleine. Nachdem sie in der vergangenen Woche noch per Pressemitteilung positive Bilanz zog, nun also der Rücktritt. In einer Mitteilung vom 4. Januar sprach Warminski-Leitheußer davon, dass das Kultusministerium sein „Versprechen gehalten“ habe und nun „weiterhin mit aller Kraft“ die Ziele einer Chancengleichheit beim Bildungsangebot verfolgen werde.
Rücktritt war zu erwarten
Das Kultusministerium wird dies tun, allerdings ohne die 49-Jährige. Die Frage nach einem Nachfolger könnte schnell geklärt sein. Allem Anschein nach soll der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Stoch, werden. Der gebürtige Heidenheimer ist ein eher unauffälliger Zeitgenosse. Die Biografie lupenrein. Stoch ist einer, der es schon immer zu etwas bringen wollte. Während der EnBW-Affäre hatte er als Obmann im Untersuchungsausschuss auf sich aufmerksam gemacht. Nun könnte der studierte Jurist, trotz nicht vorhandener bildungspolitischer Erfahrung, das Amt im Kultusministers übernehmen.
Stoch ist seit 2009 Abgeordneter im Landtag, verheiratet und Vater von vier Kindern. Bei einem ersten Pressetermin gestern Mittag sagte er, er wolle vor allem für eine bessere Vermittlung der Bildungspolitik sorgen und die Fachleute im Ministerium stärker einbinden.
Sie können davon ausgehen, dass ich ein Teamplayer bin.
Der 43-Jährige will seine mangelnde Erfahrung durch einen klaren Blick für Analysen wett machen. Der Blick eines ausgebildeten Pädagogen, sei in diesem Politikfeld nicht weniger wichtig als der eines Kommunalpolitikers, so Stoch. Er ist sich sicher:
Wir werden zueinanderfinden.
Er wolle die Stärken des Mammutressorts, das kurz vor Weihnachten aus dem Neuen Schloss in die unweit gelegene Thouretstraße in Stuttgart umgezogen ist, fördern und nutzen.
Neue Hoffnung für die Bildungspolitik?
Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender Nils Schmid und Fraktionschef Claus Schmiedel bekräftigten allerdings, dass sich an dem bildungspolitischen Grundkurs des Landes Baden-Württemberg auch bei einem Amtswechsel ohnehin nichts ändern werde.
Das Konzept der Gemeinschaftsschule soll sich weiter ausbreiten und auch die zwei Varianten vom acht- bzw. neunjährigem Abitur sollen bestehen bleiben.
Die Frage ist also, was könnte sich mit Stoch ändern? Das politische Feld des neuen Kultusminister verdient es, sich diesem mit voller Kraft zu widmen. Bildung ist unser teuerstes Gut. Unmotivierte Politiker, die ihren Job nicht ernst nehmen, können unsere Kinder nicht gebrauchen.
„Auf ein Neues. Möglichst besser.“
Es bleibt also zu wünschen, dass Herr Stoch dieser Verantwortung mit all seiner Selbstverständlichkeit nachkommt. Inhaltlich müsste es ihm gelingen, die Reformen handwerklich besser umzusetzen als seine Vorgängerin. Dies und auch eine offene Kommunikation erwartet auch Fraktionschef Schmiedel. Es gehe ja weniger um die Weichenstellungen an sich als um deren Umsetzung, ergänzt Parteichef Schmid.
Damit hatte Warminski-Leitheußer in der Vergangenheit so ihre Probleme. Vor allem deshalb ist der Rückhalt der zurückgetretenen Ministerin zuletzt so dramatisch gesunken. Nicht nur in der Landtagsfraktion, sondern auch in der Partei, bei Eltern, Lehrern und Kommunen.
Das Amt des Kultusministers sei ein „hire and fire“-Job, erklärt Gerhard Fontagnier. Warminski-Leitheußer hatte es schwer, ihr Nachfolger hat es deswegen aber nicht leichter. Wichtig sei jetzt „ganz, ganz schnell und ohne Atempause“ weiterzumachen.