Ludwigshafen/Mannheim/Rhein-Neckar, 06. November 2016. (red/ric) Seit der Explosion auf dem BASF-Stammgelände stellt sich besorgten Bürgern die Frage, wie sie sich angesichts eines schweren betrieblichen Störfalls in ihrer Stadt verhalten sollen. Die Stadt Mannheim legt dazu alle fünf Jahre eine Informationsbroschüre zum Verhalten bei Störfällen neu auf. Aus aktuellem Anlass hat sich die Stadt Ludwigshafen dem angeschlossen, so dass die Infomappe zum ersten Mal gemeinsam veröffentlicht wird. Eine aktualisierte Version wird ab 2017 auch online zu finden sein – Bürger sollten sich anhand der Notfallpläne informieren, um im Fall der Fälle zu wissen, was zu tun ist.
Von Riccardo Ibba
In Ludwigshafen und Mannheim sind 44 Unternehmen beheimatet, von denen eine Gefahr für die Bürger ausgeht, sollte es zu gravierenden Störfällen kommen. In dieser Dichte und Größe an potenziell gefährlichen Unternehmen, kann es in der Republik kein anderer Standort mit der Metropolregion Rhein-Neckar aufnehmen.
Wie sicher leben die Menschen im Rhein-Neckar Delta also? Wie beugen die Unternehmen möglichen Unfällen vor? Welche Behörden sorgen dafür, dass die gesetzlichen Regelungen der Störfall-Verordnung von allen Betrieben eingehalten werden?
Die Störfall-Verordnung ist Sache des Bundes. Damit ist gewährleistet, das in jedem Bundesland dieselben Vorschriften und Abläufe gelten, sollte es zu einem meldepflichtigen Störfall in einem Betrieb kommen.
Theorie und Praxis
In einem solchen Szenario unterrichtet der Betreiber zunächst die zuständige Aufsichtsbehörde über den Unfall. Für Mannheim ist dafür das Regierungspräsidium Karlsruhe, Abteilung 5, zuständig. In Ludwigshafen regelt die SGD Süd die Belange bei Störfällen.
Die Aufsichtsbehörden setzen umgehend die betreffenden Landesministerien in Kenntnis und diese erstatten dann Meldung beim Bundesumweltministerium. Durch diese strukturierten Abläufe sollen maximale Unterstützung im Katastrophenfall, sowie bessere künftige Verhinderungsmaßnahmen garantiert werden.
Soweit die Theorie, doch wie sieht es in der Praxis aus ?
Als gravierende Störfälle gelten die sogenannten meldepflichtigen betrieblichen Unfälle, aufgeführt im §19 der Störfall-Verordnung. Dieser Weisung unterliegen Betriebsbereiche, die bestimmte gefährliche Stoffe nutzen oder lagern. Es handelt sich dabei um chemische Stoffe, die zu Verätzungen führen sowie die Umwelt vergiften können oder der Explosionsgefahr unterstehen.

Großbrand einer Lagerhalle auf der Parkinsel in Ludwigshafen 2013. Archivbild
Verteilte Spezialisten und Technik
Im Mittelpunkt eines Krisenherdes steht die Feuerwehr. Der Umfang der Rettungsmaßnahmen in Ludwigshafen und Mannheim ist riesig. Von der Analytischen Task Force (ATF) der Feuerwehr Mannheim, über Löschboote sowie Spezialgeräte aller Art, sind die Rettungskräfte sehr gut ausgestattet und geschult.
Wir sind hier wirklich exzellent aufgestellt, jedoch ist das der Gefahrenlage geschuldet. Diese Ballung an Unternehmen mit Störfall-Potential ist einzigartig in Deutschland,
sagt Klaus Handermann von der Feuerwehr Mannheim und ergänzt:
Unsere Ausstattung ist kein Luxus sondern schlichtweg angemessen.
Die Spezial-Ausstattungen sind nicht bei allen Wehren redundant vorhanden, sondern verteilt. Wird die ATF in Ludwigshafen benötigt, hilft die Mannheimer Wehr aus. Dazu kommen weitere Einheiten, wie Rettungsdienste, das THW oder die Polizei.
Doch welche Vorkehrungen unternehmen die Konzerne um für ein mögliches Katastrophenszenario gewappnet zu sein? Dazu werfen wir einen Blick auf die Sicherheitsmaßnahmen der vielleicht bekanntesten Unternehmen der Region, die BASF sowie Fuchs Europe.
Das Konzept der BASF basiert einerseits auf einer modernen Anlagen- und Sicherheitstechnik und andererseits auf der intensiven Ausbildung der Mitarbeiter,
heisst es im Sicherheitspapier des Konzerns.

Mannheim und Ludwigshafen haben zwar bundesweit die höchste Dichte an „Störfall-Potenzial“, doch auch in der Region kann es zu Ereignissen kommen, wo viele Wehren benötigt werden, wie aktuell in Weinheim, wo in der Nacht auf Freitag eine große Lagerhalle in Brand geriet. Foto: Stadt Weinheim
Zusammenarbeit der Wehren
Die mit Werkfeuerwehr der BASF gilt als die modernste der Welt. Bei einem Störfall ist das zusammenarbeiten mit den Berufsfeuerwehren, aber auch den Freiwilligen Feuerwehren elementarer Bedeutung. Man steht deshalb im regelmäßigen Austausch, um im Bedarfsfall schnell und fachkundig zu handeln.
In den BASF-Betrieben werden jährlich um die hundert Alarmübungen abgehalten, um die Sicherheitskonzepte zu überprüfen und notfalls zu aktualisieren.
Trotz aller vorbeugenden technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen lassen sich Betriebsstörungen oder sich daraus ergebende Störfälle wie Brände oder die Freisetzung gefährlicher Stoffe nicht völlig ausschließen,
heißt es in der Störfallbroschüre.
Die Stadtverwaltung Mannheim hat die neue Störfallbroschüre für 15 Mannheimer Betriebe koordiniert,
sagt Erster Bürgermeister und Katastrophenschutz -Dezernent Christian Specht über die achtseitige Broschüre, die in zehn Sprachen die wichtigsten Verhaltensregeln aufweist. Damit werden knapp 60 Prozent der in Mannheim lebenden Bürger mit Migrationshintergrund in ihrer Muttersprache angesprochen. „So erhalten die Bürger alle wichtigen Informationen für einen eventuellen Störfall in einer einzigen, gemeinsamen Broschüre. Gleichzeitig reduzieren wir den Aufwand für die Unternehmen, die sonst 15 einzelne Informationsbroschüren herstellen und verteilen müssten – das ist ein hervorragendes Beispiel für gelungene Bürgerinformation, Umweltschutz und erfolgreiche Wirtschaftsförderung.“
Auch bei Fuchs Europe beispielsweise steht die schnelle Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Mannheim im Mittelpunkt. Das Unternehmen betreibt zudem seit Jahren ein umfangreiches Qualitätsmanagement, ausgewiesen durch zahlreiche Zertifikate, die höchsten Ansprüchen genügen. Die wesentlichen Betriebsanlagen werden außerdem von externen Sachverständigen kontrolliert. Ein präventiv eingerichteter Krisenstab kann jederzeit auf bedrohliche Situationen reagieren.

Kein „Störfall“, sondern eine Naturkatastrophe. Insbesondere Hochwasser wie hier 2013 in Heidelberg, kann enorme Schäden anrichten und fordert die Einsatzkräfte heraus. Archivbild
Leben mit dem Restrisiko
Ein Restrisiko bleibt auch hier:
Sollte trotz der umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen ein Schadensfall eintreten, der sich nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen lässt, so könnte dies zu Auswirkungen innerhalb und außerhalb des Werkes führen.
Auch die Städte Mannheim und Ludwigshafen ergreifen Maßnahmen um ihre Bürger im Notfall zu schützen. Neben dem Sirenenalarm und Lautsprecherdurchsagen, gibt es seit dem letztem Jahr die kostenlosen Warn-Apps KatWarn und NINA. Auch die Internetseiten beider Städte geben Auskunft im Krisenfall.
Kann es sein, dass Unternehmen in der Vergangenheit meldepflichtige Störfälle verheimlicht haben? Und welche Sanktionen wären dann zu erwarten ?
Die SGD Süd ist in Rheinland-Pfalz für den Vollzug der Störfall-Verordnung zuständig. Dort kann man sich an eine Vertuschung eines Störfalls nicht entsinnen.
Uns sind keine Fälle bekannt, in dem ein Störfall verschwiegen wurde. Es wäre wegen der Dimension solcher Ereignisse auch kaum zu verheimlichen,
sagt Nora Schweikert von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD).
Sollte ein Unternehmen beim Mauscheln auffliegen, drohen vergleichsweise milde Strafen. Das Verschweigen eines meldepflichtigen Störfalls wäre eine Ordnungswidrigkeit und kann bis zu 50.000 Euro kosten.
Service
Hier führen wir die wichtigsten Informationsquellen auf Basis der von der Stadt Mannheim gesammelten Informationen auf:
Im Notfallblatt erhalten Sie die wichtigsten Informationen zum Verhalten bei verschiedenen Gefahren und Schadensfällen.
Die Kurzbroschüre „Verhalten bei Störfällen“ (Stand 11/2016) enthält wichtige Handlungsempfehlungen bei industriellen Störfällen in Mannheim und Ludwigshafen in zehn Sprachen.
In der aktuellen ausführlichen Broschüre (Stand 12/2011) finden Sie zusätzlich Informationen zu Mannheimer Unternehmen, die den erweiterten Pflichten der Störfall-Verordnung unterliegen. Eine aktualisierte Broschüre wird nach Erlass der neuen Störfall-Verordnung entsprechend überarbeitet und veröffentlicht (voraussichtlich Frühjahr 2017).
Das Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt Ihnen mit dem „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ zusätzliche Vorsorge- und Selbsthilfeinformationen.
Der Katastrophenschutz in Mannheim stellt Ihnen den Informationsfilm „Wenn die Pegel steigen, Hochwasserschutz in Mannheim“ mit Tipps für das Verhalten bei Hochwasser zur Verfügung.
Möchten Sie weitere Informationen zum Thema „Hochwasser“, empfehlen wir Ihnen die Seite des Fachbereich Grünflächen und Umwelt. Zusätzliches Informationsmaterial zur Eigenvorsorge stellt das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg zur Verfügung.
Anbei erhalten Sie die Informationen unserer in der Umgebung befindlichen kerntechnischen Anlagen und deren Betreiber, sowie des Bundesamtes für Strahlenschutz und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
- EnBW AG mit den Kernkraftwerken „Philippsburg“, „Obrigheim“ und „Neckarwestheim“
- RWE Power AG mit dem Kernkraftwerk „Biblis“
- Bundesamt für Strahlenschutz – Das integrierte Mess- und Informationssystem (IMIS)
- ODL Deutschland – Bundesamt für Strahlenschutz, hier finden Sie die aktuellen Messwerte für
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit