Rhein-Neckar, 05. August 2016. (red/pro) Vergangene Mittwochnacht löste ein 21-Jähriger in Edingen-Neckarhausen einen Großeinsatz der Polizei aus. Am 23. Juli haben zwei Buben ein Fahndung in der Mannheimer Innenstadt ausgelöst. Am 29. Juli wird ein Mann verhaftet, der mit einer blanken Axt durch die Stadt läuft. Am 23. Juli wird in Viernheim ein 19-Jähriger aus Mannheim erschossen – er trug Spielzeugwaffen bei sich. Die Fälle sind alle unterschiedlich, sie haben aber etwas gemeinsam.
Kommentar Hardy Prothmann
In Deutschland ist der Umgang mit Waffen streng reglementiert und das ist gut so. Man benötigt Waffenscheine, die Aufbewahrung wird kontrolliert, das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit unterliegt klaren Auflagen.
Echte Waffen, Alltagswaffen, Anscheinswaffen – Waffe bleibt Waffe
Deutschland ist ein sicheres Land. Trotzdem passieren Verbrechen. Und trotzdem kam es innerhalb kürzester Zeit zu einem Amoklauf in München mit zehn Toten und zwei vermutlich terroristisch motivierten Gewalttaten. Im Raum Würzbug verletzte ein Mann mit Axt und Messer chinesische Touristen in einem Zug schwer. In Ansbach sprengte sich ein Mann in die Luft – nur durch Zufall musste niemand außer ihm sterben. In Reutlingen erschlägt ein Mann eine Frau mit einem großen Fleischermesser.
Die Waffe des Münchner Amokläufers hatte sich dieser über das “Darknet” besorgt – kein Waffengesetz hilft gegen kriminelle Energie. Der Attentäter von Würzburg nutze ein handelsübliches Messer und ein Handbeil für seine Attacke. Der Bombenattentäter baute sich den Sprengsatz aus Chemikalien und versah ihn mit Nägeln und der Täter von Reutlingen schnappte sich ein Fleischermesser, mit dem Döner geschnitten worden war.
Der Bomber starb an seinem Sprengsatz. Der Amokläufer richtete sich selbst. Der Totschläger wurde durch einen Verkehrsunfall außer Gefecht gesetzt. Doch der Zug-Attentäter wurde von der Polizei erschossen. Ebenso wie ein 19-Jähriger aus Mannheim, der im Viernheimer Kinopolis mit Spielzeug- und Schreckschusswaffen Geiseln genommen hatte.
Anscheinswaffen können tödlich sein
Wer mit potenziellen Waffen in der Öffentlichkeit rumläuft, muss damit rechnen, dass dies einen Polizeieinsatz auslöst und dass die Beamten im Zweifel zur Eigensicherung und zur Gefahrenabwehr von ihren Schusswaffen Gebrauch machen. Insbesondere dann, wenn sich so genannte “Anscheinswaffen” nicht von echten Waffen unterscheiden lassen.

Selbst aus der Nähe ist diese Softair-Pistole kaum von einer scharfen Waffe unterscheidbar. Am Donnerstag hielt ein Tatverdächtiger diese in der Hand, als die Polizei ihn stellte. Es kurz vor knapp. Foto: Polizeipräsidium Oberbayern Süd
Die beiden Buben (12 und 13 Jahre alt) in Mannheim kann man vielleicht noch als dumme Jungen bezeichnen, wenn sie am Tag nach dem Amoklauf mit Waffen in der Stadt rumlaufen. Wer aber 36 Jahre alt ist und mit blanker Axt in der Stadt unterwegs ist, der muss sich fragen lassen, was das soll. Man kann eine Axt einwickeln. Blanke Klingen haben in der Öffentlichkeit nichts verloren. Und wer sich wundert, dass die Polizei dann möglicherweise etwas grob durchgreift, dem sollte spätestens dann ein Lichtlein aufgehen.
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Softair-Waffen sind der absolute Grenzfall. Insbesondere, wenn sie echten Waffen täuschend ähnlich sehen. In Edingen-Neckarhausen kam es nicht zu einer Konfrontation, weil zwar 30 Beamte im Einsatz waren, der 21-jährige Waffenbesitzer aber nicht dort war, wo er vermutet worden war.
“Hast Du einen Schuss?” könnte schnell mit “Ja” beantwortet werden
Im bayerischen Miesbach hantierten am Donnerstagnachmittag zwei “südlandisch” aussehende Männer in einem Geländewagen mit Pistolen – die Polizei wurde alarmiert und eine Streife traf auf die Männer, als sie eine Bank verließen. Einer hatte eine Waffe in der Hand. Ein Polizeibeamter war schießbereit und nur sehr gute Nerven und kein Fehlverhalten des Waffenträgers in diesem Augenblick führten nicht zum Show-down. Eine falsche Reaktion, eine falsche Bewegung – und die Schüsse aus der Polizeiwaffe wären gefallen.
Polizeibeamte haben in brenzligen Situationen nur wenige Augenblicke Zeit, die Gefahrenlage einzuschätzen. Anscheinswaffen sind von „echten“ Waffen auf die Schnelle nicht zu unterscheiden. Gerade nach den jüngsten Anschlägen in Bayern und nach dem Amoklauf von München muss die Polizei Hinweisen mit der gebotenen Schnelle und Ernsthaftigkeit nachgehen.
Solche Einsätze, die bewusst oder aus “Gedankenlosigkeit” provoziert werden, bringen die Polizei und die betreffenden Personen wie auch Unbeteiligte in absolute Grenzsituationen – möglicherweise zwischen Leben und Tod. Die Linie ist äußerst schmal.
Jeder Einsatz ist echt – auch bei “falschen” Waffen
Neben saftigen Ordnungsgeldern prüft die Polizei immer, ob die Einsatzkosten in Rechnung gestellt werden können – das kann sehr, sehr teuer werden. Abgesehen davon: Die Einsatzkräfte werden wegen “Blödsinn” gebunden und werden woanders gebraucht. Und abgesehen davon sind auch Polizisten Menschen. Die müssen zwar mit brenzligen und nervenaufreibenden Situationen fertig werden – aber es reichen die Fälle, die “echt” sind.
Abgesehen davon. Auch solche Einsätze sind für die Polizei immer echt und zwar ohne Anführungszeichen.
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