Mannheim/Rhein-Neckar/Hamburg/Karlsruhe, 04. März 2019. (red/pro) Die Mannheimer Lokalzeitung “Mannheimer Morgen” hat zum Wochenende einen vermeintlichen “Scoop” veröffentlicht. Der Investor Tom Bock habe zwei Bauflächen auf der Konversionsfläche Turley für den “sechsfachen” Preis verkauft – 2015 habe dieser 6 Millionen Euro bezahlt und nun für 36 Millionen Euro erlöst. Lokalpolitische Vertreter schäumen vor “Entsetzen”. Das ist erstaunlich – vor allem, weil sich die Frage stellt, ob diese nicht selbst mit in der Verantwortung stehen. Doch das ist egal, es ist schließlich Wahlkampf und Fasnacht, da kann man schon mal einen über den Durst grölen.
Von Hardy Prothmann
Wer einen Taschenrechner bedienen kann, ist klar im Vorteil.
Als Tom Bock 2012 in Mannheim vorgestellt wurde, war er herzlichst willkommen und wurde wohlfeil von der MWSP, damals unter Geschäftsführer Dr. Konrad Hummel, präsentiert. Die Begeisterung war groß, die Stimmung super. Einzig ich störte damals das Stelldichein. Mit Fragen. Tom Bock reagierte sehr genervt – warum er sich sowas bieten lassen sollte, unverschämt seien die Fragen und überhaupt, er könne die Lust verlieren, sich in Mannheim zu engagieren. Da wurden die Gesichter nervös.
Aus meiner Sicht trat eine Person auf, die überheblich, selbstverliebt und egozentrisch ist. Meine Sicht. Die muss man nicht teilen. Konkret wurde Herr Bock bei seinen “visionären” Ideen nicht – das war unter seinem Niveau. Die lokalen Medien berichteten nichts über die aufgeheizte Stimmung und auch ich habe verzichtet, denn es gibt leider viele, die dann meinen, der Prothmann spiele sich wieder auf. Geschenkt.
Aktuell herrscht nicht wie bei mir damals ein kritischer Blick, sondern gar “Entsetzen”. Äh. Worüber? Ein Geschäftsmann macht Geschäfte mit der Stadt Mannheim, über eine Tochter, erfüllt seine Verpflichtungen und macht danach ein vermeintlich glänzendes Geschäft. Worüber ist man entsetzt? Dass man dieses Geschäft nicht selbst gemacht hat? Come on. Das wäre echt oberpeinlich. Und würde jeden, der sich entsetzt zeigt, als Neider ins Rampenlicht stellen.
Zum Taschenrechner. Wenn es Tom Bock gelungen sein sollte, einen unbestellten Baugrundacker von 13.000 Quadratmetern für sagenhafte 36 Millionen Euro zu verkaufen, dann könnte man nur den Hut ziehen. Das sind 2.769 Euro pro Quadratmeter – für unbebauten Grund. Und das ist nicht nur ein stolzer Preis, das ist ein Spitzenpreis, sogar rekordverdächtig. Wenn das so stimmen sollte, müssten sich nicht nur Spiegel online, FAZ und Süddeutsche dafür interessieren, das wäre sogar ein Thema für die New York Times.
Doch ist das so? Harte Fakten können der Schießbefehl-Chefredakteur Dirk Lübke und sein Alarmstufe-Rot-Adlatus Thorsten Langscheid bislang nicht vorlegen. Beide fielen in der Vergangenheit durch einen hochgradigen Alarmismus auf, an dessen Ende meist nur dünne Luft blieb. Die aktuelle Veröffentlichung erfolgt nach einem erprobten Muster: Aufschlag am Wochenende, Gesprächspartner sind nicht zu erreichen, andere Medien sind dadurch im Nachteil, das Ding soll viral gehen, irgendwas wird schon hängenbleiben.
Interessant ist, dass über die genannten Investment-Firmen Fortoon Development GmbH (Hamburg) und Qcoon-Invest GmbH (Karlsruhe) bislang wenig bekannt ist. Das ist wiederum kein Wunder, denn das sind Neugründungen, hinter denen offenbar Privatkapital aus Hamburg und anderswo steckt. Die Beteiligungen an diesen Neugründungen sind ein komplexes Geflecht – es geht offenbar um private Investments abseits von Banken und Fonds. Daran ist nichts auszusetzen. Beteiligt sind Firmen wie die erst im September gegründete “Faith in Mannheim GmbH ” – also “Glauben in Mannheim”. Klingt so “skrupellos”? Reichlich seltsam muten aber die vielfältigen Überkreuzbeteiligungen an. Bislang hatte man den Eindruck, es mit einem Tom Bock zu tun zu haben, tatsächlich ist schwer zu durchschauen, wo Tom Bock noch drin ist oder nicht mehr drauf steht. Tom Bock könnte auch so etwas sein wie Meister Proper. Ebenfalls beteiligt ist eine “Incipe Verwaltungs GmbH Karlsruhe”. Firmenzweck:
Die Beratung von inländischen und ausländischen, natürlichen und juristischen Personen und Personenvereinigungen aller Art, insbesondere dem Erwerb, der Verwaltung und der Veräußerung von Beteiligungen an inländischen und ausländischen Unternehmen, und die Beratung von Gesellschaften, an denen diese Beteiligungen eingegangen wurden, sowie sämtliche hiermit direkt oder indirekt zusammenhängenden Tätigkeiten, soweit dafür keine Erlaubnis erforderlich ist.
Incipe ist ein Imperativ Singular und heißt übersetzt: “Jetzt fang an!” Tom Bock hat ein Faible für Italien und offenbar auch eins für Chiffren.
Die Neugründung von Invest-Unternehmen ist kein Skandal an sich, sondern normales Bisnis. Auch die Stadt Mannheim hat viele neue Firmen gegründet, um Aufgaben zu erledigen – wie die MWS Projektentwicklung GmbH (MWSP). Ein Skandal würde dann draus, wenn diese ihre definierten Aufgaben nicht erledigt hätte. Bislang hatte daran niemand einen Zweifel. Ganz im Gegenteil waren viele von denen, die sich nun entsetzt zeigen, bislang sehr zufrieden mit den Leistungen der GBG-Tochter. Der GBG-Chef Karl-Heinz Frings ist übrigens ebenfalls Geschäftsführer der MWSP. Wenn es an der Kritik gibt, dann auch an dem bislang hochgelobten GBG-Chef – wenn verantwortlich gemacht wird, dann alle und nicht nach Gutdünken. Und die Lokalzeitung hatte in den vergangenen Jahren viele liebedienerische Artikel veröffentlicht. Wo war die Kritik, der Zweifel?
Was ist nun der Skandal? Dass jemand ein Geschäft macht? Das kann niemand ernst meinen. Ok – die “Versechsfachung” von Kapital in nur drei Jahren scheint schon krass, aber wenn alles nach Verträgen lief, wo bleibt der Skandal? Was die Investoren vorhaben, ist nicht bekannt, aber Berufs-Skandalisierer wie ein grüner Stadtrat Gerhard Fontagnier wissen anscheinend mehr als andere und halten die Klobürste hoch. Nur blöd, dass sein Stadtratskollege Raimond Fojkar im Aufsichtsrat der MWSP sitzt – die dürfen die Fraktionen unterrichten. Ebenso wie der SPD-Fraktionsvize Reinhold Götz, der besonders laut über einen Skandal klagt und dessen Fraktion in einer aktuellen Zumeldung den Verkauf als “skrupellos” brandmarkt. Und auch CDU-Fraktionschef Claudius Kranz sitzt in diesem Aufsichtsrat. Klar, den Vorsitz hat Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) – verantwortlich sind sie aber, wenn schon-denn schon, alle.
Wäre die AfD in Mannheim nicht so kläglich aufgestellt, sie könnte aufjubeln. Eine bessere Steilvorlage gäbe es nicht.
Wann genau wusste der Aufsichtsrat von den Geschäften? Die Frage ist noch offen. Auch, welche Reaktionen beschlossen worden sind. Können sich wirklich alle ahnungslos geben, vor allem die Empörten? Und wenn man von den Geschäften wusste – welche Konsequenzen musste das nach sich ziehen? Wenn alles korrekt lief, heißt die Antwort: Genau keine. Wenn nicht, muss man weitere Fragen stellen.
Interessant ist auch die Abfolge der Berichte. Erst kam der Aufschlag über einen angeblichen Skandal und dann schnell Gerhard Fontagnier im Zitat und dann tauchte Grünen-Freund Herr Langscheid als Co-Autor auf. Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt, wie die Tipps und Hinweise über welche “Quellen” gelaufen sein könnten (dem RNB würde das nicht passieren, wir schützen unsere Quellen immer).
Wenn Verträge eingehalten und keine Gesetze gebrochen wurden, gibt es keinen Skandal, außer man argumentiert kommunistisch und hält grundsätzlich jedes Geschäftemachen für des Teufels Werk auf das der Gulag stehen sollte.
Unabhängig vom Skandalisierungsinteresse einer zunehmend schwindsüchtigen Lokalzeitung hat die Causa allerdings Potenzial. Falls in der Vergangenheit zu wenig Fragen gestellt worden sein sollten, ist jetzt der geeignete Zeitpunkt, diese zu stellen und Antworten einzufordern – und zwar über Wahlkampfgetöse zur bevorstehenden Kommunalwahl 2019 hinaus.
Insbesondere die Baubranche ist extrem anfällig für Korruption, Betrug und auch Geldwäsche – dazu hat das RNB immer wieder bei der Stadt Mannheim nachgefragt, aber keine soliden Antworten erhalten (damit ist nicht unterstellt, dass hier so etwas vorliegen könnte). Tatsächlich gibt es aber sicherlich eine Reihe von Fragen, die auf der Hand liegen und die wir redaktionell vorbereiten.
Für die MWSP ist der Vorgang ein Alarmsignal. Es gibt hier keine funktionierende Krisenkommunikation, die mit progressiver Transparenz vorgeht und Gerüchten den Sauerstoff entzieht, nämlich irgendwelchen Spekulationen. Das könnte für die städtische Tochter ein echtes Problem werden. Und auch für Achim Judt – denn der muss aktuell Fragen beantworten. Er hat sich umfangreich gegenüber RNB geäußert, dazu berichten wir noch.
Als faire Redaktion gönnen wir der Lokalzeitung einen Scoop – wenn es denn einer sein sollte. Daran bestehen bislang aus unserer Sicht erhebliche Zweifel. Und sollte die Sache substanzlos skandalisiert worden sein, muss sich die Lokalzeitung Fragen stellen lassen.
Lassen wir uns alle überraschen, wie sich die Story entwickelt.
Stadtrat Roland Weiß (Mannheimer Liste/Freie Wähler) hat im Konzert der Empörten nicht mitgespielt, sondern die eigene Geige bedient – er will erst mit der MWSP sprechen. Das ist vernünftig.