Mannheim, 03. Februar 2018. (red/pro) Der SPD-Kreisverband Mannheim verzeichnet seit Jahresbeginn 100 neue Mitglieder und wächst auf 1.880 Parteimitglieder – der höchste Stand seit zehn Jahren. Ein Mitgliederentscheid soll festlegen, ob die SPD erneut in eine große Koalition mit den Unionsparteien geht – die Jusos hatten aufgerufen, in die Partei einzutreten, um dagegen zu stimmen. Der frühere Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier kritisiert den Mitgliederentscheid “als faktisches Aushebeln grundsätzlicher Regeln des parlamentarischen Systems.
Seit Januar können wir 100 Eintritte verzeichnen, davon sind 95 Personen nach dem Parteitag in Bonn eingetreten,
teilt SPD-Kreisvorsitzender Wolfgang Katzmarek per Pressemitteilung mit.
Das Durchschnittsalter der Neueintritte betrage rund 43 Jahre. In Anspielung auf die Forderung der Jusos, in die Partei einzutreten und gegen eine Groko zu stimmen, stellt Herr Katzmarek fest:
Es treten also nicht nur Personen im Juso-Alter ein, sondern aus allen Altersgruppen.
Das jüngste Neumitglied sei erst 15 Jahre alt und auch ein 87-jähriger Mannheimer habe sich in den vergangenen Tagen entschieden, in die SPD einzutreten. Insgesamt hat der Kreisverband Mannheim nun 1.880 Mitglieder, so viele wie zuletzt im Jahr 2008:
Somit hatten wir in den ersten fünf Wochen des Jahres 2018 schon mehr Eintritte als im gesamten Jahr 2015.
Die stellvertretende Vorsitzende Malin Melbeck interpretiert die Neueintritte als “Identifikation für die Ideen der Sozialdemokratie und unseren Werten”. Die SPD sei eine “Mitmach-Partei”.
Offener Ausgang
Nach unseren Recherche treten Gegner wie Befürworter einer erneuten Groko in die SPD ein. Beispielsweise ist der bekannte frühere Spiegelreporter Cordt Schnibben als Unterstützer ein Groko SPD-Mitglied geworden.
Der Bundesparteitag hatte allerdings nur mit knapper Mehrheit, 56 Prozent, für eine erneute große Koalition gestimmt. Die Delegierten votierten nach unseren Informationen nicht immer nach dem Willen der Basis – der Kreisverband Mannheim ist beispielsweise mehrheitlich für die Opposition. Wie also die Basis abstimmen wird, ist offen. Wer als SPD-Mitglied stimmberechtigt sein will, muss bis 06. Februar eintreten.
Die SPD hatte zum Jahresende rund 443.000 Mitglieder, die CDU rund 425.000, die CSU 141.000. Als Einzelpartei ist die SPD also die größte im Land und gewachsen. Auch die CDU verzeichnet ein Mitgliederplus – unterm Strich durch Todesfälle aber einen leichten Mitgliederschwund.
Kritik von früherem Bundesverfassungsrichter Papier
Die politischen Parteien haben nach dem Grundgesetz sicher eine herausragende Stellung im politischen System der Bundesrepublik, aber sie sind es nicht, die nach den Regeln des Grundgesetzes den Bundeskanzler wählen und über die Gesetze beschließen,
schreibt der Verfassungsrechtler Hans-Jürgen Papier, der von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe war, in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das dürfte der SPD überhaupt nicht schmecken – schon wieder ein Fauxpas. Man stellt sich als demokratische Mitmach-Partei dar, tatsächlich, so die Kritik, sei dieser Ablauf eher problematisch zu sehen.
Verhandlungen und Absprachen über die Regierungsbildung, das Regierungsprogramm sowie die zukünftige Gesetzgebung müssten von den Fraktionen, die aus den gewählten Abgeordneten bestehen, geführt und getroffen werden, nicht aber von den politischen Parteien, so Papier:
Mitgliederentscheide über die Bildung der Bundesregierung, über das künftige Regierungsprogramm und die Gesetzgebung in der neuen Legislaturperiode hebeln stückweit diese grundgesetzlichen Regeln des parlamentarischen Systems faktisch aus.
Wackelige Situation in Berlin
Aktuell wird in Berlin eine “geschäftsführende Regierung” geführt – sie besteht aus den bisherigen Ministern der alten großen Koalition mit Dr. Angela Merkel als geschäftsführender Bundeskanzlerin an der Spitze.
Sollte es nicht zu einer großen Koalition kommen, müssten die Unionsparteien eine Minderheitsregierung bilden, was aller Voraussicht nach dann zu einer Neuwahl führen würde. Nach neuesten Umfragen würde die SPD noch schlechter abschneiden, sie kommt nur noch auf 18 Prozent, was zwei Prozentpunkte unter dem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten mit 20 Prozent bei der Wahl im vergangenen Herbst liegt.
Die SPD zeigt sich gespalten – selbst wenn eine kleine Mehrheit für eine neue Groko stimmen würde, wäre doch fast die Hälfte dagegen. Das könnte zu einer Austrittswelle führen, um die Führungsspitze abzustrafen.
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