Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Oktober 2015. (red) Nun wird auch das Funari-Quartier, das benachbart zum Columbus-Quartier liegt, für die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet. Bis 23 Uhr soll ein Gebäude derart ertüchtigt sein, damit rund 500 Flüchtlinge dort unterkommen können. THW, DRK und Feuerwehr sind im Einsatz. Unterdessen gibt es vermehrt Anzeigen, dass die Idee von „Drehkreuzen“ an anderen Plänen der Flüchtlinge scheitern könnte.
Von Hardy Prothmann

Und wieder wird angepackt – aktuell soll ein Wohnblock auf Funari bis 23 Uhr von den Hilfskräften zur Aufnahme von rund 500 Flüchtlingen ertüchtigt werden.
Die Leute packen beherzt zu. Palette für Palette wird aus ständig vorfahrenden Lkws entladen. Feldbetten, Luftmatrazen, Hygiene-Sets, Wasser. Eben alles, was man für die Erstausstattung braucht.
Natürlich fehlen die Dixi-Toiletten nicht. Die Bäder der Gebäude können nicht benutzt werden, weil die Wasserleitungen nicht aktiv sind. Die Bäder werden verschlossen, damit nicht jemand aus Versehen… .
Konzentrierte Zusammenarbeit
MVV-Techniker stellen die Stromversorgung her. Auch die Schaltkästen im Haus werden verschlossen, „damit da nichts passiert“.
Wenn die Helfer kurz nicht zu tun haben, steht man zusammen, erzählt, bespricht den nächsten Ablauf. Die allermeisten kennen solch großen Einsätze nicht – aber sie wissen, was sie geübt haben und das lässt sich nach oben skalieren. Alle arbeiten ruhig und konzentriert zusammen. Sie bilden Ketten, sie packen an. Beim THW sind auch viele Frauen im Einsatz, die etwas weniger tragen können als die Männer, aber genauso entschlossen sind.
Die Kräfte kommen aus Mannheim, Viernheim, Heidelberg – der gesamten Umgebung. „Wir werden so alarmiert, dass sich die Einsätze verteilen“, sagt einer, schnappt sich eine Ladung Feldbetten und ab damit.
Bis 23 Uhr will man fertig sein – dann werden die Flüchtlinge erwartet. Klappt das nicht, wird man sie in einer nahe gelegenen Halle sammeln und gruppenweise in das Gebäude führen, so wie die Zimmer fertig werden.
Und niemand weiß, ob tatsächlich 500 oder 1.000 kommen oder vielleicht nur 200. Ein Zug, der eigentlich rund 1.000 Menschen nach Mannheim zum weiteren Verteilen bringen sollte, hatte genau 278 Personen an Bord.

Mobile Leitstelle.
Wie viele kommen?
Viele Flüchtlinge lassen sich nicht anweisen – sie steuern die von ihnen ausgesuchten Ziele direkt an, wissen, wo sie hin wollen. Internet und Smartphones machen es möglich – für die Behörden ist das die nächste Herausforderung. „Wie soll man planen, wenn die, denen die Planung gilt, andere Pläne haben und nicht durchgesetzt wird, dass die Flüchtlinge sich an unsere Pläne zu halten haben“, sagte uns ein Polizeibeamter dieser Tage im Vertrauen.
Heute sollen bis 1.000 Personen eintreffen, übers Wochenende weitere 1.500-2.000 Menschen. Wird das so sein?
Wenn wie im Fall des Zuges drei Viertel aller geplanten Flüchtlinge „eigene Pläne“ verfolgen, muss das Heidelberger Drehkreuz scheitern. Im Patrick Henry Village soll der überwiegende Teil der Flüchtlinge in Baden-Württemberg registriert und medizinisch untersucht werden, bevor man die Menschen auf andere Standorte verteilt.
Umgekehrt gibt es Klagen unter den Flüchtlingen, dass die Registrierungen so lange dauern, das Heidelberger Drehkreuz soll Abhilfe schaffen – und Taschengeld gibt es erst nach einer Registrierung.
Flüchtlinge verfolgen eigene Pläne
Dass so viele Flüchtlinge sich der Registrierung entziehen – viele wissen, dass sie illegal handeln – zeigt, dass „Geld“ allein nicht der Grund ist, warum die Flüchtlinge nach Europa und insbesondere nach Deutschland kommen. Offenbar haben sich schon zahlreiche Netzwerke entwickelt, so dass Freunde und Familien oder Menschen aus denselben Gebieten versuchen, gezielt zusammenzukommen.
Das ist verständlich, weil man sich kennt und eher vertraut – das sind wesentliche Vorteile in einer fremden Welt. Andererseits werden solche Strukturen eine „erzwungene“ Öffnung gegenüber dieser Welt und eine Integration in diese verhindern – Stichwort „Ghetto-Bildung“. Deswegen ist auch die Idee, Nationalitäten zu trennen und möglichst konzentriert an Standorten unterzubringen, ein falscher Gedanke. Wer unter seinesgleichen ist, muss sich nicht anpassen. Und man ist gut vernetzt – kennt sich aus. Und weiß, dass behördlicherseits in Deutschland keine Probleme drohen. „Italien ist der Horror“, sagt uns ein Gambianer in den vergangenen Wochen. „Greece is awfull“, ein Syrer. Andere schimpften vor allem über Ungarn – und alle wollten nach Deutschland oder Schweden.
Sind Forderungen nach Rechtsnormen „Zündelei“?
Forderungen, dass sich die Flüchtlinge den Planungen zu beugen und unsere Rechtsnormen anzuerkennen haben, werden schnell als „Zündelei“ verunglimpft. Fantasien, was passiert, wenn jeder macht, was er will, entwickeln diese „Kritiker“ nicht. Sie weiden sich lieber daran, wenn nichts mehr funktioniert, dass die Behörden etwas „nicht im Griff“ haben.
Das war tatsächlich der Fall in der jüngeren Vergangenheit – viel zu zögerlich hat man sich auf die Situation eingestellt. Abwiegeln statt vorausschauend durchplanen war die Devise. Aktuell hilft nur noch durchgreifen.
Das THW und die anderen Hilfskräfte „schaffen das“ heute Nacht. Die Ertüchtigung von Unterkünften ist eine wichtige Aufgabe, aber eine, die abgeschlossen werden kann. Wenn die Menschen dann da sind, beginnen andere Aufgaben, die schwerer sind, weil es mit jedem Menschen „menschelt“. Und man muss große Sorge haben, dass „wir das nicht schaffen“ – auch, wenn die Kanzlerin Angela Merkel das vor ein paar Tagen noch anders gesehen hat.
Andere Medien berichteten, Spinelli würde belegt. Heute Nacht nicht. Aber irgendwann in der nächsten Zeit sicher.
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