Weinheim/Rhein-Neckar, 02. Oktober 2015. (red/ms) Wir veranstalten regelmäßig unsere Öffentliche Redaktionskonferenz – zuletzt am vergangenen Donnerstag, und zwar in der Saunalandschaft des Freizeitbads Miramar in Weinheim. Lars Hennemann, neuer Chefredakteur des „Darmstädter Echo“ machte Blattkritik, Gastgeber Marcus Steinhart stellte das Miramar vor. Weitere Redaktionsgäste waren Dr. Konrad Hummel und Jürgen Staat. Unsere Redaktionskonferenzen sollen eine transparente Plattform bieten – und finden immer an anderen Orten in unserem Berichtsgebiet statt.
Von Minh Schredle
Dr. Konrad Hummel wollte eigentlich einen Vortrag über Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung halten. Dazu kam es auch – aber nicht wie geplant. Überhaupt ist in diesen Tagen nur wenig planbar für den Konversionsbeaufragte der Stadt Mannheim.
Schon unter normalen Umständen hat Dr. Hummel für gewöhnlich alle Hände voll zu tun. Durch die Flüchtlingsunterbrinung auf Mannheims Konversionsflächen hat sich seine Arbeitslast noch deutlich gesteigert. Und trotzdem konnte er es einrichten, auf unserer fünften Öffentlichen Redaktionskonferenz einen, wenn auch kurzen Vortrag für unsere Gäste zu halten:
Ich müsste eigentlich woanders sein – aber ich finde es trotzdem gut und wichtig, dass Ihre Redaktion diese Möglichkeit bietet.
Dr. Hummel erläutert, dass sich aktuell die gesamte Stadtverwaltung wegen der stetig steigenden Flüchtlingszahlen in einem Krisenmodus befindet. Es könne daher sein, dass er jederzeit seinen Vortrag unterbrechen müsse, um wichtige Telefonate zu führen.
Tatsächlich klingelt keine fünf Minuten später eines seiner beiden Handys. „Ich muss drangehen,“ sagt er und unterbricht den Vortrag. Nachdem er auflegt, wendet er sich ans Publikum:
Heute Abend kommt noch eine Menge Arbeit auf mich zu.
Gerade ist es etwa 19:20 Uhr und die fünfte Öffentliche Redaktionskonferenz des Rheinneckarblog neigt sich ihrem Ende zu. Die Veranstaltung fiel dieses Mal etwas exklusiver aus als die vorherigen: Zu Beginn waren 16 Teilnehmer anwesend, im Verlauf stoßen zwei weitere hinzu. Sechs Absagen wegen Erkältung und zwei wegen Terminen erreichten uns am Tag davor.
Damit ist leider weniger Publikum vor Ort als bei unseren vorangegangenen Veranstaltungen. Die Teilnehmerzahl musste begrenzt werden – denn die Redaktionskonferenz fand in der Saunalandschaft des Miramar statt. Oder genauer gesagt: Im Ruheraum der Kristalsauna, die neue Attraktion des Saunaparadieses. Eine Investition von zwei Millionen Euro netto.
Millioneninvestitionen…
Nach einem kurzen Rundgang um 18:00 Uhr erklärte Marcus Steinhart, der das Miramar seit bereits mehr als fünfzehn Jahren leitet, unseren Gästen einige Hintergründe zum Freizeitbad.
Das Miramar startete bereits in den 1950er-Jahren als städtisches Schwimmbad – doch nach einer erfolgreichen Anfangszeit ließ die wirtschaftliche Entwicklung zu wünschen. Die Besucherzahlen brachen über die Jahre hinweg von etwa 700.000 Gästen im Eröffnungsjahr auf unter 300.000 Gäste ein.
Schließlich wurde das konkursreife Miramar für eine symoblische Mark an die Familie Steinhart privatisiert – allerdings unter der Auflage, dass diese Geld in das Bad investieren müsse.
„Wir wollen etwas bieten, das es sonst nirgends gibt“
Das ist geschehen. Und das Miramar ist inzwischen wirtschaftlich so stabil, dass regelmäßig Millionenbeträge investiert werden, um das Angebot des Freizeitbads weiter auszubauen: 2012 wurden zwei neue Rutschen eingeweiht, 2015 wurde die Saunalandschaft deutlich ausgebaut. Herr Steinhart sagt dazu:
Wir wollen unseren Gästen alle drei Jahre etwas Neues bieten.
sagt Herr Steinmann. Am liebsten seien ihm Alleinstellungsmerkmale. Angebote, die es so nirgendwo sonst gibt. Die nächste Neuerung in diese Richtung sei bereits geplant: Im Waidsee soll eine schwimmende Sauna errichtet werden.
Heute sind es stabil 650.000 Gäste im Jahr, die zur Hälfte den Bäder- und Saunabereich besuchen. Das Miramar ist ein großer Arbeitgeber in Weinheim und ebenso ein guter Gewerbesteuerzahler.
Gesundheit ist lohnenswert
Unsere Öffentlichen Redaktionskonferenzen sollen nicht nur eine Plattform sein, auf der sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unseren Leserinnen und Lesern austauschen können – es gibt auch immer Vorträge zu verschiedensten, spannenden Themen, die das Alltagsleben bestimmen.
Am vergangenen Donnerstag luden wir daher den Gesundheitsmanager Jürgen Staat der Wiesbadener JK Gesundheitsmanagement ein. Laut Herrn Staat würden Unternehmen inzwischen zunehmend ein Bewusstsein für die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln:
Das nur moralisch gut – es ist in vielen Fällen eine lohnenswerte Investition.
Viele ließen sich noch durch die hohen Kosten abschrecken, die ein Gesundheitsmanagement verursacht – doch langfristig könne sich diese Investition durchaus rechnen: Gesunde und motivierte Mitarbeiter würden seltener wegen Krankheiten fehlen und produktiver arbeiten. Außerdem sei Zufriedenheit sei sehr wichtig für eine zufriedenstellende Arbeit.
Fundierte Blogkritik
Besonders freute es unsere Redaktion den Journalisten Lars Hennemann begrüßen zu dürfen. Herr Hennemann ist seit August Chefredakteur der regionalen Tageszeitung “Darmstädter Echo” – und er sucht den Austausch mit innovativem Online-Journalismus:
Das Verhältnis zwischen etablierten Medien und der doch recht jungen Bloggerlandschaft ist oft angespannt. Ich bin dafür, dieses schwarz-weiß Denken zu beenden: Es gibt auf beiden Seiten herausragende Arbeit. Und genauso gibt es auf beiden Seiten Mist.
Herr Hennemann erklärte sich dazu bereit, das Angebot des Rheinneckarblog einer „Blattkritik“ zu unterziehen. Dabei hörten wir viel Schmeichelhaftes – aber auch konstruktive Kritik und fundierte Vorschläge, wie wir unser Angebot weiterhin verbessern können.
Besonders hob Herr Hennemann unseren meinungsstarken Journalismus hervor: So viele bewusst subjektive Einordnungen wie bei uns seien ungewöhnlich und würden viel Mut erfordern – andere Medien könnten sich hier seiner Meinung nach gerne etwas abschneiden. Ihm gefalle auch die hohe Qualität unserer Berichterstattung und das sprachliche Niveau der Texte:
Qualitätsjournalismus wird hier nicht nur behauptet, sondern findet auch tatsächlich statt.
Es sei sehr richtig und wichtig, hin und wieder Grundsatzfragen zu stellen und auch ungeschönt über unliebsame, sensible Themen zu berichten.
Gewichtungsprobleme

Lars Hennemann: „Eure Berichterstattung ist schon jetzt sehr gut – aber euer Angebot könnte noch deutlich besser werden, wenn ihre eure Schwerpunkte ausgeglichener setzt.“
Herr Hennemann kritisierte, dass unserem Angebot ein bisschen die Mitte fehle. Es gebe sehr kurze und kompakte Meldungen und dann die ausführlichen Analysen mit hohem Anspruch – dazwischen gebe es nur zu selten Artikel, die zwischen diesen Extremen lägen.
Es wäre außerdem wünschenswert, bei der Berichterstattung angenehmere Themen stärker zu berücksichtigen – oft stünden Problematisierungen stark im Vordergrund. Auch würde die Kritik an anderen Medien zu viel Raum einnehmen.
Außerdem kritisierte Herr Hennemann, dass viele Texte zu komplexen Themen von den Lesern ein gewissen Vorwissen verlangen würden und nicht alles unbedingt “einsteigerfreundlich” sei. Eine Möglichkeit, sich hier zu verbessern, wäre es seiner Ansicht nach, die Quervernetzungen zwischen unseren Texten weiter zu verbessern und zu umfangreichen Themen Dossiers anzulegen.
Hohes Niveau
Nach der Kritik von Herrn Hennemann, die wir dankend annehmen, bildete der Vortrag von Dr. Hummel den Abschluss des Abends. Aus Termindruck musste er sich leider etwas kürzer fassen, als er es vermutlich gerne getan hätte.
Dr. Hummel ist als Konversionsbeauftragter für die Entwicklung der ehemaligen Militärgelände in Mannheim zuständig. Als Geschäftsführer der MWSP leitet er ein Büro mit 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Vor kurzem hat er ein Buch veröffentlicht, das sich auf über 20 Jahre Erfahrung in den Themen Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung stützt – das Buch richtet sich ganz eindeutig an Fachleute und ist auf einem sehr hohen, sehr komplexen Niveau geschrieben.
Zukunft ungewisser denn je
Dr. Hummel ist seit Jahren so eng wie nur möglich mit der geplanten Entwicklung von Franklin und Co. vertraut – aktuell ist die Zukunft der Kasernenflächen allerdings ungewisser denn je.
Ein Paradebeispiel dafür ist das Benjamin Franklin Village: Wie Dr. Hummel erklärt, sei die Detailplanung bereits sehr weit vorangeschritten und mit Investoren abgestimmt. Allerdings könne man inzwischen gar nicht mehr sicher sagen, ob die Stadt Mannheim das Gelände überhaupt erwerben kann – aktuell braucht das Land Baden-Württemberg die Kasernen um Tausende von Flüchtlingen unterzubringen. Dr. Hummel sagt dazu:
Wir müssen unsere Pläne mit dem Land Baden-Württemberg abstimmen und anpassen. Die Stadt Mannheim ist bereit, das Gelände auch dann zu kaufen, wenn dort vorrübergehend Flüchtlinge untergebracht sind. Wenn die Absprache mit dem Land gelingt, können wir Franklin ungefähr wie geplant entwickeln – wenn nicht, dann sind Investitionen von einer Milliarde Euro und Planungskosten von mehreren Millionen dahin.
Gerade will er das weiter ausführen, da klingelt sein Telefon. “Aktuell kann sich jede Stunde die Informationslage völlig ändern,” sagte Dr. Hummel noch vor der Konferenz. Tatsächlich ist das eingetreten. Nach dem Telefonat sagt er:
Womöglich kommen heute noch einige hundert weitere Flüchtlinge nach Mannheim.
Sein “womöglich” ist bezeichnend für eine „nicht einfache“ Informationslage und die mangelhafte Verständigung zwischen verschiedenen Behörden und Ämtern.
Dr. Hummel verbleiben nur noch wenige Minuten, dann muss er weiter zum nächsten Termin. Er schafft es allerdings, diese wenigen Minuten mit erstaunlich viel Inhalt zu füllen und auf grundlegende Probleme bei Bürgerbeteiligung einzugehen.
Oft würden bei Beteiligungsprozessen Erwartungen geweckt, die gar nicht erfüllt werden können. Wer seine Anregungen und Ideen einbringt, diese aber nicht verwirklicht werden sieht, würde womöglich frustriert verenden – auch dann, wenn eine Idee aus rein rechlichen Gründen nicht realisierbar ist.
Politik muss wieder eine breite Gesellschaft erreichen
In vielen Fällen sei es schwierig, nachvollziehbar zu vermitteln, weswegen ein Vorschlag nicht umgesetzt oder berücksichtigt werden könne. Für gelingende Bürgerbeteiligung brauche es unbedingt Kompromissbereitschaft unter den Beteiligten.
Ein großes Problem sei, dass Beteiligungsprozesse nicht immer bei allen ankämen – man erreiche damit oft nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Häufig würden sich verschiedene Bürgerinitiativen um den gleichen Personenkreis bilden. Es müsse daran gearbeitet werden, mit Beteiligungsangeboten breitere Gesellschaftsschichten zu erreichen, damit die Ergebnisse auch wirklich repräsentativ für eine Stadtgesellschaft sein können.
Schließlich endete unsere fünfte Öffentliche Konferenz etwas abrupt, weil Zeitpläne stringent eingehalten werden mussten. Wir sind als Veranstalter trotzdem sehr zufrieden – beim nächsten Mal wollen wir allerdings wieder mehr Gäste begrüßen dürfen. Bis dahin arbeiten wir daran, Hinweise, Vorschläge und Kritik zu verarbeiten und unser Angebot weiter zu verbessern.