Mannheim/Rhein-Neckar, 16. Oktober 2015. (red/ms) Für die Ehrenamtlichen des Technischen Hilfswerks (THW) ist der Krisenmodus ein Normalzustand. Ihre Aufgabe ist der Katastrophenschutz. Und was sie leisten, kann kaum hoch genug geschätzt werden. Sie arbeiten unter schwierigsten Bedingungen und riskieren in vielen Fällen sogar ihre eigene Gesundheit, um Menschen zu retten. Was motiviert die Helferinnen und Helfer, immer wieder vollen Einsatz zu bringen? „Dankbarkeit,“ antwortet Nicole Dudziak, die Ortsbeauftragte des THW-Ortsverbands Mannheim. „Die Dankbarkeit der Menschen, denen wir helfen, und das unvergleichliche Gemeinschaftsgefühl bei unseren Einsätzen.
Von Minh Schredle
Die wenigsten Einsätze sind planbar. Meistens erfahren die Hilfskräfte nur wenige Stunden – manchmal nur Minuten – vorher, was zu tun ist. Aber wenn sie verständigt werden, muss es schnell gehen. Nicht, weil ein Chef das verlangt – sondern weil sie gebraucht werden. Meist sehr dringend.
Stürme verwüsten die Region, schwere Verkehrsunfälle auf den Autobahnen im Umkreis, Hochwasser überfluten den Rhein – „mindestens einmal pro Quartal wird unsere Hilfe benötigt,“ sagt Nicole Dudziak. Sie ist die Ortsbeauftragte des THW-Ortsverbands Mannheim. Damit steht sie auf der höchsten Weisungsebene, die man als ehrenamtlicher Helfer beim THW erreichen kann.
Viele reduzieren unsere Aufgaben nur auf die Bewältigung von Krisenzuständen. Aber unser eigentliches Motto ist: Wir helfen dort, wo Hilfe dringend benötigt wird,
sagt sie: „Nicht nur in Deutschland – sondern möglichst weltweit“. Immer wieder werde das THW für Auslandseinsätze angefragt, erklärt sie – und erzählt eine Anekdote:
Beim Jahrhunderthochwasser in New Orleans haben die großen USA uns um Unterstützung gebeten. 99 THW-ler haben dann vor Ort geholfen und bald die gesamten Rettungsarbeiten koordiniert. Auch einige Helferinnen und Helfer vom THW Ladenburg waren mit vor Ort. Dort hat man eine Wasserpumpe auf dem modernsten Stand der Technik – die kann 15 Kubikmeter pro Minute abpumpen. Das sind 15.000 Liter und es entspricht mehr als 100 Badewannen!
Die Pumpe in Mannheim könne da nicht mithalten, sagt sie. Diese schaffe nur drei Kubikmeter pro Minute. Aber das sei zu verkraften: Denn unterschiedliche Ortsverbände hätten unterschiedliche Spezialisierungen. Man sei sehr gut miteinander vernetzt, so dass man den Bedarf somit immer gut decken konnte. Das THW-Mannheim sei der Spezialist für Räumungsarbeiten in der Region.
Das technische Hilfswerk funktioniert modular: Nicht alle Ortsverbände verfügen über die gesamte Palette von Fahrzeugen und Technologie – das wäre schlichtweg unbezahlbar und eine Verschwendung von Ressourcen. Es kommt nicht darauf an, was in einzelnen Kommunen vorhanden ist – sondern was in einer Region verfügbar ist.
Vernetzung ist alles,
sagt Frau Dudziak. Das gelte nicht nur für die THW-Ortsverbände untereinander. Sondern auch für die Zusammenarbeit mit anderen Rettungskräften – und vor allem für die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung:
Oft müssen wir eine Essensvorsorgung vor Ort sicherstellen. Das kann man nicht immer vorbereitet. Unsere Lager werden nach jedem Einsatz aufgestockt – aber Fleisch lässt sich beispielsweise nur sehr schlecht über Monate hinweg lagern. Zum Glück kennen wir einen Metzger, der uns 24 Stunden am Tag auf sein Lager zugreifen lässt. Wenn der Ernstfall eintritt, können wir dort bekommen, was wir brauchen.
Das habe bislang noch nie und noch nicht einmal im Ansatz zu Problemen geführt. Man dokumentiere genau, was man in welchen Mengen mitnehme und bezahle es dann nach dem Einsatz. „Wir sind wirklich dankbar, dass sich uns diese Möglichkeit bietet,“ sagt Frau Dudziak: „Vorher war es immer sehr schwierig, mitten in der Nacht noch Nahrungsmittel in größeren Mengen aufzutreiben.“
THW würde ohne die Ehrenamtlichen nicht funktionieren
Das THW untersteht der Weisung des Innenministeriums und muss Amtshilfe leisten, wenn diese angefragt wird. Das heißt: Sollten Feuerwehr, (Bundes-)Polizei, Sanitäter oder Regierungen Unterstützung anfordern, muss diese geleistet werden.
Den Löwenanteil der anfallenden Arbeit stämmen dabei freiwillige Helferinnen und Helfer: Bundesweit gibt es nur etwa 800 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und mehr als hundert mal so viele Ehrenamtliche. In der THW-Geschäftsstelle Mannheim sitzen gerade einmal zehn hauptamtliche Mitarbeiter. Sie koordinieren alle Ortsverbände in der näherern Umgebung.
In der jüngeren Vergangenheit wurde die Arbeit des THW-Ortsverbände in der Rhein-Neckar-Region weniger für Katastrophenschutz gebraucht – aktuell braucht man die Hilfe der Ehrenamtlichen vor allem um Flüchtlingsunterkünfte bezugsfähig zu machen. Und das sorgt für eine gesteigerte Belastung. Denn inzwischen wird die Hilfe des THWs weitaus häufiger benötigt, als einmal im Quartal.
Seit dem 22. August ist es hier nicht mehr wirklich ruhig geworden,
sagt Frau Dudziak. Damals hatte ein der Brand einer Mühle in Kirschberg dafür gesorgt, dass giftiges Ammoniak in die Jagst geraten ist. THW-Ortsverbände aus ganz Baden-Württemberg waren im Einsatz, um die Gewässer mit Sauerstoff anzureichen und so das dramatische Fischsterben einzudämmen – mit Erfolg:
Wir dachten zuerst, der gesamte Fischbestand in der Jagst wäre nicht mehr zu retten. Zum Glück ist diese Befürchtung nicht eingetreten.
Es sei ebenfalls eine riesige Erleichterung, dass es gelungen ist, die Ammoniak-Belastung wieder unter einen kritischen Pegel zu senken, bevor das kontaminierte Wasser der Jagst in den Neckar mündete.
Die Einsätze im Jagsttal begannen Ende August. Am 13. September wurde erstmals die Unterstützung des THW Mannheims „erbeten“, um Kasernengelände für die Unterbringung von Flüchtlingen zu ertüchtigen: Erst das Columbus-Quartier auf Franklin, dann Funari, Spinelli und gestern Tompkins in Schwetzingen.
Innerhalb von nur 10 Tagen hat unser Team auf drei Einsätze verteilt 1.200 Arbeitsstunden mitgeholfen,
sagt Nicole Dudziak. Und zwar dankbar und stolz – auf das Team. Sie stellt nicht ihre eigenen Leistungen in den Vordergrund – sondern die der Gemeinschaft. 80 Ehrenamtliche sind Mitglied im Ortsverband Mannheim. Und nicht alle von ihnen sind für den Außeneinsatz vorgesehen:
Wenn die den Vollalarm auslöse, sind meistens um die 40 Kräfte verfügbar.
Bislang sei das genug gewesen, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Bei den Ertüchtigungsaufgaben wären meistens auch andere Ortsverbände aus dem Unkreis im Einsatz, mit denen man kooperiere. Das funkioniere nahezu reibungslos – schließlich wissen alle Beteiligten, was sie zu tun haben.
Grundausbildung ist Pflicht
Nicht jeder kann einfach anfangen beim THW mitzuhelfen. Dafür muss zunächst eine Grundausbildung absolviert werden: Mindestens 75 Unterrichtsstunden, dann muss eine Prüfung bestanden werden – die findet nur zwei Mal im Jahr statt.
Anschließend spezialisieren sich die Hilfskräfte – hierbei ist die Grenze nach oben hin offen. Es gibt schier unzählige Fortbildungsmöglichkeiten und Lehrgänge. Und immer wieder wird überprüft, ob jemand geeignet ist, eine Arbeit auszuführen. Frau Dudziak sagt dazu:
Wer sich wirklich reinhängt, kann hier alles erreichen. Aber sorgfältige Prüfungen sind nötig – sonst könnte mehr geschadet als geholfen werden.
Man arbeite mit komplexen Maschinen – oft unter Einsatz der eigenen Gesundheit und unter schwierigsten Umständen. Da müsse man sich bedingungslos auf sein Team verlassen können:
Das ist eine der wertvollsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe: Das vollständige Vertrauen untereinander. Das Kameradschaftsgefühl in unserem Verband ist etwas, das ich von nirgendwo sonst so kenne.
Vielen gebe das die Motivation, die man braucht, um die oft hohe Belastung auszuhalten: Viele Einsätze beginnen erst spät in der Nacht. Und dauern dann zehn Stunden lang:
Unser fleißigster Helfer hat gerade erst vor kurzem innerhalb von drei Wochen 55 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet. Und das parallel zu seiner 7-Tage-Arbeitswoche,
sagt Frau Dudziak. Das verdient den größten Respekt.
Die Flüchtlingssituation stelle auch das THW vor große Herausforderungen, erklärt Frau Dudziak: „Selbstverständlich ist unser Pensum höher als sonst.“ Von einem Zusammenbruch sei man aber noch weit entfernt:
Wir wissen ja, worauf wir uns beim THW eingelassen haben. Und der Wille zu helfen, ist ungebrochen. Die Dankbarkeit der Menschen entlohnt unsere Mühen.
Dennoch könne es nie genug helfende Hände geben. Jeder, der bereit ist tatkräftig mitanzupacken, sei gerne gesehen:
Es wäre schön gewesen, wenn von den 1.500 Menschen, die für „Hilfe statt Hass“ auf die Straße gegangen sind, auch nur ein Zehntel bei der Ertüchtigung der Kasernen mit dabei gewesen wäre.
Mehr Unterstützung würde sehr vieles erleichtern – im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation habe es bislang aber nur einen einzigen Neuzugang beim THW-Mannheim gegeben.
Wer sich beim THW engagieren möchte, findet hier Informationen – auch über den Ortsverband in der Nähe zum eigenen Wohnort.