Mannheim, 17. Dezember 2015. (red/cr) Am Mittwoch jährte sich der Tag, an dem Mannheim die Patenschaft für die Stadt Memel übernahm, zum 100. mal. Gefeiert wurde dieses Jubiläum mit der Eröffnung der Ausstellung “Von der Patenschaft zur Partnerschaft. 100 Jahre Mannheim – Klaipeda/Memel” in der Abendakademie. Darin dokumentieren Bild- und Schriftdokumente den Weg der Partnerschaft mit der litauischen Stadt bis in die Gegenwart. Zusätzlich ist die Wanderausstellung „Als Klaipeda noch Memel hieß – Transportwege im Memelland“ zu sehen.
Von Christin Rudolph
Am Mittwoch haben Mannheim und die litauische Stadt Klaipeda das 100-jährige Bestehen ihrer freundschaftlichen Beziehung mit der Eröffnung der Wanderausstellung “Von der Patenschaft zur Partnerschaft. 100 Jahre Mannheim – Klaipeda/Memel” in der Abendakademie gefeiert. Sie zeigt in Bild- und Schriftdokumenten den Weg vom Ursprung als Patenschaft hin zur Partnerschaft und die Hintergründe dazu.
Der Doppelname Memel/Klaipeda rührt von der bewegten Geschichte der ältesten Stadt Litauens her. Als am 16. Dezember 1915 Mannheim die Patenschaft für die Stadt übernahm, war sie ostpreußisch. Damals hieß sie noch Memel, benannt nach dem gleichnamigen Fluss, an dessen Einmündung sie liegt. Auf litauisch heißt sie Klaipeda. Heute gehört die Stadt an der Ostseeküste zu Litauen.
Lebhafter Austausch
In ihrer Begrüßung sprach Dr. Gerlinde Kammer im Namen der Abendakademie ihre Freude über die erneute Kooperation mit dem Stadtarchiv als “kompetentem und exzellentem Partner” aus.
Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala sieht die Ausstellung als Zeichen einer Städtepartnerschaft, die nicht nur auf dem Papier stattfindet, sonder aktiv gestaltet wird.
Die Partnerschaft und Freundschaft zu Klaipeda hat 100 Jahre überdauert und dabei zahlreichen politischen Veränderungen getrotzt.
Hinter jedem noch so bürokratischen Begriff stehe die Begegnung von Menschen. Frau Kubala sprach auch von ihrem eigenen Besuch in Klaipeda zur Ausstellungseröffnung dort.
Dort habe sie zusammen mit der Chorgemeinschaft Volker Schneider die Natur bewundert und das Volkslied “Ännchen von Tharau” vor deren Denkmal gesungen. Der Chor trug dieses Lied nach einem Gedicht des aus Klaipeda stammenden Dichters Simon Dach bei der Ausstellungseröffnung erneut vor.
Ein Mitglied des Chores ergänzt, mit Musik könne man Brücken bauen zwischen Ländern und Menschen. Das Lied über die Figur des Denkmals in Klaipeda wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesungen.
Kalter Krieg erschwerte Freundschaft
Arturas Šulcas, der stellvertretende Bürgermeister von Klaipeda, spricht gut Deutsch und konnte daher selbst vermitteln, warum die Partnerschaft mit Mannheim für seine Stadt eine besonder ist. Klaipeda habe viele Städtepartnerschaften, die Verbindung zu Mannheim aber hat vor langem als Patenschaft begonnen.
In der Zeit, als Klaipeda zur Sowjetunion gehörte, habe man seine Geschichte vergessen. Der Totalitarismus habe das Wissen um die alte Verbindung und die Freundschaft zu Mannheim verschüttet.
Erst heute könne man verstehen, warum eine Stadt des Westblocks in der Zeit des Kalten Krieges einer sowjetischen die Partnerschaft anbot.
Im Festvortrag erklärte Dr. Hanspeter Rings von Institut für Stadtgeschichte des Stadtarchivs Mannheim, wie es zur Patenschaft und schließlich zur Partnerschaft kam. Dabei zeichnete er ein eindrückliches Bild der Situation im Ersten Weltkrieg. Mannheim war nie direktes Kampfgebiet, trotzdem war die “Heimatfront” allgegenwärtig.
Memel stark beschädigt
Im Gegensatz dazu war Klaipeda, damals Memel genannt und in Ostpreußen gelegen, Schauplatz von Häuserkämpfen. Die in ihrer Anzahl hoffnungslos unterlegene Verteidigung von Memel konnte nicht lange standhalten. So fiel die Stadt den russischen Soldaten zum Opfer, die mordeten und brandschatzten.
Um die direkt an der Front zu Russland gelegenen ostpreußischen Gebiete zu unterstützen, organisierten sich badische Städte, die vergleichsweise kaum betroffen waren, im Kriegshilfsverein Baden. So übernahm Mannheim eine finanzielle und auch ideelle Patenschaft für den Memel-Kreis.
Am 29. November 2002 wurde die Partnerschaft mit der Unterzeichnung der Städtepartnerschaftsvereinbarung offiziell geschlossen. Im Oktober 2014 nahm die Stadt Mannheim am Städtepartnerschafttreffen in Klaipeda teil. Bei der Gelegenheit wurde in einem Memorandum der Wunsch festgehalten, die Kooperation weiterzuführen.
In der Erklärung zur Patenschaft heißt es:
Das ostpreußische Land lag bisher etwas außer dem Bereich unserer Gedanken.
Dr. Rings zitierte diese Stelle verbunden mit der Aussage, er freue sich, dass das heute anders ist.
Historisch und aktuell
Joszas Siksnelis, der Leiter der Simonaitytes Bibliothek in Klaipeda, verwies auf die Wanderausstellung „Als Klaipeda noch Memel hieß”. Man müsse aus der Geschichte lernen.
Die Erforschung der Vergangenheit ist der Schlüssel zur Zukunft.
Dr. Ulrich Nieß, der Leiter des Stadtarchivs Mannheim-ISG, schloss sich Frau Kubala an, die Städtepartnerschaft müsse gelebt werden.
Das Baltikum ist eine faszinierende Region mitten in Europa.
Davon kann sich bis zum 31. Januar jeder selbst überzeugen. Im Foyer der Abendakademie illustrieren zehn Stellwände der Ausstellung “Von der Patenschaft zur Partnerschaft. 100 Jahre Mannheim – Klaipeda/Memel” anhand von Bild- und Schriftdokumenten die Entwicklung der Beziehung der beiden Partnerstädte. Die Texte sind zweisprachig.
Das Material für diese Wanderausstellung stammt zu großen Teilen aus dem Archiv der Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise e.V., das 2011 der Simonaitytes Bibliothek in Klaipeda als Dauerleihgabe übergeben wurde. Zudem steuerten die Stadt Klaipeda, das Museum für die Geschichte Kleinlitauens und das Stadtarchiv Mannheim Informationen und Dokumente bei.
Zusätzlich sind zwölf doppelseitige Stellwände aufgestellt, die einen Teil der Wanderausstellung „Als Klaipeda noch Memel hieß” zeigen, der sich mit den historischen Transportwegen im Memelland befasst. Die Texte und Bildunterschriften sind in litauisch, englisch und deutsch.
Der Stadt Mannheim zufolge ist eine weitere Ausstellung zu den Häfen beider Städte geplant.