Waibstadt/Rhein-Neckar, 17. Dezember 2015. (red) Nach Informationen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe wurde eine Klage von Hausbesitzern gegen eine Flüchtlingsunterkunft auf dem benachbarten Grundstück abgewiesen. Die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in einem Wohngebiet verstoße weder gegen Baurecht, noch sei die Lärmbelästigung bei einer maximalen Belegung von 80 Personen unzumutbar. Allen weiteren Argumenten folgte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Information des Verwaltungsgerichts Karlsruhe:
„Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat die Nachbarklagen gegen den Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Waibstadt abgewiesen.
Den Klägern gehören ein Grundstück und das Wohnhaus darauf. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich ein leerstehendes Gebäude, das 30 Jahre lang als Seniorenheim und vorher 70 Jahre lang als Krankenhaus genutzt wurde.
Die Klage richtet sich gegen das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, das in diesem Fall das Land Baden-Württemberg vertritt. Das Landratsamt hat im August 2014 mit dem Eigentümer dieses Nachbargrundstücks einen Mietvertrag abgeschlossen.
Flüchtlinge als Nachbarn könnten Kläger beeinträchtigen?
Der Eigentümer beantragte daraufhin beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber für – zuletzt – maximal 80 Personen. Das Landratsamt erteilte diese Genehmigung.
Das Widerspruchsverfahren der Kläger blieb erfolglos und das Verwaltungsgericht Karlsruhe lehnte ihren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Im Februar 2015 klagten sie daher beim Verwaltungsgericht gegen die erteilte Baugenehmigung. Die wesentliche Begründung der Klage: Das Baugenehmigungsverfahren „leide an unheilbaren Verfahrensmängeln und sei nicht ergebnisoffen gewesen.“
Durch die massive Zunahme von Bewohnern aus einem fremden Kulturkreis auf dem Nachbargrundstück würden die Kläger beeinträchtigt. Die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft verstoße gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts. Außerdem sei die Erschließung des Nachbargrundstücks nicht gesichert, weil die Feuertreppe dort teilweise auf ihrem Grundstück gebaut sei und die Abwasserbeseitigungsanlage über ihr Grundstück abgeleitet werde. Das Land hat die erteilte Baugenehmigung verteidigt.
Rücksichtnahme gegeben
In seinem Urteil vom 02. Dezember 2015 ist das Verwaltungsgericht den Argumenten der Kläger nicht gefolgt. Die Kläger könnten sich nicht auf die Verletzung baurechtlicher Verfahrensvorschriften berufen. Vor allem aber seien keine nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletzt. Das Gebiet, in dem die beiden Grundstücke liegen, ist ein Wohngebiet. Unabhängig davon, ob eine Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber als „Wohnnutzung“ oder als „Anlage für soziale Zwecke“ eingestuft wird, ist diese Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig und gebietsverträglich.
Durch die Herkunft der Bewohner sei „weder der typische Charakter des allgemeinen Wohngebiets in Frage gestellt noch eine Umstrukturierung dieses allgemeinen Wohngebiets eingeleitet.“, so das Verwaltungsgericht. Das Bauvorhaben widerspreche nicht dem planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme.
In einem allgemeinen Wohngebiet müssen grundsätzlich auch mehr Bewohner auf geringerer Fläche hingenommen werden. Bei bis zu 80 Personen sei der von der Unterkunft ausgehenden Geräuschpegel im konkreten Fall nicht unzumutbar. Schließlich wurde das Grundstück zuvor als Seniorenheim und Krankenhaus – mit einer Belegung von bis zu 57 Personen plus Pflege- und Versorgungspersonal genutzt.
Wohngebiet unabhängig von Herkunft der Bewohner
Außerdem hätten Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und im Wohnverhalten unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen baurechtlich keine Relevanz. Die Feuertreppe sei ein zivilrechtliches Problem des Überbaus und ändere nichts an der Erschließung des Baugrundstücks.
Das Argument, dass das Grundstück keinen eigenen Abwasserkanal hat, wurde damit entkräftet. dass das bereits seit über 100 Jahren der Fall ist. Die damit bestehenden materiell-rechtlichen Abwehransprüche seien inzwischen verwirkt und könnten nicht mehr geltend gemacht werden. Gleiches gelte für die bauordnungsrechtlichen Vorschriften.
Das Urteil vom 02. Dezember 2015 ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei Verwaltungsgerichtshof die Zulassung der Berufung beantragen.“