Mannheim/Rhein-Neckar, 28. Dezember 2015. (red/pm) Arbeitnehmer des Landkreises, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten, dürfen kein Mandat ausüben. Dagegen klagte ein Pförtners des Klinikums des Ortenaukreises, der per Nachrückverfahren Kreisrat geworden wäre. Das Verwaltungsgericht hat am Montag die Verfassungskonformität der Vorschriften bestätigt und die Klage abgewiesen.
Information des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim:
„Mit einem am Montag verkündeten Urteil hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2015 entschieden, dass die Vorschriften der Landkreisordnung, dass Arbeitnehmer des Landkreises, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten, nicht Kreisräte sein können, verfassungskonform sind.
Der Kläger ist Pförtner in einem Klinikum in Eigenbetrieb des Landkreises Ortenaukreis.
Bei der Wahl zum Kreistag des Ortenaukreises im Jahr 2009 wurde er für „Die Linke“ zum Nachrücker gewählt. Im September 2012 starb der Mandatsinhaber und der Kläger hätte nachrücken sollen.
Am 23. Oktober 2012 stellte allerdings der Landkreis ihm gegenüber fest, dass er nicht in den Kreistag nachrücke, weil er Arbeitnehmer des Landkreises sei und daher ein Hinderungsgrund vorliege.
Der Antrag des Pförtners auf vorläufigen Rechtsschutz dagegen blieb beim Verwaltungsgericht Freiburg und beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ohne Erfolg.
Erhöhte Gefahr von Interessenkonflikten besteht
Das Verwaltungsgericht Freiburg wies die Klage ab. Denn der Kläger sei ein Arbeitnehmer des Landkreises, der nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichte. Die auf der grundgesetzlichen Ermächtigungsnorm beruhende Beschränkung des passiven Wahlrechts sei verfassungsgemäß. Der Verfassungsgeber habe bewusst zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert. Er nehme bei Angestellten eine erhöhte Gefahr von Interessenkonflikten zwischen beruflicher Stellung und der Wahrnehmung eines Mandats an.
An diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben könne auch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im einfachen Recht nichts ändern.
Bei der Kreistagwahl im Jahr 2014 wurde der Kläger zum ersten Nachrücker für „Die Linke“ gewählt. Daraufhin ging er in Berufung, er müsse im Fall des Nachrückens wieder mit einem ablehnenden Bescheid des Landkreises rechnen. Die Vorschriften seien verfassungswidrig, da die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten aufgegeben worden sei.
Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. In der Urteilsbegründung am Montag führte der Vorsitzende des 1. Senats im Wesentlichen aus, die Vorschrift sei verfassungsgemäß, da sie auf einer verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhe. Danach könne die Wählbarkeit von Angestellten des öffentlichen Dienstes gesetzlich beschränkt werden. Die tarifliche Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern sei in diesem Falle nicht von entscheidender Bedeutung. Das Grundgesetz nehme hier eine eigenständige Begriffsbestimmung vor.
Angestellter bleibt Angestellter
Der Begriff des Angestellten sei nach herkömmlichen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der Zweckrichtung zu bestimmen. Die Vorschrift sichere die organisatorischen Gewaltenteilung, die durch das Zusammentreffen von beruflicher Stellung als Angestellter des öffentlichen Dienstes und der Wahrnehmung eines Mandats zum Beispiel in einer Kommunalvertretung gefährdet werden könne.
Auf diese Weise sollten Interessenkollisionen und Entscheidungskonflikte von vornherein vermieden werden. Dieser Zweck der Vorschriften bestehe also fort, auch nachdem seit 2005 in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zwischen Angestellten und Arbeitern nicht mehr unterschieden wird.
Auch die Tatsache, dass seit Inkrafttreten der Vorschrift 1949 bis zum Jahr 2004 die Zahl der Angestellten des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zur Zahl der Arbeiter stark zugenommen habe wirke sich nicht auf den Zweck aus.
Pförtnertätigkeit überwiegend geistig
Der Landesgesetzgeber habe mit der Ausnahmevorschrift, dass die Unvereinbarkeitsregelung nicht für Arbeitnehmer gelte, die überwiegend körperliche Arbeit leisten, die herkömmliche Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern zulässigerweise nachgezeichnet. Die Vorschrift halte sich daher im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigung.
Der Kläger falle in den Anwendungsbereich der Unvereinbarkeitsvorschrift, da er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichte. Seine Tätigkeit als Pförtner im Ortenauklinikum sei überwiegend geistiger Art. Die körperliche Arbeit mache nicht den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen. Sie kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden.“