Mannheim, 30. April 2015. (red/pro) Es gibt Texte, von denen man vorher weiß, dass nicht alle, die es betrifft, damit einverstanden sein werden. Aktuell zur schon fast ewig-gestrigen Debatte um die BUGA im Gemeinderat. Vorwürfe gingen wechselseitig hin und her. Nur einer bekommt nichts ab: Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Der erweist sich als derart souverän, dass die Stadt ein klares Wahlsignal erhalten hat. Doch das ist nur die halbe Wahrheit – der Antrag der Mannheimer Liste gegen die BUGA hat eine seltene Geschlossenheit für die BUGA provoziert. Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge gesehen, erweist sich Oberbürgermeister-Kandidat Christopher Probst nicht nur als starker Gegenspieler zu Amtsinhaber Dr. Peter Kurz – sondern, es mag absurd klingen, als sein bester Förderer.
Von Hardy Prothmann
Wie soll man die Sache betrachten? Wie viele Gewinner und wie viele Verlierer gibt es? Geht es darum überhaupt? Na klar – es ist Oberbürgermeisterwahlzeit.
Viele Perspektiven
Was am 28. April 2015 im Gemeinderat unter TOP 9 verhandelt wurde, hat viele Perspektiven. Die Mannheimer Liste beantragte die Kündigung des Vertrags mit der BUGA-Gesellschaft – faktisch ein Ende des Projekts, das mit dem Bürgerentscheid vom 22. September 2013 als für drei Jahre bindend beschlossen worden ist und bis zum 23. September 2016 gilt.
Wenn Sie einfache, unzureichende und wenig verständige Antworten suchen, lesen Sie die örtliche “Presse”. Weil Sie mehr wissen wollen, lesen Sie Rheinneckarblog.de. Auch, wenn das manchmal “Arbeit” für Sie ist. Dieser Text liefert Ihnen “Schwarzbrot” – Zeile um Zeile. Kein Foto, nur Text. Und lesen Sie bis zum Ende – es wartet eine Überraschung, die Sie aber nur verstehen, wenn Sie den gesamten Text lesen.
Es war einmal…
Die Geschichte geht so: Mannheim ist die bundesweit mit Abstand spannendste Stadt, weil urplötzlich 500 Hektar Konversionsfläche teils mitten in der Stadt zur Entwicklung zur Verfügung stehen. Eine gigantische städtebauliche Herausforderung. Und eine hervorragende Chance für eine Stadt, die bisher wenig Spielräume zur Entfaltung hatte.
Um eines der Gelände, die ehemalige Kaserne “Spinelli Barracks” zu entwickeln, will man als “Motor” eine Bundesgartenschau abhalten. Dieser Vorschlag kam mal von der CDU. Doch dann treten “Probleme” auf – und manche wollen sie nicht lösen, sondern “motorisieren” sie als Mobilmachung, als Kampf gegen Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), als sie feststellen, dass es Bürger gibt, die sich instrumentalisieren lassen. Meist ältere Menschen. Überwiegend kleingeistige Spießer aus den Vororten mit viel Zeit und mit viel Wut. Die jetzt ein Ventil haben – ausgerechnet die geplante Frischluftschneise für die Stadt, den Grünzug Nord-Ost.
Führende Parteien mit Verlusten und der mediale Mob
Politisch steht es nicht gut in der Stadt für die früher deutlich führenden Parteien. Sowohl die SPD als auch die CDU verlieren bei den Kommunalwahlen 2014. Gewinner sind die Grünen, die nicht verloren haben, aber vor allem die AfD, und auch die NPD erlangt einen Sitz im Gemeinderat. Zusammen sind das 5 Sitze (ohne Grüne) und damit über zehn Prozent “rechtsaußen”, die Sitz und Stimme haben.
Eine lokale Zeitung zieht alle Register, um gegen den Amtsinhaber und die Mehrheit des Gemeinderats in Stellung zu gehen – bis hin zur Falschberichterstattung. Eine Leserbriefkampagne unter Selbstaufgabe irgendeiner redaktionellen Verantwortung treibt die veröffentlichte Stimmung bis in den puren Hass. Dass keiner der Nein-Sager auch nur ansatzweise brauchbare Gegenvorschläge oder überhaupt Vorschläge anbietet, interessiert nicht mehr. Es geht um Verhinderung aus Prinzip, nicht um Gestaltung aus irgendeiner Verantwortung heraus.
Man überlässt einem kreischenden Mob Zeile um Zeile ganze Leserbriefseiten.
Agent provocateur
Dann ist da ein Christopher Probst – ein durchaus intelligenter, politisch interessierter Unternehmer. Und Gegenkandidat von Amtsinhaber Dr. Peter Kurz. Seit der vergangenen Kommunalwahl Stadtrat der Mannheimer Liste und ein erklärter Gegner der Bundesgartenschau. Seine Überzeugung: In Mannheim gibt es einen enormen Sanierungsstau, da braucht man keine weiteren, teuren Projekte. Für ihn ist die BUGA kein Mittel zum Zweck, die Konversion voranzutreiben , sondern eine überteuerte Blumenschau. Das Geld will er lieber in die bestehenden Stadtparks stecken. Wie er die Konversion auf Spinelli stemmen will, sagt er nicht. Seine Rolle als Agent Provocateur reicht ihm, um die Mannheimer Liste bekannter zu machen.
Seine Position ist sehr viel einfacher – er ist nicht in der Verantwortung. Er kann sich auf dem Ärger, den sein Konkurrent hat, ausruhen und ihn zusätzlich zwacken.
Das macht er: Die Mannheimer Liste, deren Vorsitzender er ist, stellt im Gemeinderat den Antrag, den Vertrag mit der BUGA-Gesellschaft zu kündigen.
Sauerei-CDU
Und dann ist da eine CDU, deren Fraktionschef Carsten Südmersen diesen Antrag als “Sauerei” bezeichnet. Herr Südmersen spricht für die CDU – zumindest für die Fraktion. Und Herr Südmersen weiß, dass der Streit um die BUGA eigentlich ein Thema war, das sich der CDU-Kreisvorstand zunutze machen wollte. Für den Wahlkampf.
Der Kreisvorsitzende Nikolas Löbel, als Stadtrat nur auffällig durch Dauerbearbeitung seines Smartphones, hatte Ende 2014 sogar die Chuzpe, die CDU Mannheim zur bundesweit vorbildhaften “Mitmachpartei” anzupreisen. Nur blöd, dass bei dem ganzen Mitmachrummel genau gar nichts rauskam – fünf Varianten zur Straße “Am Aubuckel” und damit zur Entwicklung von “Spinelli”, des Grünzugs und der BUGA wurden angeboten – alle fielen durch. Sogar den Status quo zu belassen, wie er ist, fand bei den Mitgliedern keine Mehrheit.
Politischer Kopf vs. Chaotisator
Im zunehmenden Vorwahlkampf machte der Amtsinhaber den ersten Punkt: Er bezeichnete die Befragung und das Ergebnis als “Chaotisierung” des Prozesses – und war ehrlich erschrocken angesichts der Verantwortungslosigkeit des Vorgehens.
Denn Dr. Kurz ist ein politischer Kopf, aber kein Partei-Ideologe. Er versteht, dass man versucht, ihn anzugreifen, soweit kommt er mit. Aber er stellt das Gemeinwohl über parteitaktische Spielchen ohne Sinn und Verstand. Für so etwas hat er kein Verständnis.
Taktischer Antrag vs. Legendenbildung
Damit sind wir beim Antrag der Mannheimer Liste. Selbstverständlich kann der promovierte Jurist und frühere Verwaltungsrichter Dr. Kurz fachlich sehr gut selbst einschätzen, dass der Antrag faktisch darauf hinausläuft, das Ergebnis des Bürgerentscheids zur BUGA zu unterlaufen. Trotzdem holt er sich Rat und sichert sich ab.
Das Ergebnis: Der Antrag verstößt gegen geltendes Recht. Er ist zur Abstimmung nicht geeignet. Es ist ein rein “taktisch-politischer” Antrag. Das weiß er, das weiß Christopher Probst, das wissen alle.
Doch was tun? Den Antrag nicht zulassen? Ihn auf die lange Bank schieben und in den zuständigen Ausschuss verweisen?
Ich habe mich nach fachlicher Prüfung entschlossen, diesen Antrag umgehend zur Abstimmung zu stellen. Wir vermeiden damit mögliche juristische Auseinandersetzungen,
sagt der Oberbürgermeister vor Journalisten beim “OB-Gespräch” vor der Sitzung. Sein Dilemma – alles widerstrebt ihm. Das ist nicht sein Niveau, nicht das, mit dem er sich auseinandersetzen will. Aber er muss es. Und er tut es:
Und ich werde ganz sicher keine “Legenden-Bildung” befördern, in der es heißt, ich oder der Gemeinderat hätten sich nicht getraut, über den Antrag abzustimmen.
Obwohl die Zulassung allein schon absurd sei – man merkt dem Mann an, dass ihn diese Art von Politik quält. Sie ist nicht konsequent durchdacht, sondern nur provokant.
Che Probst
Doch das stimmt nur halb – Christopher Probst entwendet der CDU das “Streitthema” BUGA im Handstreich wie ein Guerilla-Kämpfer – und wird von einem souveränen Oberbürgermeister elegant gekontert. Das hält Herr Probst aus – Herrn Südmersen bleibt nur der “Aufschrei”: “Sauerei”. Denn Herr Probst zwingt ihn und die CDU-Fraktion, die Hand geschlossen “für die BUGA zu heben”.
Denn auch Stadtrat Nikolas Löbel, Wahlkampfmanager des CDU-Kandidaten Peter Rosenberger, als CDU-Kreisvorsitzender Initiator des Mitgliedervotums zur BUGA, hebt die Hand gegen die Kündigung des BUGA-Vertrags.
Grüne lernen Räson
Der grüne Fraktionsvorsitzende Dirk Grunert ist offenbar vollkommen überfordert und stellt einen Geschäftsordnungsantrag, den ML-Antrag nicht abzustimmen und fordert damit genau das Gegenteil dessen, wozu sich der Oberbürgermeister entschlossen hat. Einen kurzen Moment lang wirkt der Oberbürgermeister irritiert. Zurufe aus den Reihen der CDU bringen Grunert zur Räson und er zieht seinen Antrag zurück.
Es wird abgestimmt. Acht Stimmen sind für den Antrag, fünf enthalten sich, die überwiegende Mehrheit lehnt es ab, aus der BUGA und aus dem Vertrag mit der BUGA-Gesellschaft auszusteigen. Das ist die Mehrheit, die der Oberbürgermeister am liebsten immer hätte, um das Projekt auf eine solide Basis zu stellen.
Alle gegen alle – Kurz überlegen
Der “Chaotisator” Nikolas Löbel versuchte, die BUGA-Debatte für den Wahlkampf aufzulegen und scheitert seitdem. Der Herausforderer Christopher Probst klaut der CDU das Streitthema, unterliegt bei der Abstimmung, aber sicher nicht bei der Gunst der Wähler, die die BUGA nicht wollen und räubert CDU-Stimmen und die Stimmen von grünen BUGA-Gegnern, die eigentlich Rosenberger mit seiner Löbel-Haltung zur BUGA für sich reklamieren wollte.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz zeigt selbst in einer absoluten Stresssituation seine, im Wortsinn, “Überlegenheit”.
Wir wollen sicher auch nicht zur “Legenbildung” beitragen – aber fast könnte man meinen, Herr Dr. Kurz und Herr Probst, die sich gegenseitig schätzen, arbeiteten im Geheimen zusammen.
Auf Kosten des Kandidaten Rosenberger, der vermutlich von all dem, was vor Ort in Mannheim passiert, eigentlich gar nichts mitbekommt oder eben nur das, was ihm “geflüstert” wird. Und wenn geflüstert wird, geht es meistens nicht um die Wahrheit.
Sie erinnern sich? Es gibt mehr als nur ein Perspektive, die Dinge zu betrachten. Immer.