Mannheim/Rhein-Neckar, 29. September 2015. (red/ms) Aktualisiert. Das Benjamin Franklin Village soll nach Angaben der Stadt Mannheim komplett zur vorübergehenden Flüchtlingsunterbringung ertüchtigt werden. Dies sieht eine Vereinbarung zwischen dem Land und der Stadt vor. Wie viele Menschen untergebracht werden sollen, wird aktuell nicht mitgeteilt – es könnten aber deutlich jenseits der 10.000 sein.

Häuserblocks auf „Franklin“.
Von Minh Schredle
Oberbürgermeister Dr. Kurz fand heute sehr deutliche Worte, als er vor dem Hauptausschuss über die Flüchtlingsunterbringung und die Zukunft der Konversion in Mannheim sprach:
Wir befinden uns ganz eindeutig im Krisenmodus.
Deutschland stehe vor „der größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung“. Diese Notlage stelle höchste Anforderungen an diejenigen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich sind. Sie müssten daher auf jede mögliche Option zurückgreifen.
Alle Kapazitäten werden genutzt
Aktuell leben bereits über 5.000 Flüchtlinge in Mannheim, der Großteil davon im Columbus-Quartier auf dem Benjamin Franklin Village. In absehbarer Zukunft werden vermutlich noch einige Tausend weitere Flüchtlinge in Mannheim untergebracht werden.
Konkrete Zahlen wurden nicht genannt – trotzdem war die Ansage des Oberbürgermeisters unmissverständlich:
Alle verfügbaren Kapazitäten müssen genutzt werden.
Inzwischen sei das Land nicht mehr dabei, die Unterbringung von Flüchtlingen in den Kasernen Hammond und Spinelli zu überprüfen – sondern konkret vorzubereiten. Wann die Liegenschaften bezogen werden, ist unbekannt. Um die Wasserleitungen zu ertüchtigen, müssten wohl zunächst Millionenbeträge investiert werden.
Auch wie viele Menschen dort eine Unterkunft finden werden, ist aktuell unklar – klar ist allerdings, dass die Kasernen insgesamt mindestens 15.000 Menschen Wohnraum bieten könnten, wenn alle Gebäude genutzt werden.
Zahl der Flüchtlinge auf Franklin wird weiter steigen
Außerdem wird die Zahl der Flüchtlinge auf Franklin weiter steigen. Das Columbus-Quartier soll nach dem Plänen des Landes bis zum 31. Dezember 2018 als Aufnahmestelle fungieren. Aber auch andere Teile Franklins werden voraussichtlich ertüchtigt werden – zur „Winterunterbrinung“, wie der Oberbürgermeister bekannt gab.
Wie genau die Zukunft der Mannheimer Konversionsflächen aussieht, kann momentan niemand beantworten. Dr. Kurz sagt dazu:
Es gibt keine Sicht, die sich nicht täglich ändert.
Die Stadt glaubt offensichtlich weiterhin daran, die Konversion von Franklin irgendwann in Eigenregie bewältigen zu können. Wie Dr. Kurz gegenüber dem Hauptausschuss angibt, sei es auch ein erklärtes Ziel des Landes Baden-Württemberg, die Stadtentwicklung Mannheims nicht zu verhindern.
Die Nutzung als „Flüchtlingssiedlung“ soll den Kaufverhandlungen zwischen der Stadt Mannheim und der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) nicht im Weg stehen – diese könnten womöglich noch in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden, wie der Oberbürgermeister mitteilt.
Ungewisse Zukunft
Abgesehen vom Columbus-Quartier wolle man laut Dr. Kurz mit dem Land vereinbaren, dass die verbleibenden Teile von Franklin nur bis zum 31. März 2016 zur Unterbringung von Flüchtlingen verwendet werden – so soll tausenden Menschen eine würdige Unterbringung während des Winters ermöglicht werden.
Ob Franklin danach allerdings wieder freigegeben wird und die Stadt die Konversion wie geplant vorantreiben kann, ist vor dem aktuellen Hintergrund nicht garantiert – was wenn die Flüchtlingszahlen weiter steigen und das Land plötzlich doch keine andere Möglichkeit mehr zur Unterbringung sieht?
Niemand könne vorhersagen, wie sich die Krise entwickle, sagte der Oberbürgermeister Dr. Kurz heute zu Beginn der Sitzung. Daher könne auch niemand mit Verantwortung verbindliche Zusagen machen.
Sorge im Gemeinderat
Die ungewisse Zukunft bereitet den Mannheimer Stadträten Sorge – vor allem, was den Erwerb von Franklin angeht. Raymond Fojkar (Grüne) sprach beispielsweise davon, dass man große Schwierigkeiten habe, die Flächen zu erwerben, ohne mit Sicherheit davon ausgehen zu können, sie dann auch nach den eigenen Vorstellungen entwickeln zu können.
Dr. Kurz entgegnet, dass ihm diese Sorgen selbstverständlich vertraut seien. Aber:
Wir müssen uns vor Augen führen, was wir die Alternativen sind: Wenn wir das Projekt Franklin fallen lassen, geben wir auch all unsere Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung des Geländes ab. Dann kommt dort womöglich doch etwas wie eine zentrale Bundesaufnahmestelle.
Die Stadt müsse daher darauf drängen, die Kaufverhandlungen so bald wie möglich zu einem Abschluss zu bringen – auch damit die Stadt ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Investoren beibehalte.
Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Hauptausschuss wollen Mannheims Stadträte und Bürgermeister sich auf eine gemeinsame Strategie für die Verhandlungen mit Land und Bund verständigen.