Mannheim/Rhein-Neckar, 29. November 2018. (red/pro) Charly Graf ist vor ein paar Tagen 67 Jahre alt geworden. Irgendwie ist das kein Jubiläum, aber es reicht der Lokalzeitung für einen „sensiblen“ Artikel über diesen sehr talentierten Boxer (der nie ein Champ war), der auf die schiefe Bahn geriet und als reuiger Sünder ein neues Image pflegt. Er will Jugendlichen ein Vorbild sein. Tatsächlich ist seine politische Heimat tiefschwarz bis stramm rechts. Und damit hat auch die SPD ein bislang öffentlich nicht bekanntes Problem.
Kommentar: Hardy Prothmann
„67 Jahre währt dieses Leben nun schon, und er kann sich in ihm noch immer nicht zurechtfinden, verirrt sich zuweilen darin, zweifelt viel, zögert, zaudert“,
schreibt Lokalredakteur Roger Scholl in einem aktuellen Text mitfühlend über Charly Graf. Boxerlegende. Zuhälter. Schläger. Verurteilter Straftäter. Ein reuiger Sünder, der der Jugend ein Vorbild sein will. Und weiter:
„18 Jahre lang stand er in Diensten der GBG, hat Anti-Aggressionstraining geleitet an Schulen, in Kinderheimen. Ich frage nach dem, was ihn dabei antreibt. „Vielleicht, weil es für mich auch nicht so einfach war als Kind, vielleicht, weil ich denke, dass die nicht werden sollen, was ich war.“
Was war, wer ist Charly Graf?
Offenbar hat Recherche für den Text in der Lokalzeitung keine Rolle gespielt. Auf Facebook zeigt Charly Graf, was ihn so interessiert. Hier und da postet er was übers Boxen, natürlich viel über sich selbst. Ansonsten gibt er sich politisch und postet youtube-Videos mit Titeln wie:
„Jürgen Braun (AFD) sagt Katrin Göring Eckardt mal richtig die Meinung!“
„Peinliche Auftritte von Katrin Göring-Eckardt“
Ok, die grüne Politikerin Katrin Göring-Eckardt kann er offenbar nicht so wirklich leiden. Dafür kann man Gründe haben.
Und er postet Zitate von Die Linke-Politikerin Sarah Wagenknecht. Charly Graf – ein Linker? Eher nicht. Frau Wagenknecht meint laut Zitat, als Zuwanderer kämen Menschen aus der Mittelschicht aus Jemen und der Sahelzone. Das mache diese Länder noch ärmer und das findet seine Zustimmung.
Dann postet er was über Obdachlose.
Querbeet durch die Querfront-Szene
Und dann, ja dann geht es querbeet durch die Seiten von „Systemkritikern“, „Verschwörungstheoretikern“ und auch „pi-news“ oder „journalistenwacht.com“ sind Charly Graf ein Posting wert. Henryk M. Broder, Vera Lengsfeld, Jörg Meuthen – die Postings schwingen insgesamt rechtsaußen.
Aber auch Fotos mit SPD-Stadträtin Andrea Safferling sind zu finden. Die gehört jetzt eher nicht zu den Systemkritikern und Verschwörungstheoretikern oder zur „pi-news“-Zielgruppe, aber möglicherweise zum naiven Teil der politischen Elite in Mannheim. Weiß Sie so gar nichts über die Interessen des Charly Graf?
Ein Fan schreibt:
„Charly… mit aller größten Respekt. Ich habe mich gerade gewundert, wie zum wiederholten Male, AfD Kontent auf meiner Timeline auftaucht und bin sehr verwundert, das es von dir kommt. Vielleicht möchtest du dich mit mir unterhalten – gerne auch mal bei ner Tass Kaff ?. Denn für mich ist immer verstörend, wenn einer von uns, Dinge von Menschen teilt die uns als „nicht erwünscht“, als „Gäste“, Facharbeiter „, NGR oder sonst etwas – wenn nicht sogar tot sehen wollen. Mit besten Grüßen an dich Champ.“
Der Kommentar bleibt ohne Antwort.
2014 machte Charly Graf noch Werbung für Ralf Spagerer von der SPD.
Steht die SPD Mannheim zu einem Rechtsausleger – weil der eine „Legende“ ist?
Irgendwie sollte die SPD Mannheim ihr Verhältnis zu Charly Graf bedenken. Möglicherweise gibt es gute persönliche Kontakte – angesprochen fühlt sich Charly Graf aber sichtbar eher durch die AfD, Verschwörungsseiten aus dem rechtsextremen Spektrum und dem Wunsch, dass „endlich mal die Wahrheit ans Licht kommt“.
Eigene Kommentare liefert er eher selten, er beschränkt sich überwiegend aufs Teilen.
Die Lokalzeitung hat nichts beigetragen, diese Lebenswirklichkeit darzustellen. Ob es die SPD Mannheim fertig bringt, sich klar zu positionieren, ist eher unwahrscheinlich. Hey, es geht um Charly Graf – die Mannheimer Box-Legende. Da könnte Kritik als „politischer Selbstmord“ erscheinen.
Bevor man es sich hier noch mit dem letzten Wähler verscherzt, lässt man Charly Graf lieber weiter Werbung für die AfD und Verschwörungstheoretiker und sogar „pi-news“ machen.
Legende heißt übrigens lateinisch „das zu Lesende“. Auch das ist interessant, hat doch Charly Graf nach eigenen Angaben im Knast „zu lesen gelernt“ – vom RAF-Terroristen Peter-Jürgen Book, den er angeblich in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim kennenlernte. Möglicherweise hat diese Begegnung Charly Graf auf andere Gedanken gebracht, die sein Überleben sicherten, sonst wäre er wohl kaum 67 Jahre alt geworden.
Für Medien ein gefundenes Fressen: Der Gewalttäter, der durch einen Terroristen im Knast an Literatur herangeführt wird und sich zum sensiblen Wesen wandelt. Geiler kann kein fantastisches Drehbuch sein. Das ist „Stoff“.
„Das Tier“, wie Graf sich selbst beschreibt, hat er nach außen hin angeblich zähmen können – nicht aber seine Wut. Die lässt er laut Heimatzeitung bis heute am Boxsack im täglichen Training aus – und auf Facebook.
Gefallene Engel
Charly Graf lebt laut Heimatzeitung heute als Rentner von Hartz IV. Er hätte Millionär sein können. Ein anderer Sohn Mannheims, Xavier Naidoo, war cleverer und ist Millionär und lebt nicht mehr in Mannheim, sondern, wie es heißt, irgendwo im osteuropäischen Ausland. Auch er einer, der sich für schräge Thesen interessiert und nach „der Wahrheit“ sucht.
Beide passen zur SPD – auch in Mannheim. Was „schräge Wahrheitssuchen“ angeht. Denn auch die SPD Mannheim sucht wie die gesamte Partei nach der Wahrheit und verstrickt sich dabei irgendwie. Charly Graf ist eine Story, aber keine des Erfolgs, sondern des Aufstiegs und des jähen Niedergangs.
Ein Thilo Sarrazin ist schlecht gelitten – niemand traut sich allerdings, den rechten Erfolgsautor aus der Partei zu entfernen. Ein Charly Graf wird als Legende hofiert – dass er stramm rechtsaußen orientiert ist, wird weggelächelt.
Als alles noch töfte war, galt Xavier Naidoo als Aushängeschild der Stadt Mannheim. Bis der vor Reichsbürgern auftrat und seltsam anmutende Andeutungen säuselte, die man für antisemitisch halten könnte.
Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die SPD, Frau Safferling, Herr Spagerer und andere sich dazu bekennen, was Herr Graf sucht: „Wahrheit“. Und die ist leider hart.
Man könnte einfach mal klipp und klar die Wahrheit sagen – was man meint, wofür man steht und wofür man nicht zu haben ist. Das wären keine „Japs“, also „ansatzlose Schläge“, sondern „Uppercuts“, also „Aufwärtshaken“. Täte der SPD mal gut – wird sie sich aber nicht trauen.
Alle werden schweigen
Tragisch ist, dass Charly Graf nach Wahrheit sucht – aber alle, mit denen er gerne zusammenarbeitet, dazu nicht beitragen werden. Weder die Lokalzeitung noch der SWR. Denn dort hat man ihn über Jahre als „Legende“ aufgebaut und niemand wird ihn in die Mangel nehmen, ihn unter Druck setzen und damit konfrontieren, dass er sich stramm rechtsaußen orientiert und positioniert.
Dabei geht es nicht darum, Charly Graf zu schonen. Schonreflexe gibt es bei vielen Medien eher selten – es geht diesen Medien um die eigene Rolle. Niemand wird eingestehen wollen, total daneben gelegen zu haben. „Lügenpresse“ und so.
Das RNB kennt weder „Freund noch Feind“, ist farbenblind wie immer und schreibt auf, was ist.
Charly Graf war ein sehr talentierter Boxer, außerhalb des Rings aber ein krimineller Idiot, der vielen Menschen Leid zugefügt hat. Seine Läuterung ist akzeptabel, es wäre aber besser gewesen, er hätte sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Das Gegenteil ist der Fall – er sucht sie weiterhin und seine Schläge sind nicht mehr sportlich, sondern er nutzt seine Bekanntheit, um das zu tun, was ihn immer angetrieben hat – seiner extremen Wut Ausdruck zu verleihen.
Auf dem Weg machte er Station bei der SPD. Mittlerweile ist er als Wutrentner mit immer noch starken Armen in der rechten Ecke gelandet. Das hat er selbst entschieden – er kann dafür niemandem die Schuld geben, denn er war resozialisiert.
Der SWR wird den „Legenden-Mythos“ nicht korrigieren – dafür fehlt dem Sender die journalistische Haltung. Das gilt auch für die Lokalzeitung. Und vermutlich auch für die SPD.
Immerhin haben alle eins gemeinsam: Sie sind Rentner vergangener Zeiten.
Und keiner stellt sich gegen die ans rechtsradikale Milieu angelehnten Postings.
Auch so kann man Rechtsausleger befördern.
Anm. d. Red.: Nein – es gibt keinen „Privatkrieg“ mit Roger Scholl. Das ist ein netter Mensch und Hardy Prothmann ist seit seiner Zeit als freier Mitarbeiter von 1991-1994 bis heute per Du mit dem Kollegen. Nein, es gibt auch keinen „Privatkrieg“ mit dem SWR, für den Hardy Prothmann früher tätig war. Und nein, es gibt auch keinen mit Charly Graf, den Hardy Prothmann anlässlich seiner Buchvorstellung vor sechs Jahren in Ladenburg getroffen hat. Und ja – es gibt wie immer kritischen und „farbenblinden“ Journalismus beim RNB. Der Inhalt steht im Text. Nicht mehr und nicht weniger.
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