Rhein-Neckar, 24. September 2018. (red/pro) Aktualisiert. Der zweite Kompromiss um die Causa Maaßen soll einer sein, mit dem alle Beteiligten zufrieden sein können. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat seinen geschätzten Mitarbeiter behalten können, SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat erreicht, dass Dr. Hans-Georg Maaßen das Amt als Präsident des Bundesverfassungsschutzes verliert. Kanzlerin Merkel blieb im Abwartemodus. Es gibt zwei Nutznießer dieser völlig unnötigen Konfrontation: Grüne und AfD.
Von Hardy Prothmann
Das entscheidende Problem bei der Analyse des sich zerfasernden Parteiensystems sind alte Denkmodelle. Früher gab es Rechts und Links, also CDU und SPD und einen Korrekturappendix FDP. Die Wahlforschung und auch die Parteistrategen dachten in “Milieus”. Der Kumpel wählte SPD und die Häuslebauer die Unionsparteien, um es einfach zu beschreiben. Und damit war die Macht verteilt, meist war die Union vorne, mal auch die SPD.
Beide Volksparteien verlieren kontinuierlich ihre breiten Wählerschaften, die SPD weitaus dramatischer als die Unionsparteien. Nach den aktuellen Zahlen ist die SPD keine “Volkspartei” mehr. Ihr Problem sind vor allem zwei anderen Parteien – die Grünen und Die Linke. Aber auch die AfD.
Dafür sind die Grünen auf dem besten Weg, die SPD als “Volkspartei” abzulösen. Zwar ist nach aktuellen Umfragen zur “Sonntagsfrage” die AfD zur zweitstärksten Kraft mit rund 18 Prozent aufgestiegen und die SPD liegt mit rund 17 Prozent immer noch leicht vor den Grünen, doch die bürgerliche, aber trotzdem linke Kraft sind längst die Grünen. Die Frage ist nicht mehr, ob die SPD weiter verliert, sondern wer deren Wähler gewinnt, Grüne oder AfD.
Der mediale Blickwinkel ist bundesweit seit langem sehr einseitig und betrachtet die Veränderungen nicht aus verschiedenen Perspektiven. Beispiel Bayern: Alle gucken auf die CSU, die ein Fiasko erleben wird und meinen, die AfD sei der Grund dafür. Betrachtet man die aktuellen Umfragewerte, gibt es Gründe für diese Perspektive. Immerhin wird die AfD am 14. Oktober 2018 ziemlich sicher ein zweistelliges Ergebnis zwischen 10 und 14 Prozent erreichen.
Die Grünen aber werden mit großer Wahrscheinlichkeit zweitstärkste Kraft mit 16-18 Prozent und können sich sensationell steigern gegenüber 2013 mit 8,6 Prozent. Die SPD hingegen wird um die acht Prozentpunkte verlieren und muss fürchten, noch hinter der AfD zu landen.
Richtig ist, dass die CSU ein Fiasko erleben wird. Die Frage ist nicht ob, sondern nur noch, wie schlimm es wird. Die Zeiten mit Ergebnissen jenseits der 50 Prozent-Marke sind schon seit 2008 vorbei. Trotzdem wird sie, auch bei einem weiteren Verlust von 12 Prozentpunkten mit rund 35 Prozent mit Abstand stärkste Kraft, benötigt aber einen Koalitionspartner. Zur Auswahl stehen drei Parteien: Grüne, SPD und AfD.
Mit dem Schmuddelkind AfD will (noch) keiner spielen, nach der aktuellen Auseinandersetzung in der Berliner Groko zwischen SPD und Horst Seehofer (CSU) bleiben folgerichtig nur die Grünen übrig. Für Bayern wird das eine historische Zäsur, aber daran wird sich die CSU gewöhnen müssen.
Der nächste Schlag für die SPD folgt am 28. Oktober in Hessen. Auch hier wird die CDU möglicherweise bis zu zehn Prozentpunkte verlieren, bleibt aber mit knapp 30 Prozent stärkste Kraft. Die SPD verliert bis zu acht Prozentpunkte, bleibt zwar zweitstärkste Partei, aber auch hier gewinnen Grüne und AfD. Die Grünen rund 6 Prozentpunkte, die AfD um die zehn Prozentpunkte.
Um die Mitte streiten sich vor allem die Union, die SPD und die Grünen. Die FDP partizipiert. Auch hier ist die Perspektive bundesweit eine alarmistische, die vor einem zunehmenden Extremismus warnt. Die Wahrheit ist: Der nimmt zu, von links wie rechts, doch rund 80 Prozent der Wählerschaft bewegen sich bei den Mitte-Parteien und die restlichen 20 Prozent links- wie rechtsaußen bei Die Linke und AfD.
Strategischer Verlierer ist seit langem die SPD. Denn sie positioniert sich fast ausschließlich als Gegner-Partei der AfD, gibt sich arrogant bis großkotzig oder vulgär und das aktuelle Spektakel um die Causa Maaßen ist nur ein Sinnbild für den sinnlosen Zustand der SPD. Maaßen muss weg, forderte Frau Nahles. Sie hat ihr Ziel erreicht, aber die Schlacht verloren, denn was bitte, hat sie, hat die SPD aktuell gewonnen? Maaßen wird zwar das Amt als Präsident des Bundesverfasschungsschutz aufgeben müssen, wird nicht befördert, aber “Sonderberater”.
Herr Maaßen ist ein Bauernopfer – das Ziel war Seehofer, der die letzte Horst-Show abziehen will, als härtester Hund seit Franz-Josef Strauss. In Bayern schämt man sich fremd für ihn, trotzdem kann man ihn nur schlecht “entfernen”, ohne die Groko insgesamt aufs Spiel zu setzen.
Für die SPD muss gelten: Noch so eine Schlacht und der Krieg ist verloren.
Richtig ist, dass die AfD nur zuschauen muss, wie ihre Vorwürfe des “Parteiengeschachers” öffentlich nachvollzogen werden können. Herr Gauland wird es mit einem Lächeln verfolgen.
Die Grünen sind cleverer als die SPD – sie bieten sich als alternatives Sammelbecken für alle an, die sich links sehen, aber mit der SPD nicht mehr zurechtkommen. Gleichzeitig gibt man sich gutbürgerlich, was man in großen Teilen auch schon ist und nimmt auch noch den ein oder anderen Unionswähler mit.
Und die CDU profitiert – bei allen Verlusten – immer noch vom Auslaufmodell Merkel. Die beherrscht die “asymmetrische Mobilisierung” durch Nicht-Positionierung perfekt. Aus der Causa Maaßen wurde eine Causa SPD – Frau Merkel, die von ihrer Richtlinienkompetenz hätte Gebrauch machen und Herrn Seehofer in den Ruhestand hätte schicken können, faltete die Hände zur Raute und achtete darauf, nur ja keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Ob die von ihr geführte Groko vier Jahre durchhält, darf bezweifelt werden. Man muss damit rechnen, dass die SPD, insbesondere unter Frau Nahles, weiter um sich schlägt und dabei vor allem sich selbst trifft und es letztlich zu Neuwahlen kommt. Gedient wäre damit niemandem, am allerwenigsten der SPD.
Das SPD-Projekt Selbstprofilierung durch Zerstören des “politischen Gegners” AfD ist gescheitert. Die AfD wird bleiben und die Frage ist nun, wie viel von der SPD übrig bleibt. Den Zorn und die Empörung hat die AfD als Marke im Griff und solange sie keine ernsthaften Inhalte liefert, ist die Marke auch nicht in Gefahr.
Sollten die Unionsparteien allerdings den Fehler machen, sich wie die SPD aufzuführen, wird das die Parteienlandschaft weiter zergliedern. Damit ist das politische System der Bundesrepublik Deutschland noch längst nicht in Gefahr, wird aber schwieriger.
Solange man sich einig ist, in der Mitte Kompromisse zu finden, statt sich nur ständig selbst laut inszenieren zu wollen, wird das auch noch lange gut funktionieren. Die extremen Ränder bekommt man nicht weg, denn sie waren schon immer da. Ob die Fundis bei den Grünen vor allem in den 80-iger Jahren oder die rechtsextremen Parteien der 90-iger Jahren.
Von den Problemen der SPD haben vor allem Grüne und Die Linke profitiert, aber auch die AfD. Sind die Unionsparteien nicht vorsichtig, wird die AfD das sein, was Grüne und Die Linke für die SPD sind – Profiteure der eigenen Befindlichkeiten.
Aktuell wird ein neuer Präsident für das Bundesamt für Verfassungsschutz gesucht. Wird das der nächste Kriegsschauplatz der SPD? Die Sozialdemokraten sollten sehr vorsichtig mit der Sache umgehen. Und reißen wird sich niemand um den Job.
Bei aller Kritik an Herrn Maaßen – wer kann es besser? Und was heißt “besser”? Wenn die SPD dort jemand positionieren will, der als “Mission” bekommt, möglichst schnell die AfD zu beobachten, wird Herr Gauland wieder süffisant lächeln.
Aktualisierung, 12:35 Uhr:
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat sich öffentlich für den Konflikt der Causa Maaßen entschuldigt und fordert zur Sacharbeit auf. Der Hinweis ist eindeutig.
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