Ladenburg/Weinheim/Rhein-Neckar, 22. Oktober 2013. (red/ld) Facebook an der Schule ist eigentlich tabu. Der Grund: Datenschutzfragen. Ohnehin nutzen viele Schulen bereits seit Jahren „Moodle“, noch lange bevor das baden-württembergische Kultusministerium Facebook und Co. für die Schüler-Lehrer-Kommunikation verboten und Moodle empfohlen hatte. Doch was kann das System, mit dem Schüler/innen schon fast selbstverständlich umgehen?
Von Lydia Dartsch
Internetkonzerne wie Facebook und Google haben aus deutscher Sicht ein Datenschutzproblem: Weil die Server, auf denen die Plattformen gespeichert sind, in den USA stehen, und damit nicht deutschem Recht unterliegen, können sie die persönlichen Daten, die man alltäglich dort preisgibt verwenden, wie es ihnen gefällt.
Das amerikanische Recht erlaubt ihnen auch, die freiwillig bereitgestellten Daten an Firmen zu verkaufen, die diese Daten und Informationen zu Werbezwecken einsetzen. Kurz: Sie verdienen damit eine Menge Geld. Das Recht auf Datenschutz ist derzeit nur am Sitz des Konzerns nach dem dort geltenden Recht möglich. Für Facebook in Europa ist das Irland: Ein beschwerlicher und teurer Klageweg, den die Österreichische Studentengruppe „Europe-versus-Facebook“ seit einigen Jahren beschreitet und dokumentiert. Für den baden-württembergischen Landesbeauftragten für Datenschutz, Jörg Klingbeil, sind das unhaltbare Zustände:
Wie komme ich als öffentliche Einrichtung dazu, einen amerikanischen Konzern zu sponsorn?
Vielmehr sei es rechtswidrig, da die in den USA ansässigen Internetkonzerne gegen das Telemediengesetz und Datenschutzrecht verstoßen. Statt ohne Nachfrage die Daten der Nutzer an Firmen weiterzugeben oder sie weiter zu verwenden, muss der Nutzer dieser Verwendung widersprechen können und darüber informiert werden.
Um seine Schüler und Lehrer vor dieser Datenweitergabe zu schützen, hatte das Land im Juli die Nutzung von Facebook für die dienstliche Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern verboten. Bei unseren Recherchen hat sich keiner der angesprochenen Lehrer dazu bekannt, Facebook dazu genutzt zu haben. Eine neue, datensichere Plattform wird derzeit entwickelt, kündigte das Ministerium an. Ein Veröffentlichungstermin steht aber noch nicht fest. Gudrun Aisenbrey, Rektorin des Schulverbunds der Dietrich-Bonhoeffer-Schule (DBS) in Weinheim, rechnet nicht so bald damit:
Bis die Plattform online geht, dauert das noch Jahre.
Als Übergangslösung empfahl das Ministerium, die Lernplattform „Moodle“ zu benutzen, die auf dem Landesbildungsserver in Stuttgart liegt, den deutschen Datenschutzrichtlinien unterliegt und somit sicher ist für den Gebrauch an Schulen.
Es unterstütze die Lehrer in ihrer Arbeit, sagen Gudrun Aisenbrey von der DBS und Rainer Schajor, der am Carl-Benz-Gymnasium Ladenburg Physik lehrt und der Netzwerkadministrator ist. Sie nutzen das System bereits seit mehreren Jahren. In Moodle stellen sie ihren Schülern Arbeitsblätter, das Unterrichtsskript oder Lösungen für frühere Klausuren bereit. Sie nutzen die Plattform aber nicht erst seit der Empfehlung des Ministeriums, sondern schon seit mehreren Jahren.
Hausaufgaben und Arbeitsblätter online
Schüler, die krank sind, kommen leicht an die Unterrichtsmaterialien oder können selbst ein paar Aufgaben mehr erledigen. Das erziehe die Schüler/innen zu mehr Selbständigkeit, sagt Frau Aisenbrey. Herr Schajor nutzt außerdem die Kalenderfunktion, in der Klassenarbeiten und wichtige Termine eingetragen werden. Online können die Schüler/innen beispielsweise über das Ziel der nächsten Klassenfahrt abstimmen – wenn nötig auch anonym. Die eingesparten Druckkosten sind da nur ein positiver Nebeneffekt für die Schule.
Im Unterricht selbst würde Herr Schajor nicht mit dem System arbeiten. Lernstoff vermitteln können Lehrer besser, findet er und verweist auf die Entstehungsgeschichte der Lernplattform. Denn entwickelt hat sie der australische Lehrer und Informatiker Martin Dougiamas. Um sich besser mit seinen weit entfernt wohnenden Schülern austauschen zu können, hatte er im Jahr 1999 die Lernplattform entwickelt und sie 2002 veröffentlicht. Die weiten Entfernungen seien in Baden-Württemberg nicht vorhanden. Man treffe sich täglich im Klassenzimmer und könne vor Ort die Themen besprechen. Deshalb diene Moodle lediglich zur Untersützung, sagt er:
Wir Lehrer liefern ja kein industrielles Produkt, das per Computer ausgewertet wird.
Auch Noten, Testbewertungen und Schülerbeurteilungen bespricht er lieber persönlich mit seinen Schülern. Der Kontakt sei ihm sehr wichtig, sagt er. Er könne beispielsweise individuell auf die Reaktionen seiner Schüler eingehen, sie ermutigen oder beruhigen, wenn eine Note schlecht ausfällt. Eine Gefahr, dass dieser Kontakt durch den Einsatz sozialer Medien vernachlässigt werden könnte, sieht er nicht: Die meisten seiner Kollegen erachten die persönlichen Beziehungen zu ihren Schülern als ebenso wichtig.
Während Moodle an der DBS vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern, in Mathematik und im Deutschunterricht eingesetzt wird, empfiehlt Rainer Schajor in Ladenburg die Nutzung für Schüler ab der Oberstufe, also ab der elften Klasse. In manchen Fällen auch schon an der zehnten. Nach seiner Erfahrung sind jüngere Schüler noch nicht bereit, den Computer als Arbeitsgerät zu nutzen. Das erkenne er immer wieder, wenn seine Schüler im ITG- oder Mathematikunterricht im Computerraum lieber im Internet surfen:
Die jüngeren kennen und nutzen den Computer zuhause vor allem als Spielzeug, wenn sie dort Videospiele spielen. Eigentlich ist er aber ein Arbeitsgerät. Und das muss man ihnen erst einmal vermitteln.
Wer Moodle für den Unterricht benutzt und wer nicht, stellen beide Schulen ihren Lehrern und Schülern frei. Flächendeckend kommt das System nicht zum Einsatz. Wenn es gewünscht wird, und sich alle in der Klasse darauf einigen, wird es eingesetzt und die Lehrer legen ihren Kurs im System an. Manchmal fordern sie auch gezielt den Einsatz der Plattform für Arbeitsmaterialien.
Solche Absprachen und deren Einhaltung seien wichtig, um die Schüler auch zu motivieren, damit zu arbeiten, sagt Gudrun Aisenbrey. Gelinge das nicht, wird der Einsatz von Moodle für den Unterricht problematisch. Für die Lehrer gibt es an der DBS eine Moodle-Beauftragte, die ihre Kollegen beraten kann. Am CBG übernimmt diese Rolle Herr Schajor. Informationen über den Umgang und eine Demo-Version mit Moodle bietet auch das Kultusministerium im Internet an.