Rhein-Neckar, 09. Mai 2014. (red/ld) Halten Schulen, was sie in ihren Leitbildern versprechen? Das untersuchen 90 Mitarbeiter des Landesinstituts für Schulentwicklung in Baden-Württemberg im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Fremdevaluation. Die Ergebnisse veröffentlicht das Kultusministerium aber nicht – um ein Schulranking zu vermeiden.
Von Lydia Dartsch
Die Versprechen der Schulen sind vielfältig: Kinder sollen als Individuen gefördert werden, auf den Weg in ein eigenverantwortliches Leben – geprägt von sozialem Handeln – gebracht werden und gegenseitige Wertschätzung erfahren. So liest man es beispielsweise in den Leitbildern der Kurpfalzschule in Dossenheim, der Dietrich-Bonhoeffer-Werkrealschule in Weinheim und der Pestalozzischule in Edingen-Neckarhausen.
Ob sie ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden, testen die Schulen regelmäßig in sogenannten Selbstevaluationen. Dazu sind sie seit dem Jahr 2008 nach § 114 Schulgesetz verpflichtet. Regelmäßig sollen auch sogenannte Fremdevaluationen durch das Landesinstitut für Schulentwicklung (LS) durchgeführt werden. Dieses untersteht dem Kultusministerium.
„Das Bauchgefühl kann täuschen“
„Wir geben den Schulen dadurch eine datengestützte Rückmeldung über ihre Qualität“, sagt der stellvertretende Direktor des LS, Prof. Dr. Volker Gehlhaar. Der Blick von außen zeige dann, ob die Schule in ihrer Selbseinschätzung bestätigt wird oder ob sich Unterschiede ergeben. „Das Bauchgefühl kann auch schon täuschen“, sagt Prof. Gehlhaar.
In Zweier-Teams besuchen die beim LS angestellten Evaluatoren für ein bis drei Tage die ausgewählte Schule. Davor wird mit der Schulleitung ein Termin und das Verfahren besprochen. Die Schule kann auch bestimmen, ob eine sogenannte „Assoziierte Person“ – ein Vertreter der Schule – an der Evaluation teilnimmt, sagt Prof. Gehlhaar.
Handlungsempfehlungen und Maßnahmenkatalog
Anhand des Schulprofils und eines standardisierten Verfahrens bewerten die Evaluatoren dann vor Ort beispielsweise wie der Unterricht gestaltet wird, die Professionalität der Lehrer/innen und das Schul-und Klassenklima. „Zuerst gibt es einen Schulhausrundgang und einen Unterrichtsbesuch“, sagt Prof. Gehlhaar. Dann werden Vertreter von Schüler-, Lehrer- und Elternschaft in standartisierten Interviews befragt.
Die Ergebnisse werden anschließend mit den Selbstevaluationen der Schule verglichen. Gehen die Ergebnisse auseinander, gebe das LS der Schule Handlungsempfehlungen, anhand derer sie einen Maßnahmenkatalog erarbeiten und in einem Gespräch mit der Schulaufsichtsbehörde – je nach Schulart das staatliche Schulamt oder das Regierungspräsidium – Ziele vereinbaren sollen.
90 Evaluatoren für 4.000 Schulen im Land
Alle fünf Jahre soll eine solche Fremdevaluation durchgeführt werden. Doch die erste Runde läuft noch immer. Die derzeit 90 dafür ausgebildeten Evaluatoren – meist Lehrer/innen mit Erfahrung im Qualitätsmanagement – seien für die Aufgabe geschult, alle 4.000 Schulen in Baden-Württemberg zu evaluieren. Zu Beginn der Evaluationsrunde habe dies aber anders ausgesehen: „Damals hatte uns das Personal gefehlt, um den Fünfjahresrhythmus gewährleisten zu können“, sagt Prof. Gehlhaar.
Zwischen 500 und 600 Evaluationen werden pro Jahr im Land durchhgeführt, sagt der Institutsleiter. Pro Fremdevaluation kostet dies derzeit 14.000 Euro. „Durch weitere Optimierungen erwarten wir im laufenden Schuljahr eine Kostenreduzierung um rund 1.000 Euro auf dann rund 13.000 Euro pro Fremdevaluation“, sagt Prof. Gehlhaar. Die Ergebnisse der Fremdevaluationen fließen anschließend in den Bildungsbericht ein. Dieser liefert ein Abbild der Qualitäten der Schulen gegliedert in Schularten.
Genaue Ergebnisse über die bisher durchgeführten Fremdevaluationen in unserem Berichtsgebiet, werden allerdings nicht veröffentlicht. „Zum Schutz der Schulen“, wie Dr. Roland Peter, Pressesprecher des Kultusministeriums in Stuttgart auf Anfrage schreibt. Es werde befürchtet, dass eine Veröffentlichung der Ergebnisse zu öffentlichen Rankings von Schulen oder Schulträgern führe. Dabei bestehe die Gefahr, dass Schulen mit schlechteren Ergebnissen „regelrecht an den Pranger gestellt werden könnten.“, heißt es in der Antwort des Kultusministeriums weiter. Außerdem sage ein Schulranking nichts über die pädagogische Qualität der Schulen aus:
Der Erfolg einer Schule hängt von vielen Faktoren ab, die bei diesen Rankings nicht abgebildet werden können, sondern teilweise sogar außerhalb der Verantwortung der Schule stehen. Auch eine nach Maßgabe des Schulrankings „schlechte“ Schule könnte in einem sozial problematischen Milieu eine gute Leistung des Kollegiums widerspiegeln.
Auch den Landtagsabgeordneten stünden die Daten nicht zur Verfügung schreibt der Landtagsabgeordnete Uli Sckerl (Grüne) auf Anfrage. Da es sich um eine interne Tätigkeit der Schulverwaltung auf der Basis von Erlassen handle, sei der Landtag nicht damit befasst und nicht dafür zuständig, schreibt Herr Sckerl weiter. Das Landtagsbüro von Georg Wacker (CDU) teilte uns mit, dass der Abgeordnete unserer Anfrage an die Abgeordneten aus dem Landtagswahlkreis Weinheim in einer parlamentarischen Anfrage nachgehen werde. Der ebenfalls angefragte Landtagsabgeordnete Gerhard Kleinböck (SPD) hat bislang nicht geantwortet.