Ludwigshafen, 22. September 2017. (red/pro) Am kommenden Sonntag wird in Ludwigshafen zeitgleich zur Bundestagswahl der oder die Oberbürgermeisterin der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz gewählt. Vier Bewerber stellen sich zur Wahl, eine Frau und drei Männer. Als aussichtsreiche Kandidaten gelten Dr. Peter Uebel (53, CDU) und Jutta Steinruck (55, SPD). Die beiden anderen Kandidaten Thorsten Portisch, (48, parteilos) und Dirk Schmitz (55, “unabhängig”, AfD) gelten als chancenlos. Die noch amtierende Oberbürgermeiterin Dr. Eva Lohse (61, CDU) wollte aus privaten Gründen nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Wer auch gewinnt, so viel ist klar, hat “große Herausforderungen” vor sich, denn Ludwigshafen ist hoch verschuldet, die Handlungsspielräume sind eng.
Von Hardy Prothmann
Oberbürgermeister von Ludwigshafen am Rhein zu werden, ist kein Traumjob. Fast 1,4 Milliarden Euro Schulden hat die Stadt, also rund 8.000 Euro pro Kopf aller rund 170.000 Einwohner. Damit gehört Ludwigshafen zu den verschuldetsten Städten Deutschlands.
Für den Job braucht es Herzblut
Zwar ist Ludwigshafen das Oberzentrum der Vorderpfalz, nach Mannheim zweitgrößte Stadt der Metropolregion Rhein-Neckar, kann einiges an wirtschaftlicher Infrastruktur vorweisen wie das weltgrößte Chemie-Unternehmen BASF SE, aber das schlägt sich kaum auf die Einnahmen nieder, denn rund zwei Drittel der Beschäftigten pendeln ein und zahlen ihre Steuern in umliegenden Gemeinden.
Das sorgt für jede Menge Verkehr und Probleme – der geplante Abriss der Hochstraße Nord wird diese noch verschärfen. Bislang überfuhren Pendler die Stadt auf ihrem Weg nach Mannheim oder Heidelberg, dann geht es durch die Stadt. Das wird nicht vergnügungssteuerpflichtig.
Warum bewirbt man sich also um den Posten als Oberbürgermeister? Da muss man schon Herzblut mitbringen für die eigene Stadt. Das gilt für beide Favoriten, Dr. Peter Uebel, Internist und CDU-Stadtrat sowie Jutta Steinruck, frühere Stadträtin, Betriebswirtin und Europa-Abgeordnete der SPD. Beide sind Ludwigshafener.

Dr. Peter Uebel, CDU. Foto: Facebookseite Uebel
Drückende Probleme
Anders als in vielen Medien dargestellt, hängt das Schicksal der Stadt nicht vom neuen Oberbürgermeister oder der neuen Oberbürgermeisterin ab. Denn das demokratisch gewählte Hauptorgan der Gemeinde ist und bleibt der Stadtrat. Trotzdem gibt es im Vergleich gesehen keinen wirkmächtigeren Posten als den eines Oberbürgermeisters nach der süddeutschen Ratsverfassung. Dessen Stellung ist sehr mächtig, weil direkt gewählt, Chef der Verwaltung und Leiter des Stadtrats.
Ludwigshafen drücken ähnliche Probleme wie Mannheim. Als Oberzentrum hat es eine Magnetfunktion, bietet Leistungen wie den Wirtschaftsstandort und kulturelle Angebote, von denen aber das Umland enorm profitiert. Die Stadt selbst hat enorme Kosten im Sozialbereich, dazu gibt es einen hohen Anteil an Migranten und die Kosten der Flüchtlingskrise kam für die Stadt noch obendrauf. Da bleibt nicht viel Spielraum für eine großzügige Gestaltung – ganz im Gegenteil muss der Mangel verwaltet werden.
Als Favorit kann Peter Uebel gelten. Der Mediziner führt ein 30-köpfiges Gesundheitszentrum und ist durch sein soziales Engagement in der Stadt bekannt. Beim Begriff “sozial” kann die SPD-Kandidatin Jutta Steinruck sich nicht vom CDU-Kandidaten abgrenzen. Herr Uebel tritt sicher und sympathisch auf. Insgesamt wirkt er kompetenter als Frau Steinruck, die etwas verhuscht wirkt.

Jutta Steinruck, SPD. Foto: Facebookseite Steinruck
Imagekampf zwischen CDU und SPD
Der Kampf ums höchste Amt der Stadt ist auch einer zwischen den Parteien. Nach 1945 war die Stadt SPD “regiert” – bis Frau Dr. Lohse (CDU) kam. Die scheidende Oberbürgermeisterin schaffte es zwei Mal im ersten Anlauf über 50 Prozent und wäre sicherlich auch ein drittes Mal erfolgreich gewesen. Sie hört aus privaten Gründen auf. Dieser Amtsbonus wird sich positiv für Herrn Uebel auswirken, während Frau Steinruck von der Mehrheit des Stadtrats unterstützt wird, also SPD (21), Gru?ne, FWG, Die Linke und Piraten, was 31 Sitze ausmacht. Die CDU hat 20 Sitze.
Wer sich kommunalpolitisch auskennt, weiß, dass diese Unterstützung zwar einen Hinweis geben kann, aber nicht entscheidend für den Kandidaten sein muss. Entscheidend sind die Bekanntheit und Beliebtheit bei den Bürgern sowie die Eigenschaften, die man dem Kandidaten zuschreibt. Hier kann Herr Uebel punkten: Als Arzt genießt er hohes Ansehen, er ist Stadtrat mit sozialer Ader (“Street Docs”) und auch Unternehmer. Im Auftritt wirkt er nach meiner Einschätzung “optimistischer” als Frau Steinruck – und Optimismus braucht es für das Amt und die Stadt.
Entscheidung vermutlich erst im Oktober
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Wahlbeteiligung besser sein als bei der letzten Oberbürgermeisterwahl mit 44 Prozent – die zeitgleiche Bundestagswahl wird dafür sorgen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es aber für die beiden Favoriten bei der Wahl nicht reichen, um zu gewinnen – 50 Prozent plus eine Stimme sind nötig. Also wird es am 15. Oktober eine zweite Wahl geben, bei der gewinnt, wer die höchste Prozentzahl erreicht.
Die beiden anderen Kandidaten, Herr Portisch und Herr Schmitz, werden im einstelligen Bereich bleiben und keine besondere Rolle spielen. Ihnen fehlen wesentliche Merkmale wie Bekanntheit und Beliebtheit. Auch in Sachen Verwaltungskompetenz werden sie als Externe nicht punkten können. Bekanntermaßen ist Herr Schmitz zudem AfD-Mitglied – er tritt zwar nicht für die Partei an, aber ein AfD-Oberbürgermeister für Ludwigshafen ist undenkbar.
Für Herrn Uebel und Frau Steinruck wird es also nach der Wahl am Sonntag nochmals ein Kraftakt. Sie müssen wieder raus, ihre Wähler/innen mobilisieren und für ihre Mehrheit werben. Ein Ei hat sich Herr Uebel selbst ins Nest gelegt – die Umbenennung der Rhein-Allee in Helmut-Kohl-Allee zur Ehrung des im Juni verstorbenen Altkanzlers fiel ihm vor die Füße, weil es einigen Protest gab. Eine angekündigte Bürgerbeteiligung wird die Aufregung darüber entschärfen, aber wenn es für ihn knapp nicht reichen sollte, dann sicherlich wegen dieses unnötigen Fauxpas, an dem aber beide großen Fraktionen beteiligt waren. Frau Steinruck hat die Vorlage allerdings nicht entschieden genug genutzt, um für sich zu punkten. Ob dieser “Aufreger” also wahlentscheidend sein wird?
Viel eher werden es Themen wie Sicherheit und Ordnung sein, die für die Wähler/innen wichtig sind – und da steht Herr Uebel klar positioniert vor seiner Konkurrentin Frau Steinruck. Seine Ablehnung des diskutierten Kombibads dürfte einigen nicht gefallen, den Bürgern hingegen schon, die die Schuldensituation der Stadt realisiert haben und Konsolidierung vor Wohlfahrt setzen. Möglicherweise ist der Negativtrend der SPD für Frau Steinruck ein Nachteil.
Einen “Frauenbonus” wird es nicht geben – Frau Dr. Lohse war zwar die erste Frau an der Stadtspitze und erfreut sich großer Beliebtheit, aber weniger als Frau denn als verbindlicher Charakter mit einem unaufgeregten und klar pragmatischem Auftreten.
Wer es auch wird – soviel ist klar: Im Stadtrat sind SPD und CDU die starken Fraktionen, für überzeugende Mehrheiten brauchen sich beide. Da spielt das Parteibuch des Oberbürgermeisters weniger eine Rolle, denn er muss beide Parteien für sein Handeln umwerben. Diese Haltung kann man beiden Favoriten zusprechen.
Die Oberbürgermeisterwahl beginnt mit vier Kandidaten, zwei werden in eine neue Wahl gehen, nur einer kann gewinnen.
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