Ludwigshafen, 11. Januar 2018. (red/pro) Im Amt als Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen ist Jutta Steinruck (SPD) seit dem 01. Januar 2018. Am Mittwoch wurde sie in einem öffentlichen Akt im Ratssaal ins Amt eingeführt. Ihre beiden Reden, zur Amtseinführung und zum Neujahrsempfang der Stadt, sollte man sich anhören und sich dann im Laufe der Zeit erinnern, was Wunsch und was Wirklichkeit ist. Frau Steinruck startet nach dem Prinzip Hoffnung.
Von Hardy Prothmann
Liebe Frau Oberbürgermeisterin Steinruck,
Diese Stadt ist für mich Heimat, deshalb macht es mich besonders stolz, dass die Bürgerinnen und Bürger von Ludwigshafen mir ihr Vertrauen geschenkt und mich zu ihrer Oberbürgermeisterin gewählt haben,
haben Sie sichtlich bewegt am Anfang Ihrer Rede im Ratssaal der Stadt Ludwigshafen gesagt.
Ludwigshafen als Heimat
Im weiteren Verlauf Ihrer Rede beschrieben Sie Ihre Visionen – Ludwigshafen zur Bildungsstadt zu machen beispielsweise. Sie wissen, wovon Sie reden, haben Sie doch als Kind dieser Stadt den Rücken gekehrt und nach dem Abitur in Mannheim studiert, um dort in verschiedenen Funktionen bei verschiedenen Unternehmen zu arbeiten.
Auch ich bin übrigens ein “Sohn Ludwigshafens”, geboren in Friesenheim, aber aufgewachsen in Limburgerhof, Hochdorf-Assenheim und letztlich Frankenthal, das an die Pfingstweide angegrenzt. In meiner Jugend der Inbegriff eines Angstraums. Die “Pfingschdwäd” war das, was man heute eine No-go-Area nennen würde. Ich habe sogar mal ein halbes Jahr in Oggersheim gelebt – an der Notwende. Schön wars da nicht. Meine erste Disco war “die Hall” in Oppau und als junger Erwachsener besuchte ich natürlich auch den Hemshof häufig. Immerhin habe ich auch bei der BASF gearbeitet, ein paar Wochen als Praktikant in der Öffentlichkeitsarbeit während des Studiums und insgesamt rund ein Jahr als Schichtler, was sehr lukrativ war.
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Auf die Idee, nach Ludwigshafen zu ziehen, bin ich allerdings nie gekommen. Ludwigshafen ist und bleibt meine Geburtsstadt, ist und bleibt das Oberzentrum der Vorderpfalz, aber Heimat war mir die Stadt nie, obwohl ich “Pfälzer” sage, wenn man mich fragt, wo ich denn herkomme.
Zweiter Anlauf
Sie brauchten zwei Anläufe, um zur Oberbürgermeisterin gewählt zu werden. Bei der ersten Wahl erreichten Sie mit 48,3 Prozent nicht die erforderliche Mehrheit. Bei der Stichwahl am 15. September 2017 haben Sie sich dann mit 58,1 Prozent gegen den Stadtrat Dr. Peter Uebel (CDU) durchgesetzt. In Ihrer Rede betonten Sie, dass Sie Oberbürgermeisterin für alle Ludwigshafener sein werden. Dafür wünsche ich Ihnen eine gute Hand.
Die Stadt in eine lebenswerte Zukunft zu führen, sei eine große Aufgabe, betonten Sie in Ihrer Rede. Deshalb hatten Sie sich “Wind of of change” von den Scorpions als musikalische Untermalung gewünscht – das Lied berühre sie sehr, dieser “magic moment”.
Start mit Widersprüchen
Ehre, Vertrauen und Gerechtigkeit haben Sie als wesentliche Merkmale Ihrer nun begonnenen Amtszeit betont. Die Amtskette sei für Sie kein Symbol autoritärer Macht. Sie wollten für gelebte Demokratie einstehen, dazu gehörten Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Unverfälschtheit und der Mut, unbequeme Wahrheiten zu benennen. Dies könne man nicht an Parteigrenzen festmachen.
Ich habe nun beide Reden aufmerksam verfolgt, die im Ratssaal und die zum Neujahrsempfang. In beiden Reden haben Sie den Stadtrat als gewählten Souverän der Stadt irgendwie vergessen. Das fand ich irritierend. Sie sagten:
Ich habe mir das Lied “Wind of Change” ganz persönlich gewünscht. Ich möchte Politik anders machen, gerechter, ehrlicher, transparenter.
Auch das fand ich irritierend, denn irgendwie sagen Sie damit, dass die Politik bislang ungerecht, unehrlich und nicht transparent war. Weiter betonten Sie die “Wertschätzung als Zaubermittel für Erfolg”. Diese würde “viel zu wenig gelebt”:
Ich bin mir sicher, dass wir da auch in der Stadtverwaltung Ludwigshafen noch viel Luft nach oben haben.
Auch das könnte man falsch verstehen. Die persönliche Wertschätzung der Mitarbeiter werde ein neuer Wind sein. Sie wollen Raum für Eigeninitiative bieten, Bedürfnisse der Mitarbeiter würden einen hohen Stellenwert bekommen, es werde keine starre Regeln und unpersönliche Anweisungen geben, es werde keine fröstelnde Distanz zwischen der Führungsebene und den Mitarbeitern geben. Auch das kann man umkehrt verstehen, nämlich dass die Zeit vor Ihrer Amtsübernahme von starren Regeln, unpersönlichen Anweisungen und einer fröstelnden Distanz geprägt war. Wollten Sie das wirklich so zum Ausdruck bringen oder ist Ihnen die Rede nur verunglückt?
Wann immer wir zusammen arbeiten, sollen alle Ideen und Werte der jeweiligen demokratischen Parteien in die Diskussion eingebracht werden,
haben Sie ferner gesagt.
Weisheit der Vielen ohne 20 Prozent AfD-Wähler?
Denn die Fähigkeiten des Perspektivwechsels und des empathischen Zuhörens seien wesentliche Bausteine einer lebendigen, vielseitigen, demokratischen Mitgestaltung. Nur daraus könnten die besten Lösungen für die jeweils anstehenden Herausforderungen und Probleme gefunden werden.
Sie vertrauten dabei auf die “Weisheit der Vielen”. Im Widerspruch dazu betonten Sie, “es müsste sie nicht geben, diese pseudodemokratischen Parteien, die ihre zutiefst menschenverachtende politischen Konzepte mehr oder weniger geschickt verschleiern”.
Sie haben keinen Namen gesagt, dass Sie die AfD gemeint haben, setze ich mal voraus. Mit Sicherheit wissen Sie, dass die AfD in Ludwigshafen mit 20 Prozent das beste Ergebnis in Rheinland-Pfalz bei der Landtagswahl 2016 erzielt hat – und das ohne einen eigenen Wahlkreiskandidaten. Mit Ihrer Ansage haben Sie also klar und eindeutig festgestellt, dass Sie bei der “Weisheit der Vielen” sehr bewusst und eindeutig auf einen Dialog mit den 20 Prozent der Wähler/innen verweigern werden, die eben dieser Partei ihre Stimme gegeben haben.
Große Herausforderungen
Sie haben auch die Probleme der Stadt benannt – die großen: Schuldenberg, Abriss der Hochstraße, ein verlorenes Heimatgefühl. Den Menschen fehle der Stolz zu sagen, sie kämen aus Ludwigshafen. Sie betonten, Ludwigshafen müsse mehr Lebensqualität bekommen – auch das heißt anders interpretiert, es steht nicht gut um die Lebensqualität in Ludwigshafen. Sie aber wollten “Ludwigshafen neu erblühen lassen”. Man fragt sich, wann die Industriestadt Ludwigshafen je geblüht hätte?
In den vergangenen Jahren hat die Stadt Aufwertungen erfahren, durch die Rhein-Galerie beispielsweise oder Bebauungen auf der Parkinsel – wo allerdings nicht alle “Preissegmente” für Wohnen geboten werden.
Sie haben vier Ziele definiert: Ludwigshafen als Stadt der Bürgerbeteiligung, als Stadt zum glücklichen Leben und Wohnen, als Stadt für florierende Wirtschaft und gute Arbeit, als Stadt der Zukunft:
Ludwigshafen muss eine Stadt werden, in der es gerecht zugeht,
sagen Sie. Tut es das nicht? Sie wollen den sozialen Zusammenhalt stärken, Armut und Arbeitslosigkeit bekämpfen, senioren- und behindertengerecht soll Ludwigshafen sein, Integration unabhängig von Herkunft und Religion bieten, dazu gute Schulen, ein attraktives Kulturangebot, Wohnraum in allen Preissegmenten. Das sind alles ehrenwerte Ziele.
Nur, wer sich in einer Stadt sicher fühlt, wird sich auch wohlfühlen,
sagen Sie weiter und kündigen an, den Ordnungsdienst aufzustocken. Und Angsträume zu bekämpfen. Sauberkeit sei ein großes Problem. Für Unbelehrbare und Unverbesserliche werde es abschreckend hohe Strafen geben. Sie kündigen konsequente Kontrollen an, Motto: “Wir passen auf.”
Haben Sie sich verplappert?
Und dazu bringen Sie ausgerechnet Singapur als Beispiel an, wie sauber eine Stadt sein kann. Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin: Sind Ihnen die politisch-autoritären Verhältnisse in einem der reichsten Stadtstaaten der Welt tatsächlich bekannt? Kennen Sie die drakonischen Strafen und die Unterdrückung Andersdenkender dort? Ist das wirklich ein Vorbild für Sie? Ober haben Sie sich verplappert?
Sie freuen sich über die BASF, die aufgrund einer “Unfreundlichkeit” der Mannheimer Stadtverwaltung sich letztlich in Ludwigshafen angesiedelt hat. Worüber freuen Sie sich genau? Dass es sich um das weltgrößte Chemieunternehmen handelt? Warum profitiert Ludwigshafen aber so wenig davon, anders als Walldorf beispielsweise von einer der weltgrößten Softwarefirmen?
Und Sie nennen den Berliner Platz tatsächlich einen “liebenswerten Ort”? Das kann nur Ihrem unerschütterlichen Optimismus geschuldet sein, ebenso wie Ihre Visionen einer Einkaufsstraße, die zum Bummeln einlädt, dass Baulücken kein Thema mehr sind und Staus der Vergangenheit angehören.
Immerhin – Sie haben klare Ansagen gemacht, wo Sie hinwollen:
Jutta machts war nicht nur eine plakative Werbeaussage in meinem Wahlkampf,
sagen Sie. Wir werden Sie beim Machen begleiten und schauen, wie es so klappt. Auch mit dem Stadtrat – denn “Jutta” wird auch an der Achtung vor dem Souverän gemessen werden müssen.
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Das Prinzip Hoffnung
In Ihrer Rede haben Sie Ernst Bloch zitiert: “Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.” Der berühmte Philosoph hat aber auch gesagt: “Der Aberglaube an die automatische Wirkung der Einsicht kommt außerhalb der schematischen Propaganda nur noch bei alten Mathematiklehrern vor.”
Sie wollen alle Bürger anhören und mitnehmen – an diesem Prinzip Hoffnung, dass es gelingen möge, wird Ihr Wirken gemessen werden. Diese Latte haben Sie sich selbst sehr hoch gelegt und geht es nach mir, wünsche ich Ihnen, dass Sie diese Höhe problemlos meistern.
Tatsächlich erwarte ich, dass Sie bald in der Realität ankommen werden. Sie werden die Vorzüge, aber auch die Nachteile von Bürgerbeteiligung kennenlernen. Sie werden vermutlich sehr schnell lernen, dass man Sie an Ihren Aussagen misst. Sie waren bislang Abgeordnete im Landtag und in Europa – jetzt haben Sie ein Amt mit sehr viel mehr persönlicher Verantwortung.
Dafür wünsche ich viel Erfolg.
Zur Person:
Jutta Steinruck (SPD) wurde am 01. September 1962 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der Berufsakademie Mannheim mit Abschluss Diplom-Betriebswirtin (BA).
Sie war dann bei verschiedenen Unternehmen in Mannheim im Bereich Personal beschäftigt. Sie hat führende Funktionen beim Deutschen Gewerkschaftsbund inne gehabt, war von Mai 2006 bis Juli 2009 Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz. Seit Juli 2009 war sie EU-Abgeordnete.
Am 15. Oktober gewann Sie die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisterin mit 58,1 Prozent in Ludwigshafen. Sie ist geschieden und hat einen erwachsenen Sohn.
Gut 300 Personen wohnten der Amtseinführung im Ratssaal bei, rund 1.400 Teilnehmer besuchten den Neujahrsempfang der Stadt Ludwigshafen im Pfalzbau. Verschiedene hochrangige Politiker nahmen ebenfalls teil, darunter Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (Mannheim), der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises Stefan Dallinger (CDU) und der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD)
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