Mannheim, 21. März 2013. (red/aw) Das Kulturcafé cafga im Jungbusch ist über die Grenzen des Kreativ-Viertels bekannt und geschätzt. Gerhard Fontagnier hat hier einen Kulturbetrieb erschaffen, der den Stadtteil wiederspiegelt, „Meeting Point“ für Veranstaltungen und Raum für Austausch ist. Ende Juli wird das cafga nach vier Jahren schließen. Grund dafür sind Streitigkeiten mit dem Vermieter. Im Interview erzählt uns der 58- jährige Stadtrat und Grafik-Designer wie es für ihn persönlich und das cafga weitergeht.
Interview: Alexandra Weichbrodt
Herr Fontagnier, derzeit machen viele Spekulationen die Runde. Die Leute interessiert natürlich: Hat das cafga schon geschlossen? Gibt’s eine neue Location? Oder bleiben Sie vielleicht doch in der Jungbuschstraße 18?
Gerhard Fontagnier: Ja, diese Fragen kriege ich zurzeit öfter gestellt. Wir haben natürlich noch auf. Immer abends ab 20 Uhr, außer Sonn- und Montags. Unser Mietvertrag läuft noch bis Ende Juli diesen Jahres. Die Nachricht von unserer Schließung hat beeindruckende Reaktionen hervorgerufen. Ganz viele Bands unterstützen uns und wollen noch einmal bei uns spielen. Die nächsten Monate werden also noch einige tolle Veranstaltungen bei uns stattfinden. Bis Ende Juni geben wir jetzt also noch mal Vollgas. Dann räumen wir hier aus. Eine neue Location gibt es derzeit nicht.
Schauen Sie sich denn nach anderen Läden um?
Fontagnier: Ja, schon. Wir haben auch verschiedene Angebote gekriegt, aber die sind leider alle vollkommen uninteressant. Da müsste man überall wieder ganz von vorne anfangen, viel Geld reinstecken. Und eigentlich wollten wir auch im Jungbusch bleiben, denn der Laden gehört mit seinem Konzept genau hierher.
Warum muss das cafga Ende Juli schließen?
Fontagnier: Unser Vermieter hat im vergangenen Sommer nach bereits länger andauernden Unstimmigkeiten seinen Joker gezogen und unseren Mietvertrag nicht verlängert. Darauf folgende Verhandlungen waren leider nicht mehr erfolgreich. Es entwickelte sich ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel. Mal war er zu Gesprächen bereit, mal war von einer reinen Mieterhöhung die Rede. Ein paar Wochen später sollten wir dann doch wieder ohne weitere Verhandlungen raus. Ein ständiges Hin und Her. Er hatte sogar noch einmal angeboten, den Mietvertrag um ein Jahr zu verlängern. Die schriftliche Bestätigung kam aber nie. Nach weiteren Monaten der vergeblichen Mühe habe ich dann aufgegeben. Irgendwann ist Schluss. Seitdem besichtigen auch immer wieder potenzielle Nachmieter unsere Räume.
Nach langem „Katz-und-Maus-Spiel“ ist jetzt Schluss.
Keine Einigung mehr in Sicht? War das Verhältnis denn nie besonders gut?
Fontagnier: Nein, ich habe neun Monate mit dem Vermieter verhandelt und jetzt ist Schluss. Das Verhältnis war zu Beginn des Mietverhältnisses eigentlich ganz gut. Wir haben hier einen Haufen Geld investiert und der Vermieter hat uns eine verhältnismäßig günstige Miete angeboten. Wir hatten also zunächst ein ganz gutes Gefühl. Im Laufe der Zeit merkten wir dann aber, dass er sich immer weniger, um Angelegenheiten, die das Haus betreffen, kümmerte.
Wir wollten beispielsweise den Hof bewirten. Diesen dafür herzurichten, sicherte er zu. Die Arbeiten wurden auch begonnen, allerdings dann unvollendet wieder eingestellt. Wir als Gastronomie-Betrieb haben mit großem Aufwand eine Bewirtungserlaubnis besorgt, die wir allerdings nie nutzen konnten. Solche Dinge sind natürlich ärgerlich. Aber das Schlimmste war eigentlich im Winter 2011/2012: Da wollte die MVV dem kompletten Haus die Fernwärme abstellen. Der Vermieter hatte einfach nicht gezahlt. Neben den ganzen anderen Kleinigkeiten war das wohl so das herausragendste Fehlverhalten. Wir als Mieter haben uns dann gemeinschaftlich über einen Anwalt mit der MVV verständigt und dafür sorgen müssen, dass uns die Heizung nicht abgestellt wird. Dass ich das alles organisiert hatte, nimmt er mir wohl bis heute übel. Das Verhältnis wurde also im Laufe der Zeit immer schlechter.
Es ist also nicht, wie in einigen Gerüchten zu hören war, eine zu hohe Mietforderung der Grund für die Schließung? Wirtschaftlich gesehen hätte das cafga diese überstehen können?
Fontagnier: Nein. Es war zwischenzeitlich von einer Mieterhöhung die Rede, aber die Verhandlungen sind letztlich nicht daran gescheitert. Eine Verdopplung hätten wir auch noch mittragen können. Mehr aber wahrscheinlich nicht. Die Mieten sind in Mannheim generell ein Problem. Wir haben mittlerweile die höchste Café-Dichte in ganz Deutschland. Der Markt ist eigentlich völlig übersättigt. Trotzdem herrscht hier im Jungbusch Goldgräberstimmung.
„Der Jungbusch ist in einem kritischen Zustand.“
Woran machen Sie das fest?
Fontagnier: Nun ja, seit wir hier sind ist es ja eigentlich monostrukturell geworden. In jedem Hauseingang finden Sie eine Kneipe. Jeder denkt, hier kann man was reißen. Jede Lücke wird versucht zu nutzen, das wird auf die Dauer nicht gut gehen. Ich denke, es werden in Zukunft einige Gastro-Betriebe zu machen müssen, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Ich bin wirklich gespannt, wie sich das entwickelt. Denn im Grunde ist der Stadtteil gesättigt. Hier ist kein Platz mehr, man müsste sich in den Hafen ausdehnen.
Auch die Verkehrsverhältnisse sind eine Katastrophe, Gäste können hier nicht parken. Ausserdem schreckt die Situation mit der Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren verstärkt die Leute ab. Alles in allem kein sehr begrüßenswerter Zustand, so dass der Jungbusch schon in einem kritischen Zustand ist. Wir als cafga waren immer auch ein Stabilisator. Wir haben uns eingemischt, nicht weg geschaut.
Wie schwer war es damals vor vier Jahren das cafga im Jungbusch anzusiedeln?
Fontagnier: Hier im Jungbusch gibt es eine bunte Mischung an Menschen, viele mit Migrationshintergrund, viele Studenten, viele Kreative. Das Ziel vom cafga war immer ein breites Spektrum anzusprechen und unser Publikum sollte vor allem den Stadtteil widerspiegeln. Das hat von Anfang an ganz gut geklappt. Auch, weil wir uns als Cafga im Jungbusch eingebracht haben. Wir haben bei Veranstaltungen wie zum Beispiel dem Nachtwandel mit gemacht, uns bei Problemen eingemischt oder aber in der Nachbarschaft geholfen. Wir sind also zu einem Teil des Jungbusch geworden und natürlich sehr nah dran am Geschehen.
Auch geschäftlich war zunächst alles super. Wir waren sehr optimistisch und hatten ganztags geöffnet. Und es ist nun mal so: Neue Besen kehren gut. Die Leute kamen, auch zum Mittagessen. Doch das wurde dann mit der Zeit immer weniger. Unsere Veranstaltungen hingegen waren immer gut besucht. Das Gesamtkonzept von Gastronomie und Kulturstätte haben wir lange durchgehalten, aber irgendwann rechnete es sich einfach nicht mehr. Wir haben gemerkt, dass das hier nicht funktioniert. Im Jungbusch geht es um das Wochenende, das Ausgehen. Im letzten Jahr haben wir dann umgestellt und öffnen seitdem erst Abends, haben zwei Ruhetage. Jetzt ist alles so nachjustiert und darauf ausgerichtet, dass wir richtig loslegen könnten.
Aussichtsreicher Start vor vier Jahren
Dazu wird es jetzt allerdings nicht mehr kommen. Sie betreiben neben dem cafga im Jungbusch auch das cafga am Schillerplatz. Dieses eröffneten Sie bereits vor zehn Jahren. Was bewegte Sie damals dazu ein weiteres Café zu eröffnen?
Fontagnier: cafga setzt sich ja zusammen aus Café und Galerie. Ich hatte damals am Schillerplatz schon die Idee Kultur mit einem Café zu verbinden. Am Schillerplatz hatten wir immer viele Ausstellungen und auch die ein oder andere Musikveranstaltung. Allerdings haben wir dort auch relativ viel Ärger mit den Nachbarn und Anwohnern gehabt. Meine Vorstellungen eines Kultur-Betriebs sind dort einfach nicht umsetzbar. Daraufhin entstand die Idee, so etwas an anderer Stelle in Mannheim zu verwirklichen. Ich sah die Räumlichkeiten hier im Jungbusch und war sofort beeindruckt. Ich habe gleich gesehen, was man hier draus machen kann. Zudem kannte ich das Viertel und hielt es für den perfekten Ort. Also habe ich investiert, wenn auch nicht ohne Risiko.
Allerdings. Ihre Investitionen von fast 80.000 Euro sind mit der Schließung des cafgas weg. Sind Sie trotzdem motiviert noch einmal an anderer Stelle neu anzufangen?
Fontagnier: Ja, so langsam wird es für mich natürlich eng. Ich bin jetzt auch keine 30 mehr. So langsam muss ich mir überlegen, was ich mit den mir verbleibenden Jahren noch so anfange. Ich hatte immer Lust volles Risiko zu gehen. Aber das wird mit der Zeit natürlich etwas anstrengender. Im Prinzip ist die Motivation schon noch da. Die Gastronomie ist es dabei allerdings nicht, die mich interessiert. Es war nie mein primäres Ziel, die Leute zu bewirtschaften. Die Kultur ist das, was mich interessiert. Veranstaltungen zu organisieren, mich mit Leuten zu treffen, auch eine Art „Meeting Point“ zu schaffen – das wollte ich und das würde ich gerne weiter machen. Wenn ich irgendwie die Möglichkeit kriege also: Ja. Aber ich kann nicht nochmal mit einer Baustelle anfangen.
Nun sind Sie nicht nur zweifacher Café-Betreiber, sondern auch noch Mannheimer Stadtrat und Grafik-Designer. Wo liegen Ihre Prioritäten?
Fontagnier: Nun, würde ich den Job als Grafik-Designer nicht machen, könnte ich das andere alles nicht finanzieren. Viel Geld, dass ich dort verdiene stecke ich hier immer noch rein. In Zeit bemessen werden es schon gut 30 Stunden sein, die ich in der Woche für das cafga arbeite.
„Die Motivation weiterzumachen ist prinzipiell da.“
Wie fühlt es sich an jetzt noch hier zu sein? Jetzt, da Sie wissen, dass die Ära im Jungbusch-cafga definitiv bald zu Ende ist?
Fontagnier: Ich habe gemischte Gefühle. Eigentlich komme ich mittlerweile relativ ungern her. Bei Veranstaltungen beispielsweise, wenn der Laden voll und die Stimmung gut ist, tut das schon ein bisschen weh. Weil ich weiß, das gibt es nur noch ein paar Mal. Auf der anderen Seite, haben wir uns damals überlegt, dass wir das Schiff nochmal richtig hoch fahren. Also nicht vorzeitig den Betrieb einstellen, sondern den Mietvertrag bis zum Ende ausschöpfen. Und das werden wir jetzt auch tun. Mit tollen Bands und hoffentlich vielen Besuchern.
Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen, an welche Momente erinnern Sie sich?
Fontagnier: Einer der schönsten Momente war eigentlich, als wir damals den Mietvertrag unterschrieben hatten und anfingen zu bauen. Im April 2009 haben wir eine Baustellen-Party gemacht. Ein bisschen naiv haben wir mit zehn Kisten Bier und Limonade losgelegt und nach einer halben Stunde war alles weg. Es war eine gigantische Stimmung. Die Leute hatten tierischen Spaß, trotz Baustelle. Da wusste ich: Okay, hier kann man was machen. Schön war auch immer der Nachtwandel. Wenn auch sehr, sehr anstrengend. Aber da ist hier einfach richtig heftig was los, eine tolle Atmosphäre und wir mit dem cafga mitten im Auge des Taifuns.
Wie gestalten Sie Ihre persönliche Zukunft?
Fontagnier: Also mir darf es nicht passieren, dass ich mich langweile. Das hatte ich schon mal und fand es ganz furchtbar. Seitdem mache ich eigentlich sogar immer mehrere Sachen gleichzeitig, damit mir das ja nicht mehr passiert. Wenn von drei Sachen eine wegfällt, habe ich immer noch zwei, um die ich mich kümmern muss. Es wird natürlich zunehmend anstrengender, aber die Politik will ich auf gar keinen Fall aufgeben. Das macht Spaß, da kann man was bewegen. Da habe ich jetzt aber keine höher liegenden Ziele, wie Bundestag oder Landtag. Ich fühle mich wohl in Mannheim, mische die Stadt gerne auf. Im August werde ich außerdem Opa, das wird auf jeden Fall auch nochmal spannend.
Alle Infos rund um die letzten Monate im Jungbusch-cafga sowie das cafga am Schillerplatz finden Sie unter www.cafga.de.
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