Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Dezember 2013. (red/pro) Der Auftritt der südtiroler Rechtsrock-Combo „Frei.wild“ in der Alten Seilerei in Mannheim Anfang des Monats hat zu einer erheblichen Kontroverse geführt. Stadträte, das Jugendforum und andere haben sich gegen den Auftritt positioniert – auch gegen Auftritte von rechten Bands bei anderen Veranstaltern. Wir haben ebenfalls dazu berichtet und bei der Recherche einen äußerst negativen Eindruck vom Geschäftsführer der Alten Seilerei, Christian Lömmersdorf, gewonnen: Aggressiv. Drohend. Überheblich. Und sind überrascht, wie er auf eine einfache Bitte reagiert. Lesen Sie seinen Ausbruch und unsere Antwort hier dokumentiert.
Von Hardy Prothmann
Eigentlich kommt die Alte Seilerei als Werbekunde für uns in Frage. Veranstalter brauchen Öffentlichkeit und schalten deswegen Werbung. Nach der Kontroverse über den Auftritt der italienischen Rechtsrock-Kombo „Frei.wild“, die deutsch singt, war klar: Ein Management, das derart unsensibel agiert und einer Gruppe mit völkisch-nationalen Liedinhalten eine Bühne bietet, lehnen wir ab. Nicht nur inhaltlich, sondern auch geschäftlich.
Der Geschäftsführer, Herr Christian Lömmersdorf, hat sich in einer Weise produziert, die einfach nur abstoßend war. Bislang hatten wir den Veranstaltungsnewsletter der Alten Seilerei bezogen. Über die Alte Seilerei und Veranstaltungen dort hatten wir bislang nicht berichtet. Wir kennen Herrn Lömmersdorf nicht. Der einzige Kontakt war eine Interview-Anfrage zum „Frei.wild“-Auftritt, die nicht beantwortet worden ist.
Weil wir Hunderte von Newslettern täglich erhalten, ist jede Zusendung weniger eine Entlastung, sowohl redaktionell als auch technisch, da die angehängten Plakate meist mehrere Megabit groß sind. Deswegen haben wir freundlich um Löschung unserer Daten gebeten. Die Reaktion von Herrn Lömmersdorf zeigt, wie richtig diese Entscheidung ist.
Wir dokumentieren unsere Bitte, die Reaktion und unsere Antwort.
Unsere email vom 19. Dezember 2013 23:42
Guten Tag!
Wir möchten nicht in Ihrem Verteiler sein, solange Sie Bands wie Freiwild veranstalten und dies derart widerlich rechtfertigen und bitten um Löschung der Daten.
Mit freundlichem Gruß
Hardy Prothmann
Antwort von Herrn Lömmersdorf vom 20. Dezember 2013 00:44
Sehr gut mit einer solchen Einstellung möchten wir bei Ihnen auch namentlich nicht erwähnt werden!
Selbst der Mannheimer Morgen, die ARD und der Spiegel fanden dieses Konzert nicht falsch – jetzt kommen Sie?
Schon klar, Sie scheinen journalistisch hoch wertvoll zu sein und eines mag ich Ihnen jetzt schon ans Herz legen: Sollte für diese Mail keine „Entschuldigung“ kommen sperre ich Sie herzensgerne ein Leben lang für all unsere Produktionen, auch bei solchen wo wir nur als „Teilhaber“ auftreten!
Kurz zur Erklärung: Lassen Sie Freiraum für künstlerische Freiheiheiten und hören Sie bitte auf solchen Vorverurteilungen nachzugehen und solche zu verfolgen!
Liebe Grüße mit voller Überzeugung vom homosexuellen der den Christopher Street Day in Mannheim in`s Leben gerufen hat und dessen Freundeskreis aus 80% nicht deutschen Staatsangehörigen (übrigens die Hälfte davon nicht einmal deutsch sprechend) besteht (von denen übrigens 50% auf dem Konzert waren)…
Christian Lömmersdorf
P.S.: Sollte keine „Rechtfertigung“ / „Entschuldigung“ zu dieser eMail kommen spreche ich Ihnen und allen mit Ihnen zusammen arbeitenden Organisationen Hausverbot aus, wobei ich mich sicherlich nicht scheuen werde dies auch ausführlich zu argumentieren!
Christian Lömmersdorf
geschäftsführender Gesellschafter
Unsere aktuelle Antwort
Herr Lömmersdorf,
jeder Mensch, der sich interessiert und ein Bisschen Verstand hat, weiß, dass „Frei.wild“ dunkle, dumpfe bis bösartige Gefühlsecken bedient. Es wird völkisch-national getümelt, Gewalt verherrlicht, und ein „Wir gegen alle, die nicht die Wahrheit kennen“-Image aufgebaut. Man hat Feinde, gegen die man gemeinsam kämpft, alle anderen sind Vollidioten. Das weckt Gefühle, die viele in sich haben. Die Frage ist, welchen Raum man dem gibt.
Sie sind jemand, der Raum gibt. Ich ebenso. Allerdings sind unsere Haltungen, wie wir das tun, grundsätzlich verschieden. Ich führe Ihnen das aus.
Sie verweisen auf einzelne Medien ohne Quelle und scheinen nicht zu wissen (oder wissen zu wollen), dass die negativen Aspekte zu „Frei.wild“ in Hunderten von Berichten überall im Land von mehr oder weniger allen politisch-orientierten Medien thematisiert worden sind. Was kaum aufgegriffen worden ist, weil es scheinbar so verwunderlich ist: Die Inszenierung der Band gegen Nazis zu sein. Was von manchen leichtgläubig als „Beleg“ für „nicht-rechts-sein“ verstanden wird, ist ein erfolgreicher Marketing-Trick. „Selbstverständlich“ sind Südtiroler wie „Frei.wild“ gegen Nazis und gegen Faschisten – die Region musste sowohl unter Mussolini als auch unter Hitler enorm leiden. Südtirol als Region war ein Verlierer, kein Profiteur von Faschismus und Nationalsozialismus.
Und selbstverständlich gibt es auch dort „Rechte“ – sogar auffallend viele. Man ist „erzwungen“ Italiener, will das aber nicht sein, war mal österreichisch und eigentlich weiß man gar nicht, wer man wirklich ist, weil verschiedene Völker sich hier angesiedelt haben oder hängengeblieben sind. Ein Volk der Südtiroler gibt es nicht. Wohl aber einen Nationalismus.
Sänger Philipp Burger beschwört ein „kleines Volk, das unterzugehen droht“ – und sich natürlich wehrt. Gegen wen? Irgendwelche andere halt. Alle, die „das“ (was auch immer) nicht verstehen wollen. Abgesehen davon ist der Mythos eine Lüge – die Südtiroler haben jede Menge „Sonder-Regelungen“, die andere italienische Provinzen nicht haben. Das ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Problem, kein Italiener sein zu wollen.
„Frei.wild“ ist vordergründig keine Nazi-Combo alten Zuschnitts. Mindestens der Sänger aber hat eine rechtsextreme Vergangenheit und bezeichnet diese heute als „Jugendsünde“. Trotzdem schrammen die Texte bis heute hart an Gewaltverherrlichung und rechtsextremen Aussagen vorbei. Eine „Läuterung“ geht anders.
Die Provokation ist wohl kalkuliert, wie die gesamte Marke „Frei.wild“. Die Band vermarktet sich in dieser Nische sehr erfolgreich, auch wenn das Publikum vorwiegend aus jungen Männern vom Teenie bis Ende 20 bestehen dürfte. Vermutlich ist die Band an einer Grenze angelangt – Sie öffnen Ihr Haus und „Frei.wild“ kann im Konzert mit vielen anderen tollen Künstlern auftreten.
Sie entscheiden damit, dass diese Band mit ihren Inhalten so gut ist wie alle anderen Künstler, die bei Ihnen auftreten dürfen. Die Sie bei sich im Haus haben wollen.
Die Band behauptet, nicht politisch zu sein – paradox? Natürlich ist die Band politisch – sie redet ja über nichts anderes. Nicht der „Rumpelrock“ und seine „Ästhetik“ und „Qualität“ wird debattiert, sondern die politische Positionierung und Dimension dieser Art von Musik aus der „Grauen Zone“.
Dass es in Teilen der Bevölkerung ein Bedürfnis nach solcher „Kunst“ gibt, ist unbestritten. Auch Ihre Kasse war ja schnell voll, die Karten gingen weg wie warme Semmeln.
Die rechtsradikale Musik-Szene ist sehr fragmentiert. Es gibt Bands und Inhalte, die rechtsstaatlich verboten sind, weil sie zu viele Rechtsgüter verletzen, die die Grenzen der Meinungsfreiheit sprengen. Dann gibt es einen Haufen Zeugs, dass im Kleinen dahindümpelt und es gibt nach den kommerziell erfolgreichen Böhsen Onkelz jetzt „Frei.wild“, die diese Schiene bedienen.
Es wird ein jugendlicher Protest-Kult aufgebaut mit der einfachen Lösung eines „Wir-Gefühls“ – gegen andere. Der Weg von „Frei.wild“ ist nicht Gemeinschaft von vielen, Kommunikation und Frieden, sondern der Kampf gegen vermeintliche Feinde.
Wer die anderen sind, gegen die man ist, lässt „Frei.wild“ bewusst offen. Jeder kann sich selbst meinen, was gemeint ist. Fest steht, man meint die „Vollidioten“ und „Feinde“, die man bis zum letzten Blutstropfen bekämpft. Das macht die Band gefährlich, ebenso wie eine zunehmend schon nahezu „selbstverständliche“ Argumentation: „Ich bin zwar nicht gegen Ausländer, aber ich finde schon, dass es in Mannheim zu viele Bulgaren und Rumänen gibt. Mit Türken habe ich meistens kein Problem.“
Selbstverständlich sind solche „Argumentationen“ klar fremdenfeindlich. Nur weil man sich „tolerant“ gegen eine Gruppe zeigt, rechtfertigt das keine Intoleranz gegen andere. Und selbstverständlich ist die Angst vor dem Fremden Teil der Gesellschaft. In jedem Menschen schlummert vom Wohltäter bis zum Totschläger die gesamte Bandbreite menschlichen Seins. Mit allen Tiefen und Höhen. Niemand kommt als „Gutmensch“ oder „Schlechtmensch“ auf die Welt. Das Leben entwickelt sich.
Die Gesellschaften entwickeln und ordnen sich ihre Weltbilder und Orientierungen. Und dank der in Deutschland grundgesetzlich verfassten Meinungs- und Kunstfreiheit gibt es einen sehr großen Raum, den man gestalten kann. Auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann auch eine norditalienische Deutschrock-Band wie „Frei.wild“ ihren Raum einnehmen – auch, wenn sie so tut, als sei das nur durch große Opferbereitschaft (Mythos des einsamen Helden) möglich.
Sie als „Verfechter“ der Kunstfreiheit sind das beste Beispiel gegen diesen Mythos, ebenso wie Rockland Radio und andere Medien, die die Band gepusht haben. Mit Blick auf die Verkaufszahlen und der nüchternen Kalkulation, ob das „Geschäft“ attraktiv genug ist, um auch mögliche Diskussionen auszuhalten.
Indem Sie das tun, werden Sie auch Teil dieses Raums und mitverantwortlich. Sie wollen allerdings am Raum Geld verdienen, aber keine Verantwortung tragen. Und Sie reagieren erstaunlich konform zu „Frei.wild“ und deren „Weltbild“: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Sie möchten vielleicht wissen, warum ich Ihre Rechtfertigungen außerordentlich widerlich finde. Insbesondere deshalb, weil Sie ein Opportunist sind, durch und durch und sich darüber hinaus nicht scheuen, blöde Begründungen anzubringen. Was bitte hat Ihr Schwulsein und der Christopher Street Day mit einer Band wie „Frei.wild“ zu tun? Seit wann ist schwul sein politisch? Seit wann ist es politisch, deutsch, französisch oder griechisch zu sein?
Der gesellschaftliche Umgang mit „wer was ist oder sein darf“ ist politisch, aber sicher nicht die eigenen sexuellen oder weltanschaulichen Orientierungen. Es ehrt Sie, wenn Sie sich für eine Anerkennung von Schwulen eingesetzt haben. Es ehrt Sie aber nicht, wenn Sie sich für die Anerkennung einer Rechtsrock-Combo einsetzen.
Wollen Sie wirklich behaupten, Sie verteidigten die „Kunstfreiheit“, indem Sie einer solchen Gruppe eine Bühne geben? Das erinnert mich ein wenig an das NPD-Gewäsch, das sich gerne auf die Meinungsfreiheit für fremdenfeindliche und extremistische Aussagen beruft. Freiheit der Kunst und der Meinung heißt nicht, alles zuzulassen, Herr Lömmersdorf. Ihre Sicht von Freiheit und von Kunst ist ordinär.
Sie handeln sogar so widerlich, den langen Kampf von Menschen hin zu Akzeptanz für Ihre geschäftlichen Interessen zu vereinnahmen und jemanden, der mit Ihrer Sicht der Dinge nicht einverstanden ist, mit einem Bann zu belegen.
Sie drohen mit Hausverbot. Das klingt zunächst vielleicht lächerlich. Das ist es aber nicht. Tatsächlich drohen Sie der Kunstfreiheit, die Sie zuvor zu verteidigen vorgegeben haben. Meine Kunst ist, frei zu recherchieren, Informationen frei zu bearbeiten und frei zu veröffentlichen. Und Sie bedrohen diese Freiheit mit Ausschluss, während Sie einer Band wie „Frei.wild“ eine Bühne geben.
Sie drohen nicht nur mir und meinen Mitarbeitern, sondern jeder „Organisation“, die mir mir oder „uns“ zu tun hat. Ganz wie „Frei.wild“. Sie erklären mich und alle, die mit mir zu tun haben, zum Feind.
Sie drohen vordergründig banal mit einem „Hausverbot“ – in Wirklichkeit mit dem Schlimmsten, was man sich im menschlichen Zusammenleben vorstellen kann. Die Verweigerung von Gastfreundschaft und Auseinandersetzung – also Kritik. Willkommen in der Welt der neuen Wut.
Sind Sie eigentlich noch bei Verstand? Spüren Sie noch was?
Es wundert mich angesichts Ihrer email überhaupt nicht mehr, dass „Vollidioten“ wie „Frei.wild“ bei Ihnen gerne und offen empfangen werden.
Opportunisten haben übrigens keinen bestimmten Sexus, keine bestimmte Nationalität und schon gar keinen bestimmten Glauben. Es können Norditaliener oder Schwule oder beides sein. Es gibt sie bei den Heteros den, Katholen, Evangelen, Moslems oder Juden und was die Welt sonst noch so an Religionen zu bieten hat. Opportunisten bleiben aber immer auf den eigenen Vorteil bedachte Wendehälse.
Früher war das die „Masse“ – heute ist die Welt größer, aber auch viel kleinteiliger. Entsprechend gibt es einen kleinteiligeren Opportunismus. Und darunter die verschiedensten Gruppierungen.
Sie, Herr Lömmersdorf, bekennen sich zu „Frei.wild“, haben sich für deren „Kunst“ ins Zeug geworfen und an deren Auftritt ordentliches Geld verdient. Das dürfen Sie. Und ich sowie die Leser/innen dürfen sich über Sie, Herr Lömmersdorf, unsere eigene Meinung bilden. Leser/innen, die „Frei.wild“ gut finden, dürfen selbstverständlich Ihre Meinungen bei uns äußern – sofern sie unseren Regeln entsprechen.
Eigentlich wurden Sie, Herr Lömmersdorf, von mir einfach nur gebeten, uns nicht mehr mit Ihrem Newsletter zu belästigen. Ihre Reaktion spricht Bände. Aggressiv. Drohend. Überheblich.
Ihnen, Herr Lömmersdorf, kann ich nur zurufen: Es lebe die Kunstfreiheit. Und es lebe der Anstand, diese verantwortungsvoll zu gestalten und mitzuverantworten. Dabei geht es, neben allen Zwängen des Geschäftslebens auch um Haltung. Und die Frage, mit wem man Geschäfte macht.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
P.S. Zu den Organisationen, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten und die künftig ebenfalls Hausverbot bei Ihnen haben, orientieren Sie sich bitte an unseren Artikeln und all den dort vorkommenden Menschen, mit denen wir zu tun haben und die gerne mit uns „zusammenarbeiten“. Es steht Ihnen natürlich frei, alle in Sippenhaft zu nehmen und mit Ihrem Bann zu belegen.
Und zu Ihrer Ankündigung: „wobei ich mich sicherlich nicht scheuen werde dies auch ausführlich zu argumentieren!“ sind Sie zur Antwort eingeladen. Wir werden diese unzensiert veröffentlichen.