Rhein-Neckar, 17. Februar 2017. (red/pro) Polizeidirektor Dieter Schäfer hat es heute auf einer Pressekonferenz zum Sicherheitskonzept während der „närrischen Tage“ deutlich gemacht. Die Leute dürfen und sollen Spaß haben, aber die Grenze zu „Schluss mit lustig“ ist klar definiert. Wer mit der Angst der Menschen spielt und das für „schwarzen Humor“ hält, bekommt nicht nur Probleme, sondern bringt unter Umständen sich und andere ganz schnell in Lebensgefahr.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wir stellen uns einen als Araber verkleideten Fasnachter vor, der einen Bombengürtel trägt oder einen Rucksack unter „Allahu Akbar“-Rufen in die Menge wirft. Nicht vorstellbar? Gabs schon, als „Dumme-jungen-Streich“. Der 13-Jährige war zwar nicht verkleidet, aber er hat gerufen und einen Rucksack geworfen. Das war am 20. Dezember 2016 gegen 11:30 Uhr.
Weil die Situation offensichtlich war, ist bis auf den Schreck nichts weiter passiert. Etwas andere Umstände, ein Mann statt ein Junge und aus so einem Scherz entwickelt sich binnen Augenblicken eine lebensgefährliche Situation für alle Beteiligten.
Im Zweifel wird scharf geschossen
Die deutsche Polizei ist nicht schießwütig. Aber Polizeibeamte haben aus guten Gründen eine durchgeladene 9-Millimeter mit bis zu 17 Schuss im Holster, die nach dem Ziehen direkt schussbereit ist. Die Polizei hat als Schutzmacht das Gewaltmonopol und Polizeibeamte setzen die Waffe auch ein, wenn sie von einer Bedrohungslage ausgehen müssen.
Insbesondere in Zeiten einer „abstrakten Terrorgefahr“ ist also von üblen Scherzen dringend abzuraten. Kein Beamter will schießen. Jeder Beamter ist sich der Lage bewusst. Nach jeder Schussabgabe gibt es ein Ermittlungsverfahren und es wird genau geprüft, ob der Schusswaffeneinsatz rechtmäßig war oder nicht.
Toter Geiselnehmer hatte nur Anscheinswaffen
Erinnern Sie sich an die Geiselnahme von Viernheim? Der Mannheimer Täter hatte im Kinopolis Geiseln genommen und diese mit „Anscheinswaffen“ bedroht. Zuvor hatte er aus einer Schreckschusspistole gefeuert. Ein Spezialeinsatzkommando stürmte das Kino und ein Beamter hat den 18-Jährigen erschossen. Der Beamte hat richtig gehandelt, denn die Anscheinswaffen sehen aus wie echte Waffen und im Zweifel einer solchen Ausnahmesituation wird zuerst geschossen und „dann gefragt“.
Kino ist Kino – die Realität ist anders
Was viele nicht wissen: Selbst für im Schießen äußerst geübte Beamte ist es extrem schwer, sehr präzise Schüsse abzugeben. Insbesondere dann, wenn der Beamte und die Zielperson in Bewegung sind. Was Sie aus dem Kino kennen, wenn Action-Helden scheinbar mühelos in vollem Lauf ein Waffe aus der Hand schießen oder einen Beinschuss setzen oder ganz gezielt nur die Personen treffen, die sie treffen wollen, ist genau eins: Fiction. Das hat nichts mit der Realität zu tun.
Was hingegen Realität ist: Die Beamten sind darauf geschult, so lange zu schießen, bis vom potentiellen Gefährder keine Gefahr mehr ausgeht. Diesen Fall hatten wir in Ludwigshafen vergangenes Jahr, als ein Mann zwei Polizeibeamte angegriffen hat, einen schwer verletzte und sein Kollege insgesamt sieben Körpertreffer benötigte, um den Aggressor zu stoppen. Der Mann verstarb einige Stunden später nicht an einem Kopfschuss oder einem Treffer ins Herz, sondern an inneren Blutungen. Die „Mann-Stopp-Munition“ durchschlägt den Körper nicht wie Vollmantelgeschosse, sondern pilzt auf und wirkt wie sehr schwere Treffer mit einem Knüppel. Dabei wird Gewebe zerrissen. Je mehr Treffer, umso mehr auch blutführende Körperteile, die kein Arzt mehr zusammenflicken kann.
Die Grenze zwischen Spaß und ernst ist dünn und im Zweifel tödlich
Es ist auch keine gute Idee als „Indianer“ mit einem echten Beil oder als „Ritter“ mit echtem Schwert oder als „Eingeborener“ mit wuchtiger Machete aufzutreten. Insgesamt ist es keine gute Idee mit irgendetwas aufzutreten, was für „echt“ gehalten werden könnte. Wer eine solche Situation heraufbeschwört handelt grob fahrlässig und muss damit rechnen, dass Schusswaffen gegen ihn eingesetzt werden.
Die Polizeibeamten sind gut ausgebildet. Auch dafür, die Nerven zu behalten. Die Hand an der Waffe, auch eine gezogene Waffe und selbst eine in Anschlag gebrachte Waffe gibt es häufiger als viele denken – gegenüber echten oder vermeintlichen Kriminellen oder aggressiv auftretenden Personen. (Lesen Sie hierzu unseren Hintergrundbericht.) Im Verhältnis dazu sind Schussabgaben verschwindend gering. Aber eben doch möglich, wie in Dossenheim im vergangenen Jahr, als ein Beamter einen aggressiven Mann mit einem glücklichen Schuss ins Bein stoppte.
Leider müssen wir einen solchen Appell schreiben, weil es genug Leute gibt, die nicht überblicken, wie schnell aus „Spaß“ tatsächlich „Ernst“ wird. Auch Freunde und Bekannte sind in der Pflicht, Personen , die sie kennen, im Blick zu haben und von wirklich blöden Ideen abzuhalten.
Wir wünschen eine lustige Fasnacht ohne Stress.