Mannheim/Karlsruhe, 16. Juli 2018. (red/pro) Rund 500 Bürger kamen vergangenen Freitag zu einer Informationsveranstaltung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ins John-Deere-Forum, um sich zur Ertüchtigung des Rheinhochwasserdamms im Süden Mannheims zu erkundigen – bei der Mehrheit herrschte teils aggressives Misstrauen.
Von Hardy Prothmann
„Die wolle den total Kahlschlag“, murmelt eine ältere Dame. „Was Sie hier vortragen ist eine Frechheit“, ruft ein anderer durch den Saal. „Sie wollen uns auf den Arm nehmen. Sie lügen doch“, schimpft einer und bekommt viel Applaus.
Rund 500 Teilnehmer
Rund 350 Personen haben einen Sitzplatz, weitere 150 stehen. Die Stimmung ist geladen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe will den knapp vier Kilometer langen Rheinhochwasserdamm XXXIX sanieren – und dafür weit über 1.000 großstämmige Bäume fällen, insgesamt könnten es mehrere tausend Bäume sein. Auf einem zwischen 35 und 55 Meter breiten Streifen soll der Damm baumfrei werden. Und das bringt die Volksseele zum Kochen – man wollen nicht einsehen, dass Bäume die „Dammverteidigung“ massiv beeinträchtigen, sprich, ein erhebliches Sicherheitsrisiko sind.
„Niemand will Bäume fällen, aber das muss sein, um den Damm sicher zu machen“, sagt Armin Stelzer, zuständiger Referatsleiter und Geschäftsführer des Landesbetriebs Gewässer. Mehrere beteiligte Planer referieren zum Bauwerk und Ausgleichsmaßnahmen, nachdem die grüne Bürgermeisterin Felicitas Kubala die Bürger begrüßt hatte: „Ich versichere Ihnen, dass wir Ihre Sicht sehr ernst nehmen.“
„Der Damm ist ein technisches Bauwerk“
Fast 1.000 Kilometer Dammbauwerk müssen in Baden-Württemberg ertüchtigt werden, der vier Kilometer lange Abschnitt in Mannheim hat zusammen mit einem Projekt in Karlsruhe allerhöchste Priorität: „Das ergibt sich aus dem schlechten Zustand des Damms und einer denkbaren Schadenslage. Drei Stadtteile könnten bei einem 200-jährigen Hochwasser bis zu vier Meter hoch überflutet und im Wasser stehen“, sagt Stelzer. „Aus Ihrer Sicht ist das ein gewachsenes Naherholungsgebiet. Es ist und bleibt aber ein technisches Bauwerk.“
Die teils wütenden, meist älteren Bürger wollen das nicht gelten lassen. In Neuss und beim Störkanal (Schwerin) seien Bäume schließlich auch erhalten worden. Fakten interessieren die wenigsten: Beide Dämme wurden vor der 2013 erneuerten und maßgeblichen DIN 19712 saniert, in die Erkenntnisse nach den Hochwassern an Elbe und Donau eingeflossen sind. Danach ist die frühere Sicht, dass Baumwurzeln Dämme stabilisieren, ins Gegenteil verkehrt: Wurzelteller bewegen bei Starkwinden das Erdreich, bilden so entlang der Wurzeln Sickerkanäle und reißen im Fall einer Entwurzelung große Löcher in den Damm. Zudem können sie auf den Damm stürzen und dabei das Leben von Arbeitern gefährden und die Anfahrt von Fahrzeugen zur Dammverteidigung unmöglich machen. Auch Zahlen machen die Unterschiede deutlich: Am Störkanal drücken 6 Kubikmeter pro Sekunde Hochwasserabfluss, am Rhein 5.400 (Pegel Speyer).
Rund 2.600 Euro den Meter kostet der Damm als Erdbauwerk, kommen Spundwände zum Einsatz, erhöhen sich die Kosten um 2.000 Euro. „Wir sind verpflichtet, mit Steuermitteln sparsam umzugehen“, sagt Herr Stelzer. Die Spundwände ermöglichen ein schmaleres Profil des Damms und kommen vor allem dort zum Einsatz, wo durch die Wohnbebauung 55 Meter Breite des Damms nicht möglich sind. Sie sind also schon ein Kompromiss, denn sonst müsste in Grundstücke eingegriffen werden, was sicher erheblich mehr Widerstand bei den überwiegend gut betuchten Anwohnern erwarten ließe.
Zudem benötigt der Damm einen „Verteidigungsweg“, auf dem schwere Fahrzeuge Material heranschaffen können. Diese „Berme“ liegt landseitig. Teils reicht der Platz nicht aus, so dass der Verteidigungsweg auf der Dammkrone liegen muss, was eigentlich zu vermeiden ist.
Der Damm erhält eine Begrünung. Insgesamt sind sieben Hektar Fläche betroffen, wovon am Ende fünf baumfrei sein werden. Der sanierte Damm soll die Stadtgebiete am Rhein für 80-100 Jahre vor einem „200-jährigen Hochwasser“ schützen, insbesondere in Kombination mit einem Starkwindereignis.
Der Eingriff in die Natur wird ausgeglichen werden, unter anderem durch Aufwertungen auf der Reiß-Insel.
BIG treibt das Misstrauen
Insbesondere die Mitglieder der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof (BIG) glauben die Sicht der Planer nicht. In einer abschließenden Podiumsrunde trägt der Sprecher Wolf-Rainer Lowack vor: „Das Vertrauen in das Regierungspräsidium ist nicht gegeben. Wir akzeptieren das in Auftrag gegebene Gutachten des KIT Karlsruhe nicht und fordern ein unabhängiges Gutachten.“
Bürgermeisterin Kubala stellte ein solches in Aussicht, wenn nach dem KIT-Gutachten noch Fragen offen wären. Im Anschluss an die fast vierstündige Veranstaltung mit Vorträgen und Diskussionsteilen, bei denen mehrere Dutzend Bürger zu Wort kamen, informierten die Planer an Ständen zu Teilbereichen des Projekts. Da waren nur noch rund 100 Personen anwesend.
Info: Rund vier Kilometer Damm sollen im Mannheimer Süden vom Großkraftwerk Mannheim-Neckarau bis Speyerer Straße in vierjähriger Bauzeit abschnittsweise saniert werden. Die Dammstrecke wurde in sechs Bauabschnitte aufgeteilt: Großkraftwerk (1), Sportanlagen (2), Dammbegradigung (3), Kleingärten (4), Wohnbebauung (5) und Stadt Mannheim (6). 12,5 Millionen Euro kostet das Projekt. Fast zwei Kilometer werden mit Spundwänden verstärkt, was eine „schmalere Bauweise“ ermöglicht. Über 1.000 Bäume müssen gefällt werden. Wegen Ausschreibungs- und Planungsfristen könnte etwa ab 2021 begonnen werden. Die Bauzeit soll vier Jahre betragen.