Mannheim, 15. März 2018. (red/pro). Ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichts Karlsruhe zwischen beamteten Feuerwehrleuten und der Stadt soll durch einen Vergleich beendet werden. Das hat am Dienstag eine Mehrheit im Hauptausschuss beschlossen. Damit dürfte dies auch kommende Woche im Gemeinderat beschlossen werden. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sieht diese Entscheidung nach wie vor kritisch, wird aber einem entsprechenden Beschluss nicht rechtlich widersprechen.
Von Hardy Prothmann
Zwischen 2001 und 2005 hatten 226 Feuerwehrleute unstreitig Überstunden geleistet, für die sie nicht bezahlt worden waren. Einige klagten deshalb. Insgesamt geht es um Leistungen von rund vier Millionen Euro. Das Verwaltungsgericht hatte einen Vergleich vorgeschlagen, 25 Prozent der geforderten Summe, also rund eine Million Euro als Zahlung oder mit Freizeitausgleich zu erstatten. Diesem Vergleich muss bis 05. April zugestimmt werden.
Der Streit ums Geld
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), promovierter Verwaltungsjurist und früher selbst Verwaltungsrichter, wollte es auf eine Entscheidung ankommen lassen:
Es gibt höchstrichterliche Beschlüsse, dass der Dienstherr verpflichtet ist, verjährte Forderungen nicht einzulösen.
Weiter erläuterte er im “Stadthausgespräch”:
Das Vergleichsangebot deutet darauf hin, dass das Gericht eher zugunsten der Stadt entscheiden würde.
(Anm. d. Red.: Seit gut zwei Jahren lädt der OB vor den Gemeinderats- und Hauptausschusssitzungen Medienvertreter zum “Stadthausgespräch” ein. Hier stellt er die aktuellen Tagesordnungspunkte vor und die Journalisten können Fragen stellen. Meist nehmen Vertreter der Tageszeitungen Mannheimer Morgen und Rhein-Neckar-Zeitung, der SWR und das RNB teil. Wir betrachten dieses Angebot als sehr guten Service, weil man kompakt tiefer in die Materien einsteigen kann. Teils haben wir aber den Eindruck, dass manche Kollegen irgendwie nicht bei der Sache sind.)
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2001 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass höchstens 48 Stunden als Arbeitszeit vereinbar seien. Danach war unklar, ob das auch für Beamte der Feuerwehr gilt. 2005 folgte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass den EUGH bestätigte.
Eine breite Mehrheit der im Gemeinderat vertretenden Parteien und Wählerlisten forderte einen nachträglichen Ausgleich für die Feuerwehrleute, “die sich für andere einsetzten”.
Rechtsstaatliche Position als “schäbig” bezeichnet
Die Haltung des OB ist eindeutig:
Es geht hier nicht um moralische Deutungen, sondern um Recht und Gesetz.
Eine Zeitung bezeichnete die Position der Stadt sogar als „schäbig“ – was der Dr. Kurz im Stadthausgespräch mit allem Nachdruck strikt zurückwies. Offenbar hatte ihn diese Kommentierung persönlich aufgebracht.
Er habe geprüft, ob er entsprechenden Beschlüssen auf Ausgleich des Gemeinderats laut Gemeindeordnung entgegen treten müsste. In der Gemeindeordnung Baden-Württemberg ist in § 43, 2 festgelegt:
Der Bürgermeister muß Beschlüssen des Gemeinderats widersprechen, wenn er der Auffassung ist, daß sie gesetzwidrig sind; er kann widersprechen, wenn er der Auffassung ist, daß sie für die Gemeinde nachteilig sind.
61.500 nicht entlohnte Arbeitsstunden
Dies sei hier grundsätzlich der Fall, um einen finanziellen Schaden von der Stadt abzuwenden. Nach Auffassung der Stadtverwaltung, darunter Kämmerer Christian Specht (CDU), ist der Anspruch verjährt. Insgesamt geht es um 61.500 nicht entlohnte Arbeitsstunden von 226 Feuerwehrbeamten (in verschiedenen Besoldungsstufen) im benannten Zeitraum. Durchschnittlich habe die Wochenarbeitszeit nicht bei 48, sondern bei rund 53 Stunden gelegen.
Andererseits, führte Dr. Kurz aus, drohe auch ein Schaden für die Stadt durch einen beschädigten „Betriebsfrieden“. In der Abwägung sei er zu der Auffassung gelangt, dass eine Vergleichszahlung zwar einen Schaden darstelle, damit aber der Betriebsfrieden als wichtiges Ziel erreicht werde. Aus dieser Abwägung heraus werde er entsprechenden Anträgen und Beschlüssen nicht widersprechen, auch, wenn er sie für falsch hält. Ob die Bezahlung rechtswidrig wäre und damit nicht stattfinden könne, müsse das Gericht entscheiden. Aufgrund früherer Urteile komme er zu der Auffassung, dass dies der Fall ist.
Nicht nur ein Mannheimer Thema
Auf Nachfrage des RNB bestätigte er, dass die Entscheidungsfindung auch Thema im Kreis der Kollegen des Städtetags gewesen sei:
Selbstverständlich tauschen wir uns als kommunale Arbeitgeber über solch wesentliche Themen aus.
Ein Urteil wie ein Vergleich könnten nämlich Auswirkungen in anderen Kommunen haben.
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Verschiedene Gemeinderäte mahnten, die Stadt stehe als sozialer Arbeitgeber in der Pflicht – bei Verweigerung der Zahlung drohe ein öffentlicher Schaden. Dem hielt Kurz entgegen:
So einfach ist das nicht. Damals waren andere Zeiten und die Rechtslage war unklar.
Man konnte zudem nicht umgehend auf das Urteil des EUGH reagieren, denn „Feuerwehrleute muss man ausbilden, die sind über den freien Markt nicht zu erhalten.“ Aktuell beschäftigt die Stadt rund 270 Feuerwehrbeamte, die von 300 freiwilligen Feuerwehrleuten unterstützt werden.
Der Hauptausschuss stimmte den gebündelten Fraktionsanträgen von SPD, CDU, FDP und Freien Wählern mehrheitlich zu, in der kommenden Woche muss der Gemeinderat entscheiden.