Ladenburg/Rhein-Neckar, 12. August 2013. (red/pro) Angeblich steht der Rhein-Neckar-Kreis „mit dem Rücken zur Wand“ – die Zahl der Asylbewerber sei so groß, dass man in höchster Not sei, diese unterzubringen. Vermutlich stimmt das sogar, doch es ist nur die halbe Wahrheit. Seit einigen Monaten wird das Thema „Asylbewerber“ angeheizt. Nicht nur von den üblichen Verdächtigen, Rechtsradikalen und anderen Rassisten, sondern durch „konservative Kräfte“, womit nicht nur die CDU gemeint ist – auch die (rechts-)konservative Presse beteiligt sich an der Anti-Asylanten-Kampgagne. In Ladenburg werden Ende August insgesamt 160 Asylbewerber leben, zum Großteil Familien. Neid- und Schuldkampagnen laufen bereits – und machen Städten wie Ladenburg zusätzlich Druck. Gezielt und nicht aus Versehen. Vor Ort müssen alle Menschen, die Einwohner und die Asylbewerber, damit zurechtkommen.
Von Hardy Prothmann
Landrat Stefan Dallinger (CDU) konnte einem am 02. August echt leid tun. Er und seine Mitarbeiter täten alles, um dem Andrang der Flüchtlinge Herr zu werden. Die Lage sei „angespannt“, man müsse das Grundrecht (Artikel 16a) durchsetzen und auch „außergewöhnlich Schritte“ unternehmen. Deswegen habe der Landrat die Stadt Ladenburg „überrumpelt“ und er sei sehr erfreut, dass Bürgermeister Rainer Ziegler (SPD) seine Solidarität zugesagt habe. 160 Asylbewerber aus Tschetschenien, Syrien, Afghanistan, Iran, Irak und Ex-jugoslawischen Ländern werden nun übergangsweise in der alten Martinsschule untergebracht.
Tschetschenische Terroristen mitten unter uns?
Vergangene Woche beschrieb die Tageszeitung Die Welt (Axel-Springer-Verlag) die Folgen:
Terroristen suchen Asyl in Deutschland
Die Zahl tschetschenischer Asylbewerber in Deutschland steigt stark. Unter ihnen sind führende Köpfe der islamistischen Terrorzelle „Kaukasisches Emirat“. Deutsche Behörden schlagen Alarm.
Es folgt ein ellenlanger Artikel, in dem die Zeitung behauptet, rund 200 islamistische Terroristen aus Tschetschenien seien bereits im Land und weiter:
Die führenden Köpfe des Kaukasischen Emirats in Deutschland sind beinahe allesamt vor nicht allzu langer Zeit als Asylbewerber ins Land gekommen“, sagte ein Verfassungsschützer der „Welt“. Sie sammeln hier teilweise Spenden für den Kampf im Kaukasus oder werben Kämpfer an. Insgesamt agieren sie recht abgeschottet.
Das Landesamt für Verfassungsschutz weiß dazu auf Anfrage nichts zu sagen, ebensowenig das Landeskriminalamt, obwohl die Welt behauptet, das die Tschetschenen längst mafiöse Strukturen aufgebaut hätten:
Unter den Asylbewerbern befinden sich nach Erkenntnissen von Polizei und Verfassungsschutz aber nicht nur radikale Islamisten, sondern auch Mitglieder von Mafiabanden, die unter den Flüchtlingen neue Mitglieder anzuwerben versuchen – nicht selten mit Gewalt.
Verfassungsschutz: „Uns liegen keine solchen Informationen vor.“
Das Bundesamt für Verfassungschutz äußert sich auf unsere Nachfrage kurz, knapp und unmissverständlich:
Uns liegen keine solchen Informationen vor. An diesem Artikel in der Welt ist nichts dran.
Die Frage ist – wie kommt es dazu, dass die Welt gerade jetzt mit einem so umfangreichen Artikel falsche Informationen streut, die Angst und Unsicherheit schüren? Könnte es etwas mit dem anstehenden Wahlkampf zu tun haben? Auch der Landkreistag Baden-Württemberg bezeichnete die gestiegene Zahl der Flüchtlinge als Problem. Der SWR berichtete:
Bei dem starken Flüchtlingszustrom im Moment und dem angespannten Wohnungsmarkt führt das alles fast ins Absurde“, erklärte der Sozialdezernent des Landkreistages, Dietmar Herdes, am Montag
„Absurd“, so muss man den Landkreistag verstehen, sei die Aufstockung des Platzes pro Flüchtling. Aktuell beträgt die gesetzliche Schlaf- und Wohnfläche 4,7 Quadratmeter, ab 2016 sollen es 7 Quadratmeter sein. Das sind für eine fünfköpfige Familie 23,5 Quadratmeter aktuell und später 35 Quadratmeter.
Für den Rhein-Neckar-Kreis bedeutete das ungefähr 280 neue Wohnräume, die „besorgt“ werden müssten. Durch den rasanten Anstieg werde man auch vom Regierungspräsidium unter Druck gesetzt. Freitags soll ein Vertreter den Landrat angerufen haben, um für Montag drauf 50 Personen anzumelden.
Regierungspräsidium korrigiert Landrat Dallinger
Auf Anfrage nimmt das Regierungspräsidium dazu schriftlich Stellung:
Basierend auf entsprechenden Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge informiert das RP Karlsruhe die Unteren Aufnahmebehörden der Stadt- und Landkreise sofort und umfassend über die zu erwartenden Zugangszahlen von Asylerstantragstellern für Baden-Württemberg. Die jüngste Prognose von 10.07.2013 geht von einem monatlichen Zugang in Baden-Württemberg von bis zu 1300 Personen, die vorherigen Prognosen von 19.04.2013 von bis 1100 und vom 06.02.2013 von bis zu 800 Personen monatlich aus.
Der Landrat wird also kontinuierlich informiert? Das Regierungspräsidium schreibt weiter:
Die Stadt- und Landkreise wissen daher bereits seit diesen Zeitpunkten und damit so früh wie möglich, wieviele Personen in nächster Zukunft gemäß ihrer Verpflichtung aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetz zugewiesen werden. Zudem wird basierend auf dem tatsächlichen Monatszugang zum Monatswechsel mitgeteilt, wieviele Personen im folgenden Monat konkret aufzunehmen sind. Die Kreise können und müssen sich darauf einstellen. Überraschungsmaßnahmen „von Freitag auf Montag“ finden nicht statt. Das RP verlegt niemanden „auf Zuruf“. Die Zusammenarbeit mit den Kreisen ist grundsätzlich eng und kooperativ unter Beachtung der Zuständigkeiten und gesetzlichen Verpflichtungen. Im Übrigen führen die Kreise diese gesetzliche Aufgabe in eigener Verantwortung durch.
Über die in Ladenburg untergebrachten Asylbewerber wurde das Landratsamt am 02. Juli 2013 unterrichtet, am 31. Juli kamen die ersten an.
Daten, Fakten, Fragen
Auf Anfrage konkretisiert das Landratsamt die Zahlen. 2013 wurden bis heute 354 Flüchtlinge aufgenommen und in Gemeinschaftsunterkünften vorläufig untergebracht. Über das gesamte Jahr rechne der Kreis mit insgesamt 700 bis 800 Flüchtlingen.
Diese Zahl wiederum ist problematisch. Das Regierungspräsidium geht aktuell von 12.000 Flüchtlingen aus, die in Baden-Württemberg aufgenommen werden. Bei einer Quote von 5,11 Prozent wären das also gut 600 für den Rhein-Neckar-Kreis. Sollten es 800 werden, dann müsste die Gesamtzahl auf rund 16.000 steigen – woher nimmt der Kreis diese Einschätzung? Beide Behörden müssen sich auf Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge stützen.
Aktuell, so der Kreis, sind in den Wohnheimen des Rhein-Neckar-Kreises 675 Flüchtlinge untergebracht. Die Standorte sind Ladenburg, Mühlhausen, Neckargemünd, Sinsheim, Spechbach, Walldorf und demnächst auch Schwetzingen. Unter „größten Bemühungen“ suche man weitere Unterkünfte „im Norden oder Süden“ des Kreises, sagte der Landrat bei einer Begehung der Ladenburger Notunterkunft.
„Explodierende Flüchtlingszahlen“ im Verhältnis betrachtet
Als Grund für die „Notlage“ des Kreises wird die „explodierende Flüchtlingszahl“ genannt. Darauf sei man nicht vorbereitet. Um 86,5 Prozent sei die Zahl der Asylbewerber bundesweit gestiegen. Ein Kreis-Mitarbeiter meinte wörtlich, „die Russen-Welle hat Ähnlichkeiten mit einer Völkerwanderung“. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese Leute die Zahlen kennen, beispielsweise diese: 1992 hat Deutschland insgesamt 432.000 Flüchtlinge aufgenommen. Der aktuelle Anstieg mag im Vorjahresvergleich deutlich sein, im Vergleich zu 1992 sind das weniger als 20 Prozent der damaligen Asylbewerber.
Insgesamt geht man aktuell von rund 80.000 Flüchtlingen aus, die nach Deutschland kommen. Das wäre fast eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Doch reicht das, um den „Notstand“ auszurufen und mit dem Beschlagnahmen von Turnhallen zu drohen, wie es verschiedene konservative Politiker bereits „thematisiert“ haben? Tatsache ist, dass die Flüchtlingszahlen zunächst seit Beginn des Jahrtausends stark vielen und dann wieder anzogen. Kein Wunder, der Bürgerkrieg in Syrien, der Krieg in Afghanistan, die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak macht die Notlage dieser Menschen aus, die ihre Heimaten fliehen, um ihr Leben und vor allem das ihrer Kinder zu retten.
Doch das kann dauern. Die Zahlen aus 2012: Bei 552 Asylbewerbern läuft das Verfahren noch. 16 Personen wurden abgeschoben, 105 Personen sind freiwillig in ihre Länder zurückgereist, 111 „Heimbewohner“ werden geduldet, 12 Personen haben eine Aufenthaltserlaubnis. Das Landratsamt teilt auf Anfrage mit:
Die Zahl der Personen, die Asyl erhalten, differiert je nach Herkunftsland. Bei Personen aus Serbien und Mazedonien gibt es so gut wie keine Anerkennungen, dagegen liegt die Quote der Bleibeberechtigten bei den Herkunftsländern Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Pakistan zum Teil bei über 50 Prozent.
Bis zum 01. Juli 2013 wurden 176 Frauen und 367 Männer untergebracht – ein Viertel etwa sind Kinder.
2012 wurden rund 2,7 Mio € für Sozialleistungen und Unterbringung vom Kreis bezahlt – die Tendenz sei steigend. Der Ausgleich erfolgt durch pauschale Kostenerstattung des Landes für jeden zugewiesenen Asylbewerber. 2012 waren das pro Asylbewerber 11.120 Euro und 2013 pro Asylbewerber 12.270 Euro.
Multipliziert man die 675 Asylbewerber mit 11.120 Euro für das Jahr 2012, dann hätte die Zuweisung durch das Land rund 7,5 Millionen betragen. Diese Diskrepanz der Ergebnisse einer einfachen Multiplikation ließ sich bis heute nicht klären.
Offensichtlich gibt es bei vielen Kreisen keine ausgereiften Pläne, wie plötzliche Zunahmen an Flüchtlingen aufgenommen werden können. Hinter vorgehaltender Hand heißt es:
Die haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und jetzt machen sie Politik damit. Der Kreis weiß, was auf ihn zukommt.
Mieten, Quoten, Soziallasten
Verschärfend wirkten die steigenden Mieten – andererseits habe man sich vielerorts aus dem sozialen Wohnungsbau verabschiedet. Immerhin ist der Rhein-Neckar-Kreis schon auf Geldzahlungen umgestiegen, im Main-Tauber-Kreis protestierten jüngst Flüchtlinge, die nur Essenspakete und andere Sachleistungen erhielten. Sie sollen ab dem nächsten Jahr auch Geld bekommen, um sich selbst zu versorgen.
Mannheim muss 2,97 Prozent aufnehmen und übererfüllt die Quote aktuell mit 54 Menschen zur Entlastung von Karlsruhe. Die Menschen kommen aus Pakistan, Afghanistan, Irak, Indien und der Türkei.
Im Gegensatz zu Heidelberg, das 1,39 Prozent aufnehmen muss. Immerhin ist die Residenzpflicht in Baden-Württemberg entfallen. Doch was hilft es, wenn man sich nirgendwo Arbeit suchen kann. Der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl sagte schon vor einiger Zeit:
Die Soziallasten für Städte und Landkreise können weiter deutlich verringert werden, wenn Asylbewerber und Flüchtlinge endlich früher die Erlaubnis zur Arbeit erhalten. Es würde auch die persönliche Situation der Flüchtlinge deutlich verbessern, von staatlichen Transferleistungen weniger oder gar nicht mehr abhängig zu sein.
Die Aufnahmestelle in Karlsruhe hält 900 Plätze vor. Weitere 800 seien angemietet worden, um einen „Puffer“ zu schaffen, da viele Kreise die Aufnahme beklagten.
Bei Pro Asyl teilt man auf Nachfrage die Einschätzungen der „vorgehaltenen Hände“:
Notstand und Druck sind hausgemacht. Fatal ist: Die Lage wird als Sachzwang dargestellt, es gibt aufgebrachte Debatten, statt einem klaren Bekenntnis zum Flüchtlingsgesetz. Die Darstellung „der arme Bürger ist das Opfer“ schürt die Konflikte weiter.
Angelika von Loeper vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sagt:
Es gibt anscheinend keine vorausschauende Planung. Anwohner werden oft vor vollendete Tatsachen gestellt, statt die Lage transparent und offen zu kommunizieren. Zudem ist die Unterbringung in kleineren Wohneinheiten sinnvoller als zentrale Unterkünfte.
Helfer von Flüchtlingsorganisationen stellen weitere Fragen: Wie unabhängig agieren Sozialarbeiter in den Kreisen? Was wird getan, damit die Menschen zu ihrem Recht kommen, ein ordentliches, schnelles Verfahren, dass ihre Lage klärt beispielsweise. Warum lässt man die Menschen, solange sie hier sind, nicht an der Gesellschaft teilhaben?
„Das allergrößte Problem sind die Köpfe.“
Frau von Loeper sagt:
Das allergrößte Problem sind die Köpfe. Statt ressourcenorientiert zu denken, dominiert die defizitorientierte Einstellung. Es werden also nur Kosten gesehen und nicht, wie man die Menschen an der Wertschöpfung teilhaben lassen kann und ihnen ermöglicht, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.
Und das scheint auch in Ladenburg zu drohen: Bürgermeister Rainer Ziegler deutete am 02. August an, dass noch geprüft werde, ob die schulpflichtigen Kinder in die Schule müssten, schließlich seien die Flüchtlinge ja nur bis 31. Dezember in Ladenburg.
Auf Nachfrage beim Regierungspräsidium und beim Schulamt erhält man eine eindeutig andere Auskunft:
Wir wollen die Kinder sprachfit machen und an Schule gewöhnen. Wir stellen nicht die Frage nach der Schulpflicht, sondern suchen zur Zeit geeignete Lösungen.
Das könnten Sprachförderklassen in der Dalberg-Grundschule sein, sollten Räumlichkeiten fehlen, werde ein Unterricht in der Martinsschule geprüft und auch Möglichkeiten in Nachbargemeinden wie Heddesheim seien denkbar.
Die Asylbewerber selbst haben nur die Information, dass die Kinder vermutlich nicht auf die Schule gehen können. Geht man so mit Menschen um?
Inge Holder, Lehrerin an der Theodor-Heuss-Schule in Sinsheim, hat nur „Ausländerklassen“:
Jeder Tag hier ist für die Kinder wichtig. Sie brauchen einen geregelten Tagesablauf, sie wollen lernen, sie haben ein Recht auf Schule, wer das bezweifelt, sollte vielleicht mal die UN-Konvention über Rechte der Kinder durchlesen.
Die Lehrerin berichtet von einer großen Herausforderung, die Kinder seien oft „down“, monatelang unterwegs gewesen, kommen aus unterschiedlichen Kulturen. Sie brauchen Zuwendung und Zeit.
Frau Horn, die auch Grünen-Stadträtin ist, berichtet weiter, wie dankbar sie den Rotarieren ist – die spenden Geld für Schulmaterial.
Erste Gespräche „mehr als positiv“
In Ladenburg gibt sich die SPD-Stadträtin Petra Erl zuversichtlich:
Wir haben erste Gespräche mit vielen Freiwilligen geführt, die sich einbringen wollen und die waren mehr als positiv.
Es wurden Vorschläge gesammelt und drei Ideen sollen verfolgt werden: Ein Asylcafé als Treffpunkt, die Organisation von Deutsch-Unterricht sowie Patenschaften für die Asylbewerber. Am 28. August wolle man sich mit konkretisierten Vorschlägen wieder treffen und an die Organisation gehen.
Ob der Optimismus von Frau Erl trägt? In der Nachbarschaft jedenfalls seien vor allem ältere Leute in Sorge, erzählt eine Frau Anfang 30 auf der Straße. „Alles gut verriegeln“, „aufpassen“ seien typische Ausdrücke, die sie seit ein paar Tagen hört. Sie findet das schräg und meint:
Seit die Schule leer war, war es stiller. Jetzt ist mehr Betrieb, aber mich stört das gar nicht. Ich höre Kinder lachen.
Die rechtsextreme NPD, Kreisverband Rhein-Neckar, macht auf ihrer Internetseite schon ordentlich Stimmung gegen die Asylbewerber. Kein Wunder, den Rassisten kommen das Asylthema und die „Ängste der Bevölkerung“ gerade recht. Die Botschaft ist unmissverständlich, rechts und populistisch:
Doch Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme auf Steuerzahlers Kosten erwartet man wohl vergebens. Wenn es den Herrschaften hier nicht gefällt, steht es ihnen frei, sich ein anderes Gastland zu suchen. Niemand wird gezwungen hier zu bleiben und auf unsere Kosten zu leben!
Aber auch genauso falsch. Die Asylbewerber werden ohne Grund verleumdet, nicht dankbar zu sein, es wird behauptet, sie könnten sich andere Gastländer suchen, was falsch ist und dumm ist, die Lage der Menschen in den Herrkunftsländern als „nicht zwingend“ zu sehen.
Die Kinder wissen von alldem nichts.
Das runde Dutzend Kinder im Alter zwischen 4 und 15 Jahren, die im Außenbereich der Martinsschule im Schatten eines Baums sitzen, wissen von alldem nichts. Die verschiedenen Gruppen unterhalten sich per Mimik und Gestik oder mit ein klein wenig Englisch. Ein zwölfjähriges Mädchen aus Afghanistan sagt auf die Frage, wie es ihr in Deutschland gefällt?
It is very good here. Save. But no home, we must leave again.
Sie strahlt dabei, als sei sie das glücklichste Kind der Welt. Und weil sie strahlt, lachen alle anderen mit. Als ich sie frage, ob sie sich auf die Schule freut, strahlt sich über’s ganze Gesicht und sagt:
School? For me? This is great!
Wo sie englisch gelernt hat, möchte ich noch wissen?
Me? I have a book. That’s all.
Und wieder lacht sie. Dann erzählt sie einem anderen Mädchen etwas auf afghanisch. Die fragt nach und erzählt es weiter. Aufgeregt. Ich verstehe kein Wort und weiß doch, worum es geht. Um die Schule.
Die geht im September für deutsche Kinder wieder los. Ob diese aufgeweckten und neugierigen Flüchtlingskinder auch die Chance auf Bildung erhalten, muss bis dahin „geklärt“ sein. Ansonsten muss einem nicht nur der Landrat leid tun – sondern vor allem diese Kinder.
Mitarbeit: Christopher Horn