Mannheim/Berlin, 12. Dezember 2014. (red) Zunächst berichtete die Welt am Sonntag, dann die Welt und auch die Deutsche Presseagentur über die Top-ten der „terrorgefährdeten Bahnhöfe“ in Deutschland – darunter Mannheim. Die Deutsche Bahn AG weist diese Berichte auf Nachfrage zurück. Neue Videoüberwachungen sollen die Sicherheit an Bahnhöfen erhöhen – aber nicht wegen einer akuten Gefährdungslage.
Von Hardy Prothmann
Die Welt und die Welt am Sonntag erschrecken die Welt schon mal gerne mit aufgepimpten Berichten:
Diese zehn deutschen Bahnhöfe sind terrorgefährdet
Mannheim, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Hamburg, Bremen, Berlin Ostkreuz und Nürnberg sollen in den kommenden Jahren mit neuer Videotechnik ausgestattet werden – angeblich, weil diese „terrorgefährdet“ seien. Richtig ist: Ein missglückter Bombenanschlag in Bonn gab den Impuls, die Sicherheitsvorkehrungen an Bahnhöfen zu überprüfen.
Aktuell werden Kameras in Berlin Ostkreuz installiert, im Frühjahr folgt Mannheim. Das Ziel der Videoüberwachung ist zweigeteilt: Aus Sicht der Bahn geht es um die Sicherheit der betrieblichen Abläufe und die Hausrechtswahrung, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Die Bundespolizei sei für die Gefahrenabwehr, Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung unter anderm auf deutschen Bahnhöfen zuständig.
Die Maßnahme beruhe auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium des Innern, der Bundespolizei und der Bahn. 36 Millionen Euro werden gemeinsam in die Sicherheitstechnik investiert. Darüber hinaus werden weitere Mittel von etwa 24 Millionen Euro von der Bahn in die Weiterentwicklung der 3-S-Zentralen (Service, Sicherheit, Sauberkeit) und damit in die Sicherheit der Bahnhöfe investiert.
Ziel: Sicherheitsgefühl erhöhen
Ziel ist es, neben der objektiven Sicherheit das Sicherheitsgefühl weiter zu stärken und daher noch mehr in die Sicherheit der Reisenden und Bahnhofsbesucher zu investieren. Das Konzept wurde Mitte 2013 begonnen und im Juli 2014 beschlossen. Dafür wurden vorhandene Situationen an Bahnhöfen ausgewertet und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Sicherheitsaspekte der Bahn, der Bundespolizei und datenschutzrechtliche Prüfungen. Außerdem musste europaweit ausgeschrieben werden: „Wir kaufen die Kameras nicht im Elektrofachhandel nebenan.“
Insgesamt sind 4.800 Kameras in 640 Bundesbahnhöfen bereits installiert. 18.000 weitere in S-Bahnhöfen und im Regionalverkehr. Die Bahn beschäftigt 3.700 Sicherheitskräfte, bei der Bundespolizei arbeiten 5.000 Beamte.
Die Bahn betrachtet nach eigener Auskunft nur Livebilder. Die Bundespolizei ordnet an, welche Kameras auch aufzeichnen sollen.
In Mannheim sind auf dem Bahnhofsvorplatz aktuell drei Kameras im Einsatz, deren Aufzeichnungen die Mannheimer Polizei nutzt und die bis zu zehn Mal im Jahr bei Gerichtsverfahren herangezogen werden. In diesem Jahr allerdings noch kein einziges Mal.
Infrastruktureinrichtungen mit vielen Menschen sind potenzielle Anschlagsziele
Zur Terrorgefahr äußert sich die Bahn nicht, das sei Sache der Bundespolizei. Damit erscheint der Bericht in der Welt als übertrieben und in Details falsch. Unsere Anfrage an die Bundespolizei ist noch nicht beantwortet.
Bahnhöfe gelten wie alle Infrastruktureinrichtungen in denen sich viele Menschen aufhalten als potenzielle Anschlagsziele. Am 10. Dezember 2012 war im Bonner Hauptbahnhof eine Bombe entdeckt worden, die allerdings nicht detonierte. Am 07. Juli 2005 kam es in London zu vier „Rucksack-Bomben“-Anschlägen, drei in der U-Bahn, einer in einem Bus. Es gab 56 Tote und über 700 Verletzte. Am 11. März 2004 kam es zu zehn Explosion ein Vorortszügen von Madrid – 192 Menschen starben. Am 26. September 1980 gab es einen Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest mit 13 Toten und 211 Verletzten – begangen von einem Neonazi. Aktuell wird das Verfahren wieder aufgerollt, weil eine neue Zeugin vielleicht Hinweise auf ein rechtes Netzwerk geben kann.