Heidelberg/Rhein-Neckar/Berlin, 12. August 2016. (red/pro) Laut dem Portal abgeordnetenwatch.de soll der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Stephan Harbarth während der laufenden Legislaturperiode über eine Million Euro „Nebeneinkünfte“ eingestrichen haben. Auf Anfrage bestätigt der Politiker diese Angabe nicht, er dementiert sie aber auch nicht. Laut Abgeordnetenwatch rangiert er auf Platz vier der Top-Nebenverdiener. Vor ihm liegen drei Noch-Mehr-Nebenverdiener, alle CDU und Landwirte. Wir dokumentieren unsere Anfrage und die Antwort.
Am Mittwoch, den 10. August haben wir Herrn Dr. Harbarth (Wahlkreis 277, Rhein-Neckar, 49,7 Prozent) mit folgenden Fragen angeschrieben und bis heute um Auskunft gegeben:
- Ist diese Information (Anm. d. Red: Laut abgeordnetenwatch über eine Million Euro 2013-2016 Nebeneinkünfte) zutreffend?
- Würden Sie uns die Höhe der Nebeneinkünfte und die Zahler benennen?
- Welcher Art ist/sind Ihre „Nebentätigkeit“/en, die Honorare in dieser Höhe ergeben?
- Über 330.000 Euro pro Jahr – das ist eine Spitzeneinkunft, die Top-Manager erreichen, die dafür aber auch keine 35-Stunden-Woche haben. Wie gelingt Ihnen das, einerseits verantwortlich ein Bundestagsmandat auszuüben, Funktionen innerhalb der Partei zu übernehmen und nebenbei derartige Einkünfte zu erzielen?
- Man könnte natürlich vermuten, dass solche Zahlungen einen gewissen Einfluss ausüben sollen – wie stehen Sie dazu?
- Wie stehen Sie zur Frage, die Arbeit von Lobbyisten möglichst transparent zu machen?
Der CDU-Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth (44), katholisch und Vater von drei Kindern, schickte uns diese Antwort:
Meine Nebeneinkünfte werden im Internet auf der Website des Deutschen Bundestages sowie im Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages veröffentlicht.
Meine Überzeugung von Politik ist: Abgeordnete als Volksvertreter bringen ihre Lebens- und Berufserfahrung für eine bestimmte Zeit für die Vertretung
der Bürgerinnen und Bürger und die Staatsinteressen ein.
Politiker sollten auch in ihrer Abgeordnetenzeit ihre Unabhängigkeit beibehalten. In diesem Sinne führe ich auch während meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag meinen erlernten Beruf als Rechtsanwalt fort, den ich bereits vor meiner Wahl in den Deutschen Bundestag viele Jahre ausgeübt habe.
Diese Unabhängigkeit werde ich auch in Zukunft aufrechterhalten.
Herr Dr. Harbarth beantwortet also keine unserer Fragen konkret – das kennen wir schon aus den vergangenen Jahren. (Lesen Sie hier unsere Gonzo-Satire von Helle Sema: „Die Entschädigung für das Ehrenamt geht in Ordnung„)
Nebeneinkünfte weit über 250.000 Euro pro Jahr

Hat gut lachen – der Bundestagsabgeordnete Dr. Stephan Harbarth (CDU) erhält pro Monat 9.327 Euro Bezüge. „Nebenbei“ verdient er allerdings weit mehr, seit 2013 vermutlich über eine Million Euro, also im Schnitt mindestens knapp 28.000 Euro pro Monat im „Nebenjob“. Foto, ebenso Vorschaubild: Laurence Chaperon – Eigenes Werk [1], CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11268591
Tatsache ist, dass die Höhe der einzelnen Einkünfte nicht veröffentlicht werden, lediglich Angaben zu „Mandaten“ ohne nähere inhaltliche Erläuterung sowie die „Stufe“ der Höhe dieser Nebeneinkünfte. Herr Dr. Harbarth liegt regelmäßig in Stufe 6 und 7, was Einkünften von 50.-75.000 Euro und 75.-100.000 Euro entspricht. Als Vorstandsmitglied der Mannheimer SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG verdiente er regelmäßig seit 2013 in Stufe 10, also über 250.000 Euro pro Jahr. Laut Abgeordnetenwatch verdienen nur sechs von 630 Bundestagsabgeordneten in Stufe 10 mindestens eine Viertelmillion Euro jährlich „dazu“ – die Beträge könnten aber auch weitaus höher liegen. Somit kommt der Abgeordnete Dr. Harbarth durchschnittlich in der laufenden Legislatur auf rund 28.000 Euro monatlich im Nebenjob.
Der monatliche Bezug als Bundestagsabgeordneter sind monatlich 9.327 Euro, also rund 112.000 Euro im Jahr.
„Meine Einkünfte aus meinem bürgerlichen Beruf als Rechtsanwalt habe ich für das Jahr 2015 gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages in Höhe der Stufe 8, also zwischen 100.000 und 150.000 Euro, gemeldet“, erklärte Dr. Harbarth 2015 gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung – laut Mitteilung auf der Seite des Bundestags kann das allerdings nicht stimmen. Dort sind neben den Bezügen als Vorstand Stufe 10 von über 250.000 Euro noch fünf weitere Mandate der Stufe 6 aufgeführt, also pro Mandat mindestens 50.000 Euro. Allein diese „Nebentätigkeiten“ hätten dem Abgeordneten also mindestens 500.000 Euro eingebracht.
Dr. Harbarth ist Mitglied verschiedener Parteiausschüsse und Gremien, beispielsweise im CDU-Landesvorstand Baden-Württemberg und seit Juni 2016 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über Dr. Harbarth, dessen Kanzlei SZA von VW in der „VW-Abgasaffäre“ beauftragt wurde:
Stephan Harbarth ist Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz – und damit einer der wichtigsten Rechtspolitiker der CDU.
Und weiter schreibt die Süddeutsche Zeitung am 19. Oktober 2015:
Pikant wird die Nebentätigkeit als Anwalt aber deshalb, weil Harbarths Kanzlei von Volkswagen mandatiert wurde, um dem Konzern in der Abgasaffäre zu helfen. Von den VW-Manipulationen sind Millionen deutscher Verbraucher betroffen. Auf der Tagesordnung der jüngsten Sitzung des Rechtsausschusses stand deshalb auch der Punkt: „Bericht der Bundesregierung zu den verbraucherrechtlichen Auswirkungen, den zivilrechtlichen Ansprüchen und den rechtlichen Konsequenzen des aktuellen VW-Skandals.“ Vor allem die Grünen wollten von der Regierung Näheres zu dem Skandal erfahren. Doch daraus wurde nichts, denn gleich zu Beginn der Sitzung beantragte eine Vertreterin der Unionsriege im Ausschuss, deren Chef Harbarth als Obmann ist, den Tagesordnungspunkt abzusetzen. Die Abgeordneten der Koalition nahmen das Thema VW daraufhin von der Tagesordnung – mit der Stimme Harbarths, der sich an dem Votum beteiligte.
Massive Kritik aus der Opposition wies Dr. Harbarth damals laut Zeitung zurück, da er nicht selbst das Mandat bearbeite – über seine Vorstandsmitgliedschaft verdiene er aber am Erfolg der Kanzlei mit. Und der Auftrag ist sicher „lukrativ“.
Die Top-Ten der „Nebenverdiener“ gehören allesamt CDU und CSU an – bis auf eine Ausnahme, Peer Steinbrück (SPD). Der ehemalige Kanzlerkandidat rangiert laut abgeordnetenwatch auf Platz 7 mit Nebeneinkünften von 590.000 bis rund einer Million Euro.
Wie sieht es mit Nebeneinkünfte bei anderen aus?
Der Heidelberger CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Karl A. Lamers (Rechtsanwalt, Wahlkreis Heidelberg) gibt keine anzeigepflichtigen „Nebeneinkünfte“ an – das heißt, wenn er welche hat, bleiben die unterhalb von 1.000 Euro pro Monat. Ebenso der SPD-Abgeordnete Lothar Binding (Starkstromelektriker, Wahlkreis Heidelberg) und die Grünen-Abgeordnete Dr. Franziska Brantner (Sozialwissenschaftlerin, Wahlkreis Heidelberg). Auch der Mannheimer SPD-Abgeordnete Stefan Rebmann (Energieanlagenelektroniker, Wahlkreis Mannheim) muss keine Nebeneinkünfte melden, auch nicht der grüne Abgeordnete Dr. Gerhard Schick (Volkswirt, Wahlkreis Mannheim). Ebenso nicht der Mannheimer CDU-Abgeordnete Prof. Dr. Egon Jüttner (Universitätsprofessor).
Folgt man der Begründung von Herrn Dr. Harbarth für den Millionen-„Nebenverdienst“ sind seine Bundestagskollegen also allesamt nicht „unabhängig“, da sie ja keine nennenswerten Nebeneinkünfte einstreichen.
Ein wenig unabhängiger ist der SPD-Abgeordnete Prof. Dr. Lars Castellucci (Hochschulprofessor, Wahlkreis Rhein-Neckar). Der verdient monatlich als Professor in Stufe 1 zwischen 1.000-3.500 Euro hinzu und hat 2015 zwei Vorträge in der Pflichtveröffentlichungsstufe 1 gehalten. Sehr vorbildlich sorgt Herr Professor Castellucci für Transparenz, er gibt nämlich sein Gehalt als Professor für nachhaltiges Management an einer Hochschule in Mannheim an: 2.289,37 Euro brutto monatlich. Das klingt eher wie ein Nebenjob, um unabhängig zu bleiben, falls man nicht mehr Abgeordneter ist und wieder voll in den Beruf einsteigen muss. Die Linke-Bundestagsabgeordneter Michael Schlecht (Volkswirt, Wahlkreis Mannheim) erhält jährliche Bezüge nach Stufe 3, also 7.-15.000 Euro als Aufsichtsrat in der Hamburger Volksfürsorge.
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