Rhein-Neckar, 08. Juni 2013. (red/aw) Die Vorstellung eines vereinten Europas, ohne kulturelle Grenzen und Vorurteile, wird vielleicht noch lange Wunschvorstellung bleiben. Denn die Förderung eines solchen interkulturellen Dialogs soll ab 2014 um 23 Prozent gekürzt werden. Aus dem ohnehin nicht übergroßen Topf von 215 Millionen Euro, bleiben nach aktuellen Vorstellungen im Haushaltsplan der EU-Kommission nur noch knapp 165 Millionen Euro übrig. Die Aussicht auf eine Förderung von transnationalen Projekten sinkt für Kommunen damit erheblich. Und das obwohl der Aufwand zum Erhalt solcher Fördermittel so riesig ist, dass viele Gemeinden und Städte gar nicht erst einen Antrag stellen.
Von Alexandra Weichbrodt
Trotz intensiver Bemühungen gelang es uns nicht, eine Gemeinde in unserem Berichterstattungsgebiet zu finden, die EU Fördermittel des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ beantragt – geschweige denn erhalten – hat. Egal, ob Weinheim, Heidelberg, Ludwigshafen, Schriesheim oder Schwetzingen – der Tenor war immer gleich:
Wir kennen das Programm und würden es gerne nutzen. Leider sind die Kritierien für eine Förderung sehr schwer zu erfüllen. Außerdem ist der bürokratische Aufwand immens.
Ziel des Programms “Europa für Bürgerinnen und Bürger” ist es, Toleranz, gegenseitiges Verständnis und den interkulturellen Dialog zu stärken. Es soll Europa den Bürgerinnen und Bürgern näher bringen, die Möglichkeit geben transnationale Erfahrungen zu machen, Kooperationen aufzubauen und einen Beitrag für eine Entwicklung von gemeinsamen europäischen Werten zu leisten. Gelder aus diesem Programm werden zur Verfügung gestellt, um die Menschen in Europa zusammen zu bringen, den Austausch zu fördern und einen europäischen Einigungsprozess voranzutreiben.
Sparen an der falschen Stelle
In den vergangenen sieben Jahren wurden die Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Zusammenhang mit 215 Millionen Euro unterstützt. Geld, das unter anderem in Bürgerbegegnungen, Städtepartnerschaften oder zivilgesellschaftliche Projekte floss. Nun plant die EU-Kommission eine Kürzung dieses Etats um 23 Prozent auf 165 Millionen Euro. Darunter leiden werden nicht zuletzt die Projekte und Vorhaben der Gemeinden und Städte, auch in Deutschland.
Eine Kürzung, die beispielsweise Dr. Franziska Brantner, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Metropolregion Rhein-Neckar, kritisiert. Sie sei schwer nachvollziehbar, da andere Positionen im Haushalt nur geringfügig oder gar nicht gekürzt werden. Ein gutes Beispiel ist der Posten des Agrarhaushalts: Dieser soll nur um rund 0,7 Prozent geschmälert werden.
Es handle sich bei dieser Einsparung zwar nicht um Milliardenbeträge, jedoch werden die Kürzungen bei Organisationen, Bürgervereinigungen und Städtepartnerschaften, die bisher von dem Programm Förderung erhielten, zu merken sein. Zudem Kroationen mit seinem EU-Beitritt in diesem Jahr auch ein Stück dieses Kuchens erhalten wird und die Aufteilung so prozentual noch weiter sinkt.
Trilaterale Projekte fast schon notwendig
Wobei die Hürden, die es zu meistern gilt, um die Förderung zu erhalten, ohnehin schon riesig sind, weiß Marijke Mulder vom Institut für europäische Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit (IPZ) in Hürth. Die Europa- und Förderreferentin berät Kommunen aus ganz Deutschland zum Antragsstellverfahren und kennt die notwendigen Kriterien für eine erfolgreiche Förderung:
Wir können aufgrund der bewilligten Anträge beobachten, dass die Chancen, eine Förderung zu erhalten, steigen, wenn es sich um ein Projekt mit mindestens drei beteiligten Ländern handelt. Idealerweise mit einem Ost-West-Austausch und unbedingt mit einem politischen Programm.
Rein touristische Initiativen hingegen oder aber sehr häufig vorkommende Partnerschaften, beispielsweise zwischen Deutschland und Frankreich, haben wenig Aussicht auf Erfolg.
Die Art der Begegnung muss schon auf ein intensives Niveau gehoben werden,
so Marijke Mulder. Vielversprechend seien Projekte mit Ländern wie Rumänien oder Slowenien. Am besten in Verbindung mit einem dritten EU-Land aus dem skandinavischen Raum, beispielsweise Dänemark. Je außergewöhnlicher also der kulturelle Zusammenschluss, desto besser.
Förderung mit bis zu 25.000 Euro
Die Höhe der Förderung berechnet sich bei erfolgreicher Antragsstellung aber nicht etwa an der Bedeutsamkeit oder der Gesamtkosten des Projekts, sondern an der Teilnehmerzahl. Voraussetzung ist eine Anzahl von mindestens 25 Gästen, die die Kommune im Rahmen der Partnerschaft oder des Austauschs besuchen. Dafür erhält die Gastgebergemeinde oder -stadt ungefähr 5.000 Euro, so Mulder. Auch die Dauer des Besuchs spielt eine Rolle.
Die Vergabe der Fördermittel erfolgt nach einem Punktesystem. Je nach Erfüllung der Kriterien werden den Anträgen Punkte gegeben. Die Anträge mit den meisten Punkten, werden gefördert. Zumindest bis der Etat aufgebraucht ist. Übrig bleibt nichts, da die Nachfrage deutlich höher ist als die zu Verfügung stehenden Mittel.
Das IPZ sieht die mögliche Entwicklung, diese Fördermittel zu reduzieren, daher mit „großer Sorge“. Noch sei ja nichts entschieden und man hoffe, dass die Kürzungen nicht ganz so drastisch ausfallen, wie angekündigt, sagte die Förderreferentin.
Insgesamt ist das eine schlechte Entwicklung. Die sinkenden Chancen auf eine Förderung sorgen natürlich für Frustration in den Kommunen, vor allem bei den ohnehin schwierigen Erfolgsaussichten,
sagt Mulder.
Nachfrage steigt, Fördermittel sinken
Auch wenn in Deutschland, die eingereichten Anträge von 451 im Jahr 2007 auf 341 im Jahr 2012 gesunken sind, steigen sie im europäischen Vergleich stetig an. Waren es 2007 2.060 sind es 2012 bereits 2.816. Von diesen 2.816 wurden jedoch lediglich 511 bewilligt. Das entspricht einer Förderungsquote von 18,15 Prozent. Zum Vergleich: 2007 lag diese noch bei 53,40 Prozent.
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 89 der 341 eingereichten Förderungsanträge bewilligt. Darunter 82 Maßnahmen für Begegnungen im Rahmen einer Städtepartnerschaft. Von Bürgerinnen und Bürgern initiierte Projekte hingegen wurden im letzten Jahr gar nicht gefördert. Es wurden aber auch lediglich fünf Anträge eingereicht. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die erforderlichen Kriterien nicht für Jedermann zu stemmen sind.
Förderung für europäische Bürgerinnen und Bürger geht also nicht so einfach, wie es das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ auf den ersten Blick vermittelt. Wer es dennoch probieren möchte, sollte sich vorher umfassend informieren und beraten lassen. Das geht entweder beim IPZ und Marijke Mulder und ihren Kollegen oder bei der Kontaktstelle für Deutschland „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ bei der Kulturpolitischen Gesellschaft in Bonn.