
Beratung ja – Pille nein. Frauen, die die Pille danach brauchen – auch welchen Gründen auch immer – bekommen in katholischen Krankenhäusern wie dem Theresienkrankenhaus in Mannheim kein Rezept.
Rhein-Neckar, 05. Februar 2013. (red/ld) Es muss keine Vergewaltigung sein. Das sind die seltensten Fälle, in denen Frauen sich die „Pille danach“ verschreiben lassen. Eine wilde Nacht, ein gerissenes Kondom oder die Pille vergessen sind die häufigsten Gründe für Frauen, die gynäkologische Notfallberatung der Krankenhäuser und Frauenärzte in Anspruch zu nehmen. Eile ist in jedem Fall geboten und auch in der Metropolregion verschreiben katholische Krankenhäuser die „Pille danach“ nicht.
Von Lydia Dartsch
Die „Pille danach“ ist keine Abtreibungspille,
sagt Dr. Kay Goerke, Chefarzt der Gynäkologie der GRN-Klinik Schwetzingen. Sie verhindere, dass sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnisten kann. Von einer Abtreibung sprechen Mediziner erst, wenn sich die Eizelle eingenistet hat, wenn bereits Leben entstanden ist. Genau das wird durch die Pille verhindert: Die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen, wie zur normalen Monatsblutung. Es kommt zu Zwischenblutungen und die befruchtete Eizelle wird mit der Schleimhaut ausgeschwemmt. Aus medizinischer Sicht kommt es zu keiner Schwangerschaft.
Nur 72 Stunden Zeit
Nach dem Sex rennt die Zeit: Ist das Kondom geplatzt und die „Pille davor“ vergessen, hat die Frau knapp 72 Stunden Zeit, die „Pille danach“ einzunehmen, also drei Tage danach. Um die Pille danach verschrieben zu bekommen, braucht es aufklärendes Gespräch mit einem Arzt, die sogenannte „Notfallberatung“. Darin wird die Patientin befragt – zu ihrer Vorgeschichte, ihrer Periode und ihrem Sexualverhalten. Anschließend führt der Arzt eine gynäkologische Untersuchung durch und macht einen Ultraschall.
Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Patientin bereits schwanger ist.
sagt Dr. Goerke. Denn liegt bereits eine Schwangerschaft vor, darf die Pille danach nicht verschrieben werden. Die Gefahr, das ungeborene Kind zu schädigen, ist sonst zu groß. Außerdem darf die Pille nicht verschrieben werden, wenn die Pille im aktuellen Zyklus bereits einmal verschrieben worden ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit zu gering, dass sie wirkt. Außerdem sind die Risiken für den Körper zu hoch.
Die Patientin bezahlt die Pille selbst
Die Pille wird nur an einem speziellen Punkt im Zyklus verschrieben: Etwa drei Tage vor bis fünf Tage nach dem Eisprung. Dieser findet bei den meisten Frauen zwei Wochen nach ihrer Periode statt.
Wo kein Ei ist, kann keins befruchtet werden.
sagt Dr. Goerke. Nach der Notfallberatung und der Aufklärung über die Pille danach sowie zu sexuell übertragbaren Krankheiten, erhält die Patientin auf ihren Wunsch ein Rezept für die Pille danach, das sie bei der Apotheke einlösen kann. Das Medikament kostet zwischen 20 und 35 Euro und wird in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen. Ob die Pille gewirkt hat oder nicht, verrät ein Schwangerschaftstest, den die Frauen zwei Wochen später durchführen sollten. Minderjährige benötigen für die Verschreibung der Pille danach in der Regel die Zustimmung ihrer Eltern.
Nach drei Tagen hilft keine Pille mehr. Das Risiko, dass sich die befruchtete Eizelle eingenistet hat, ist dann zu groß. Es gilt, sich zu entscheiden: Kind ja oder nein? Stehen eine Schwangerschaft und der Nachwuchs im Konflikt mit der aktuellen Lebenssituation oder Lebensplanung, helfen Beratungsstellen wie ProFamilia, oder die Caritas und die Diakonie weiter.
Kein Rezept von katholischen Kliniken
Notfallberatungen können alle Ärzte durchführen. In der Regel sind es niedergelassene Frauenärzte sowie Kliniken mit einer gynäkologischen Ambulanz. Rund 100 Patientinnen im Jahr nehmen die Notfallberatung beispielsweise in der GRN-Klinik Schwetzingen in Anspruch. Auch katholische Krankenhäuser führen sie durch, inklusive dem Hinweis auf die Pille danach. Möchte die Patientin ein Rezept dafür, wird dies nicht nur in Köln, sondern auch hier von katholischen Krankenhäusern abgelehnt. Die Frau wird fortgeschickt:
Das St. Josefskrankenhaus weist keine hilfesuchenden Menschen zurück, gleich ihrer medizinischen Indikation. Die Ärzte behandeln und beraten jeden Patienten nach bestem Wissen und Gewissen. Falls sich eine Frau dazu entscheidet, sich die Pille danach verschreiben zu lassen, so wird diese an einen niedergelassenen Arzt überwiesen.
sagt Christian Klehr, Pressesprecher des katholischen St. Josephkrankenhaus Heidelberg und Theresienkrankenhaus Mannheim. Doch was, wenn Wochenende ist und die Frau schon Zeit hat verstreichen lassen mit der Frage, ob sie oder ob sie nicht diese Pille möchte? Was „nach bestem Wissen und Gewissen“ klingt, kann für die Frau fatal sein. Die Zeit läuft. Und die Frage, ob eine „Beratung“ objektiv läuft, darf man getrost dahingestellt sein lassen. Die Haltung der katholischen Kirche ist unmissverständlich.
Aus katholischer Sicht ist das Abtreibung
Nach der katholischen Auffassung beginnt die Schwangerschaft bereits mit der Befruchtung einer Eizelle. Also noch bevor Ärzte von einer Schwangerschaft sprechen. Wird nach der Befruchtung also eine Notfallkontrazeption, wie die Pille danach auch genannt wird, verabreicht und die Eizelle wird ausgeschwemmt, kommt das nach katholischen Gesichtspunkten einer Abtreibung gleich. Leben wird zerstört.
Diese unterschiedlichen Ansichten führen zu Konflikten, vor allem, weil es Aufgabe der Ärzte ist, Leben zu erhalten: In der Gynäkologischen Notfallberatung können sich Frauen nach einer Untersuchung durch den Frauenarzt die Pille danach verschreiben lassen.
Wenig Erfahrung mit Vergewaltigungsopfern
Opfer von Vergewaltigungen werden gleichfalls von katholischen Krankenhäusern behandelt, wie von allen anderen. Bei dieser Behandlung steht vor allem die Anonyme Spurensicherung (ASS) im Mittelpunkt. Allerdings haben nur wenige Gynäkologen Erfahrung mit der Behandlung von Vergewaltigungsopfern. Meist erstatten die Opfer zuerst Anzeige bei der Polizei, die dann mit ihnen einen Spezialisten aufsucht, der die Untersuchung, die Spurensicherung sowie die Notfallberatung vornimmt.
Die Beamten wissen eigentlich, wohin sie sich mit den Opfern wenden müssen.
sagt Dr. Goerke von der GRN-Klinik Schwetzingen. Die Polizei in Mannheim wendet sich in solchen Fällen an die Universitätsmedizin Mannheim (UMM):
Je nachdem, wie lange die Tat her ist, nimmt die gynäkologische Ambulanz die ärztliche Versorgung und gynäkologische Untersuchung vor. In besonderen Fällen rufen wir auch die Rechtsmedizin dazu, wenn beispielsweise besondere Verletzungsmuster vorliegen.
sagt Erster Kriminalhauptkommissar Otto Steinbrenner, Leiter Dezernat für Sexualdelikte, in Mannheim. In der UMM erhalten die Opfer auf Wunsch auch die Pille danach.
In manchen Fällen kommen die Frauen zuerst ins Krankenhaus. In Schwetzingen kommt das im Schnitt drei Mal im Jahr vor, sagt Dr. Goerke. Dann nimmt der diensthabende Gynäkologe die Untersuchung und Spurensicherung vor. Anschließend werden die sichergestellten Spuren und Proben drei Monate lang aufbewahrt für den Fall, dass sich das Opfer erst nachträglich zu einer Strafanzeige entschließt.
Den Kommentar unserer Autorin Lydia Dartsch (29) zum Verhalten der katholischen Kirche lesen Sie hier.