Mannheim, 01. März 2018. (red/pro). Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu möglichen Fahrverboten in Städten ist klar, dass ziemlich viel noch unklar ist. Die Stadtverwaltung will Fahrverbote vermeiden, ob das möglich ist, hängt von vielen Faktoren ab.
Von Hardy Prothmann
Wochentäglich pendeln 112.164 Personen nach Mannheim ein und 48.585 aus. Dies ergab eine Befragung 2017 von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Und viele nutzen ein Auto – wenn zu den Stoßzeiten im Stau steht, weiß das genau.
Seit 2010 ist ein Grenzwert von 40 Mikrogramm (µg) pro Kubikmeter bei der Luftbelastung durch NO2 einzuhalten – rund 70 deutsche Städte verstoßen seit Jahren dagegen. Ganz heftig Stuttgart mit einem Mittelwert von 82 µg. Dagegen ist Mannheim mit 45 µg vergleichsweise wenig belastet – aber eben über dem Höchstwert. Ebenso Ludwigshafen mit 44 µg. Für Heidelberg (2016 42 µg) liegen für 2017 noch keine Messwerte vor, erwartet wird eine Unterschreitung.
Mannheim könnte auf Vorschlag der Bundesregierung eine von fünf Modellstädten werden, die vor allem durch Förderung des ÖPNV die Luftbelastung schnell verringern. Der Grund für die sich seit Tagen dazu überschlagenden Nachrichten: Es drohen ein Urteil und Strafzahlungsforderungen der EU gegen die Bundesrepublik, weil seit Jahren zu wenig gemacht worden ist, um die Richtlinien für die Luftreinhaltung umzusetzen. Dazu kommt der „Dieselskandal“.
Die Stadtverwaltung will mit einem dreiteiligen Maßnahmenpaket vorgehen: Fortschreibung des Luftreinhalteplans, „Green City“-Maßnahmen sowie das Modellprojekt, für das bis Mitte März erste Vorschläge erarbeitet werden sollen.
Ziel: Fahrverbote vermeiden
Ein Gutachten von Ende 2016 weist aus, dass Mannheim ohne weitere Maßnahmen bis 2020 vermutlich unter den Grenzwert fällt. Bei Einführung einer „blauen Zone“ sogar gesichert – doch die Bundesregierung zeigt noch keine Anzeichen, eine solche blaue Plakette für Umweltzonen bundesweit einzuführen – was im Ergebnis kommunale Fahrverbote bedeuten könnte, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen.
„Unser oberstes Ziel ist es, Fahrverbote in den Städten zu vermeiden“, sagt Erster Bürgermeister und ÖPNV-Dezernent Christian Specht. Das fordert auch der Handelsverband Nordbaden: „Eine attraktive Mannheimer City braucht zweifelsohne saubere Luft, denn die Kunden könnten sich ja auf die Grüne Wiese oder den Online-Handel umorientieren. Aber mit Fahrverboten nützen uns die schönsten Planken nichts“, konstatierte aktuell der Mannheimer Vizepräsident Hendrik Hoffmann.
Droht ein Tarifchaos?
Doch wäre der Handel betroffen? Ebenso wie für Dienstleister und Anwohner könnte es hier Ausnahmegenehmigungen geben. Ein Fahrverbot würde also vor allem Einpendler treffen – die müssten auf den ÖPNV umsteigen, der wiederum sein Angebot vergrößern und möglicherweise günstiger machen müsste. Oder ihre Fahrzeuge für rund 2.000 Euro umrüsten lassen. Oberbürgermeister Peter Kurz fordert deshalb: „Der Bund muss zu seiner Verantwortung stehen und die Nachrüstung von Dieseln durch die Autoindustrie durchsetzen.“
Bei allen ÖPNV-Maßnahmen – so sie gefördert werden – sollten aber auch die Städte Ludwigshafen und Heidelberg mit einbezogen werden, weil sonst ein Tarifchaos droht. Singuläre Taktveränderung allein in Mannheim dürften den RNV vor unnötige und vielleicht gar nicht lösbare Herausforderungen stellen.
Lastenräder und E-Lieferfahrzeuge sind ebenfalls mögliche Maßnahmen: „Hier fehlt es aber an rechtlichen Grundlagen, in Heidelberg dürfen Fahrräder bislang nicht in der Fußgängerzone fahren, also auch Lastenräder nicht. Und wie es um die Ökobilanz von E-Fahrzeugen steht, ist auch noch offen“, sagt Handelsverbandsgeschäftsführer Swen Rubel.
Vor Herbst 2019, so die richterliche Entscheidung, gibt es noch keinen akuten Handlungsdruck. Bis dahin aber noch viel zu tun. Vor allem durch den Bund, denn sonst droht ein regionaler Flickenteppich von Einzelmaßnahmen, den am Ende kein Mensch mehr überblickt.
Der Luftreinhalteplan für Mannheim soll im Juli 2018 fortgeschrieben werden. Bis Mitte März will die Stadt Mannheim erste Maßnahmen für eine Modellstadt vorschlagen – und erwartet finanzielle Mittel vom Bund, denn ohne die geht es nicht. Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge (schlechter als Euro 6-Norm) könnte ab Herbst 2019 kommen – ebenso für Otto-Motoren (schlechter als Euro 4-Norm).