Mannheim/Rhein-Neckar, 22. Dezember 2016. (red/cr) Etwa 320.000 Pappbecher werden in Deutschland pro Stunde verbraucht. Nach dem schnellen Kaffee zum Mitnehmen landen sie im Müll oder auf der Straße. Schlecht für Mensch und Umwelt. Der Trend zum Einweg-Becher lässt sich auch an der Universität Mannheim beobachten. Doch Studierendeninitiativen wollen dort nun etwas dagegen tun – nur was genau, steht noch nicht fest.
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Es gibt Tassen? Habe ich gar nicht gesehen.
Sie sind überall. Ob am Bahnhof oder in der Fußgängerzone, in Händen und in überlaufenden Mülleimern, häufig auch daneben – Einweg-Pappbecher. Der schnelle Coffee to go prägt das Bild vieler Städte.
Mittlerweile ist das zu einem ernsten Problem geworden. Laut Deutscher Umwelthilfe werden in Deutschland pro Stunde 320.000 Coffee to go-Becher verbraucht. Im Jahr sind das fast drei Milliarden Einwegbecher.
Kein Problem, ist doch nur leicht recyclebare Pappe? Irrtum. Damit die Pappe nicht aufweicht, wenn der Becher befüllt ist, wird die Innenseite mit Kunststoff beschichtet. Den Weg zur sachgerechten Mülltrennung finden die Becher für unterwegs selten – weil sie in der Regel auch unterwegs in öffentlichen Mülleimern entsorgt werden.
Warum eigentlich?
Als Studierende an der Universität Mannheim ist mir ein weiteres, auf den ersten Blick seltsames Phänomen aufgefallen: Studierende kaufen sich Getränke in to-go-Bechern, “gehen” dann aber gar nicht. Sondern setzen sich ins Café. Obwohl es Tassen gibt. Warum?
Gute Frage! Das machen fast alle,
sagt Johannes. Er und sein Freund Simon studieren im elften Semester Jura an der Universität Mannheim. Wie viele andere sitzen sie mit ihren Einweg-Bechern in Café EO, dem Café im Ehrenhof des Schlosses. Sie erzählen, fast immer die Einwegvariante den Tassen vorzuziehen – unabhängig davon, ob sie im Café bleiben oder den Kaffee tatsächlich mitnehmen.
Das sei Gewohnheitssache, sagen die beiden. Ob das ein Problem ist? Vor allem den Plastikdeckel stufen Simon und Johannes als umweltbelastend ein. Aber sie wissen auch seine Vorteile zu schätzen. Etwa, dass man mit Deckel das Getränk nicht so leicht verschüttet und man damit, wann immer man will, in die Bibliothek kann, dort sind nämlich nur Getränke in verschließbaren Gefäßen erlaubt.
Immer mehr Becher als Tassen
Etwas weiter sitzen Jan und Luis, ebenfalls mit Pappbechern vor sich. Jan hat seinen Master schon, kommt aber trotzdem fast jeden Tag in die Universität, “weil der Kaffee so gut schmeckt.” Eine Tasse benutzt er dabei nie – aus Gewohnheit.
Luis dagegen ist im fünften Semester im Master Kultur und Wirtschaft eingeschrieben und scheint in Bezug auf Pappbecher einen ganz anderen “Geschmack” zu haben als sein Begleiter:
Normalerweise bringe ich meine eigene Thermoskanne mit. Die ist praktisch, hält Kaffee stundenlang warm und ist umweltfreundlich – und ich mache schon sehr guten Kaffee.
Nachteil daran: Er hat nicht an jedem Abend die Motivation, abzuspülen. Zum Beispiel gestern Abend nicht.
Gewohnheit vs. Aufmerksamkeit
Für Anke und Nicole geht es bei den Pappbechern weniger um Prioritäten als um Information.
Ich habe von den Tassen erst erfahren, als die Bedienung gefragt hat, ob ich einen Becher oder eine Tasse möchte,
erinnert sich Anke, Wirtschaftspädagogik-Studentin im fünften Semester. Sie und Nicole haben sich noch keine Gedanken zur Umweltbilanz der Pappbecher gemacht – schließlich steht auf denen, sie seien zu 100 Prozent kompostierbar.
Bei Plastikbechern hätten wir uns Gedanken gemacht.
Auch Informatikstudent Max hält die Becher daher für eher umweltfreundlich. Er selbst benutzt zwei bis drei von ihnen am Tag. Allerdings fällt ihm auf, dass die Mülleimer im und um das Café überquellen. Vor allem wegen der vielen Einwegbecher.
Bündnis gegen die Becher
Ein Tick mehr Aufwand ist oft das Problem,
so fasst es Lara Hutt zusammen. Sie ist Vorstandsmitglied der Studierendenintiative Infinity Mannheim e.V. und Projektleiterin für die Aktion “Drink it, keep it!”.
Zusammen mit den Studierendenintiativen Enactus Mannheim e.V., Uni Spirit e.V. Mannheim und dem Green Office der Universität Mannheim will die Initiative die Flut an Pappbechern eindämmen. Doch wie?
Ursachenforschung zuerst
Dazu wurde vor einem Jahr eine Umfrage unter 913 Studierenden der Universität durchgeführt. Was sind die “harten Fakten” und was die Ursachen dahinter? Warum wird wie woraus getrunken und warum nicht?
Wir Studierende der Uni Mannheim werfen jährlich etwa 3,5 Millionen Pappbecher weg. Die Nutzungsdauer beträgt gerade einmal 15 Minuten. Es dauert jedoch Jahre, bis sich dieser zersetzt.
85 Prozent der Befragten hatten in der Umfrage angegeben, ein- bis zweimal am Tag Kaffee zu trinken. Hochrechnungen daraus ergaben die 3,5 Millionen Becher im Müll. Pro Jahr. Nur an der Universität Mannheim. So erklärt Frau Hutt die große Zahl.
Das Problem: Bequemlichkeit
Ebenfalls eine ebenso interessante wie ernüchternde Erkenntnis: 38 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, einen Thermobecher zu besitzen. Magere acht Prozent haben angekreuzt, ihn auch zu benutzen. Warum?
Oft sind es Bequemlichkeitsausreden,
so Lara Hutt. Bei einem Thermobecher müsse man schließlich morgens daran denken, ihn eventuell schon befüllt mitzunehmen und abends dann noch abspülen. An solchen Kleinigkeiten scheitere es bei vielen – weil man aus gewohnten Strukturen ausbrechen müsste.
Eigener Becher, Film oder Pfandsystem?
Frau Hutt weiß aber auch:
Wenn man immer nur mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, funktioniert es nicht.
Aktuell gibt es eine Informations-Kampagne auf Facebook, um für das Thema Einwegbecher zu sensibilisieren. Für weitere Aktionen gibt es bereits viele Ideen. Ob man es im nächsten Jahr jedoch einen “Mannheim-Becher”, einen Awareness-Film oder ein Pfandsystem geben wird, entscheidet sich noch.
Die vier Studierendeninitiativen seien derzeit in Gesprächen mit der Universität und verschiedenen anderen Akteuren, darunter der Stadt Mannheim, die sich auf Antrag von Bündnis90/Die Grünen im Gemeinderat ebenfalls mit einem Pfandsystem für to go-Becher beschäftigt.
Mehr als 300.000 Becher pro Jahr für 12.000 Studierende
Zumindest vom Studierendenwerk gebe es auf jeden Fall Unterstützung für ein Pfandsystem, so Rainer Wedel.
Er ist stellvertretender Wirtschaftsleiter des Studierendenwerks Mannheim und zuständig für die Abteilung Mensa und Einkauf, also für Mensen und Cafés an den Hochschulen Mannheims.
Der Kunde hat immer die Wahl zwischen Tasse und Becher,
stellt Herr Wedel klar. Doch auch dem Studierendenwerk sei der deutliche Trend hin zum Einweg-Becher aufgefallen.
Insgesamt haben wir in diesen Jahr circa 450.000 Einweg Kaffeebecher für alle Hochschulen verbraucht. Im Bereich der Universität wurden davon circa 300.000 Becher ausgegeben.
Dazu kommen die Becher, die in Cafés und Mensen benutzt werden, die nicht zum Studierendenwerk gehören.
Es liegt an den Verbrauchern
Daher habe man bereits vor Jahren die zu 100 Prozent kompostierbaren Becher eingeführt. Dass das Problem damit nicht gelöst ist und auch Herstellung, Transport und Recycling dieser Becher Ressourcen verbrauchen, ist dem Studierendenwerk klar. Es müsse sich etwas im Verhalten der Studierenden ändern.
Uns wäre es am liebsten, die Leute würden die Mehrwegtassen benutzen,
klagt Herr Wedel. Auch einen eigenen Thermobecher mitzubringen wäre kein Problem. Ein Pfandsystem für Becher zum Mitnehmen wie es jüngst in Freiburg eingeführt wurde, das fände Herr Wedel besonders gut.
Das Studierendenwerk habe den Initiativen bereits angeboten, zumindest in der Anfangsphase eines solchen Systems den Kaffee in den Mehrweg-Bechern zu rabattieren. Für die Studierenden wäre das zumindest zeitweise ein Anreiz zum Umdenken.
Was schließlich umgesetzt werden wird, ist noch unklar. Zeigen wird sich das im kommenden Semester – das beginnt im Februar.