Mannheim, 31. Juli 2017. (red/as) Nachdem ein Immobilienbesitzer sich im Dezember 2016 auf einen seltsamen Tausch-Handel einließ und dabei um 110.000 Euro betrogen wurde, konnte die Polizei einen der mutmaßlichen Täter festnehmen. Am Donnerstag wurde er dem Schöffengericht am Amtsgericht Mannheim vorgeführt. Bei dem schweren Betrug handelte sich um einen sogenannten „Rip-Deal“, der ähnlich wie der „Enkel-Trick“ von professionell organisierten Banden durchgeführt wird. Wissen Sie, was ein „Zieher“ und ein „Keiler“ sind? Nein? Dann lesen Sie den Text
Von Annika Schaffner
Zwei Immobilien auf Mallorca und der Traum vom Auswandern – das war die Ausgangslage des geschädigten Ehepaares, dass sich deshalb entschloss, eine der Immobolien für 1,2 Millionen Euro zu verkaufen. In diesem Preissegment gibt es jedoch nicht viel interessierte Käufer, sodass neben mehreren beauftragten Maklern auch Anzeigen in einer mallorquinischen Zeitung geschalten wurden.
Tatsächlich meldete sich ein interessierter Mann, angeblich aus England zur Besichtigung kam. Bei weiteren Treffen und Gesprächen mit dem geschädigten Ehepaar zeigte er sich weiterhin gut gesittet und freundlich, konnte sich mit einer englischen Firma ausweisen, sodass einem Kauf nichts mehr im Weg stand. Als Hintergrund für den Immobilienkauf gab der Mann und spätere Angeklagte den Brexit an – er wolle sein Geld anlegen und damit retten. Da er jedoch nur 800.000 der 1,2 Millionen Euro in Euro verfügbar hatte und der Rest angeblich nur in britischen Pfund, schaltete er einen angeblichen Geschäftsmann aus Deutschland mit ein, der die restlichen 400.000 Euro stellen sollte.
„Für mich war alles safe“, erklärte der Geschädigte heute im Gerichtssaal, denn er sei vor allem froh gewesen, jemanden gefunden zu haben, der tatsächlich sein Haus kaufen wollte. Nun kam es in Mannheim zum Treffen mit dem Geschäftspartner, der die 400.000 übergeben sollte. Dieser war angeblich im Goldhandel tätig und wollte dem Deal nur zustimmen, wenn „für ihn auch was dabei rumspringen würde“. In weiteren wirren Geschichte erzählte er dem geschädigten Ehepaar, er habe durch den Goldhandel sehr viele 500-Euro-Scheine, die er gerne los wollen würde, da der Schein abgeschafft werden soll. Deswegen möchte er in Gold tauschen.
Betrug nach seltsamen Tauschdeal
Dieser seltsame Nebendeal war dem Ehepaar, die zuvor noch nie etwas mit Goldhandel zu tun hatten, zwar durchaus suspekt. Da sie aber zufällig einen Goldhändler in ihrer Heimatstadt Alzey kannten gingen sie auch darauf ein. Sie tauschten 110.000 Euro in Goldbarren.
Am Tag der Übergabe sollten alle drei Seiten wieder in Mannheim zusammen kommen: Das Ehepaar, das immer noch ihr Haus verkaufen wollten, der Mann aus England, der das Haus kaufen wollte und der Goldhändler, der Bargeld unter der Bedingung des Goldtausches zur Verfügung stellen sollte. Der Mann aus England ist jedoch nie erschienen.
In der Wartezeit merkten die Geschädigten auf einmal ganz deutlich:
Irgendwas stimmt da nicht!
Der Goldhändler war vermummt angezogen und wirkte nervös. Doch zusätzlich war er fordernd und aufbrausend und verlangte den Tausch ohne die Anwesenheit des eigentlichen Hauskäufers. Die Geschädigten bekamen es mit der Angst zu tun: „Wir wussten ja nicht, was der da unter dem Mantel hat!“ und ließen ihr mitgebrachtes Gold überprüfen.
Nun sollte auch das Bargeld des Betrügers überprüft werden, das Ehepaar bekam hierfür eine der 500-Euro-Scheine-Bündel. Es war echtes Geld, dass sich der angebliche Goldhändler aber zurück in seine Jacke steckte, anstatt in den Geldkoffer. Dies bemerkte das Ehepaar erst später, denn der Betrüger wurde immer unruhiger und forderte die Übergabe.
Gleich nachdem der Tausch der Koffer geschehen war, stieg der Betrüger in ein heranfahrendes Auto und fuhr mit dem Gold davon. Im Geldkoffer, der sich nun im Besitz des Ehepaares befand, war lediglich wertlosen Spielgeld. Auch die Immobilie wurde nicht gekauft.
Wie kann man so bescheuert sein?,
fragt der Vorsitzende Richter Volker Schmelcher dann in der Hauptverhandlung am 27. Juli 2017 verwundert. „Frage ich mich jeden Tag“, antwortete der geschädigte Ehemann. Die beiden kamen ihn über die vielen Gespräche einfach seriös vor und das Ehepaar wurde, beim Gedanken das Haus verkaufen zu können, euphorisch. „Wird mir nicht mehr passieren“, machte der Geschädigte noch klar, er habe durch diesem Vorfall auch noch psychische Probleme davon getragen.
Polizei kommt trotz kleine Erfolge an Grenzen
Die Polizei konnte ermitteln, dass die Betrüger die ganze Zeit unter Decknamen und falschen Personalien gehandelt haben. Dahinter stecken professionelle Tätergruppierungen, das wussten die Beamten sofort, erklärt der Kriminalhauptkommissar, der als Zeuge geladen war. Über das Fluchtfahrzeug und verschiedene Überwachungsbilder konnte der angebliche Goldhändler, der als „Zieher“ fungierte, also derjenige, der den betrügerischen Tausch am Ende durchführen sollte, identifiziert werden. Dieser in Ludwigshafen gemeldete und wahrscheinlich zur Volksgruppe der Roma gehörige Mann konnte jedoch bis heute nicht gefasst werden und wird per internationalem Haftbefehl gesucht.
Anhand von Handydaten und Aufzeichnungen kam die Polizei aber zu weiteren potenziellen Opfern auf der Liste der Betrüger. Mit einem der Opfer wurde ein Treffen vorgetäuscht, bei dem der Angeklagte festgenommen werden konnte. Dieser agiert als sogenannter „Keiler“; er soll die potenziellen Opfer an Land ziehen.
Im diesem Einzelfall hatte die Polizei zwar allerlei Maßnahmen ergriffen und hatte schnell Erfolg, es zeigen sich aber auch große Probleme: Die große Mobilität und ihre Vernetzung in ganz Europa macht es den Beamten sehr schwer „das Gestrüpp dahinter zu durchdringen“, wie es Richter Schmelcher ausdrückte.
Wie tief steckt der Angeklagte im „Gestrüpp“?
Der Angeklagte ließ durch seinen Verteidiger ein Geständnis verlesen, in dem er zugab, wissentlich beim Betrug beteiligt gewesen zu sein. Er habe eben jedoch „nur“ als Keiler fungiert, da er ein Talent zum Verkaufen habe. Alle Betrugsmittel habe er vom Zieher, dem angeblichen Goldhändler, bekommen. Der Fall mit dem Haus auf Mallorca war zudem sein einziger „Erfolg“. Über weitere Details oder Zusammenhänge wisse er nichts. Er sieht zudem eine Gefährdung von sich und seiner Familie und bat deshalb über den Zieher keine weiteren Angaben machen zu müssen.
Auch der Kriminalhauptkommissar konnte keine Beweise vorbringen, dass der Angeklagte mit dem Drahtzieher Kontakt pflegte oder mit einem Bandenmitglied in irgendeiner Weise verbunden sei.
Der Angeklagte, der sich ebenso zu den Roma zählt, ist niederländischer Staatsbürger, hat mit seiner Frau und seinen fünf Kindern einen Wohnsitz in Rotterdam und einen in Krefeld. Nachdem er mit seine Eltern 1992 aus Serbien in die Niederlande geflüchtet war, hat er dort nach einer Schulausbildung sehr verschiedene Arbeiten ausgeführt. Er war eine Zeit lang Inhaber einer Metzgerei in den Niederlanden, zuletzt habe er für eine Firma in Deutschland Fußbodenheizungen verkauft. Diese Firma würde ihm laut eines Vertrags nach dem Verfahren wieder einstellen.
Der Verteidiger betonte ausdrücklich, dass die Familie sehr gut integriert sei, dass sogar die Mädchen auf Schulen geschickt werden, was für Sinti und Roma eher ungewöhnlich sei. Der große Familienzusammenhalt und der Wille zur Arbeit wurde ebenso mehrmals betont.
Der Angeklagte hatte bereits 60.000 Euro an die Geschädigten als Schadenswiedergutmachung überwiesen, ein Teil des Geldes hatte er selbst, ein anderer wurde von seiner Familie gestellt. Dazu wurde festgehalten, dass der Angeklagte jeden Monat 2.000 Euro seines Gehaltes an das Ehepaar abgeben werden wird. Für Richter Volker Schmechler sind diese Zahlungen außergewöhnlich, da sie in vergleichbaren Fällen eher nicht vorkommen.
Freiheitsstrafe oder Bewährung?
Unter anderem deshalb plädierte die Verteidigung auf zwei Jahre Haftstrafe auf Bewährung. Der Angeklagte sei in die kriminellen Machenschaften „hineingeraten“ und habe keine weiteren Verbindungen in die Szene. Durch die Bewährung soll er weiter fähig sein, sich um seine Kinder zu kümmern und die Restschuld an die Geschädigten zu zahlen. Außerdem bemerkte der Verteidiger, er könne das Verhalten der Geschädigten nicht nachvollziehen und gibt ihnen eine Mitschuld.
Überraschenderweise stellte die Verteidigung in einer Pause der Verhandlung in den Raum, dass im Falle einer Verurteilung zur Freiheitsstrafe dem Angeklagten ein Betrag von 25.000 Euro zur Verfügung stünde, welche er für eine Kaution nutzen würde oder im Falle der Bewährungsstrafe den Geschädigten zu gute käme.
Die Staatsanwältin plädierte dennoch auf die Freiheitsstrafe von drei Jahren, da die Betrüger „richtig gut organisiert und professionell waren“. Der Angeklagte war zwar in der Rolle des Keilers tätig und nicht der Chef, habe aber genau gewusst, dass sein Handeln kriminell sei. Außerdem stellt sie klar:
Es muss sich in kriminellen Kreisen rumsprechen, dass jeder, auch wenn er nur untergeordnet ist, sich verantworten muss.
Sie vermutet, dass auch der Angeklagte zu der „Bande“ gehören muss, da diese ihm sonst nicht so schnell vertraut hätte. Dazu kommt, dass durch die Struktur ins Ausland erhöhte Fluchtgefahr besteht, weshalb sie eine Antrag auf Kaution ablehnen würde.
Das Urteil des Schöffengerichts
Die Schöffen und der vorsitzende Richter ließen sich für die Urteilsverkündung Zeit. Der Angeklagte wurde wegen Betrugs im besonders schweren Fall auf zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe verurteilt, womit der Haftbefehl erhalten bleibt. Der Angeklagte und seine anwesende Frau wie sein Vater waren von diesem Urteil sichtlich und hörbar betroffen. „Hören Sie auf zu heulen!“, wies Richter Volker Schmelcher die Reaktion zurück, denn der Angeklagte habe seine Tat zu verantworten.
Auf den Deal mit den 25.000 Euro hat sich das Schöffengericht nicht eingelassen, da eine Fluchtgefahr besteht und sich auch die Geschädigten in gewisser Weise selbst zu verantworten haben. Eine Bandenzugehörigkeit konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dann wäre die Haftstrafe nicht unter drei Jahren ausgefallen, warnte der Richter.