Mannheim/Rhein-Neckar, 30. September 2016. (red/me) Die Eröffnung des neuen Einkaufsquartiers Q6/Q7 lockte nach Angaben des Center-Managements am ersten Tag rund 60.000 neugierige Kunden an. Wir haben uns unter das Publikum gemischt und die ersten Eindrücke auf uns wirken lassen. Was ist anders beim Einkaufen am Beginn der Fressgasse und für wen lohnt sich der neue Konsumpalast?
Von Mathias Meder
Es ist 12 Uhr am Eröffnungsdonnerstag. High-Noon in der Fressgasse in Mannheim. Knapp 27.000 Quadratmeter warten auf mich, entdeckt zu werden. Die Einfahrt in die neugestaltete Fressgasse wirkt großartig und markant, nachdem nun endlich der Bauzaun weg ist. Vor der Tiefgarageneinfahrt stehen zwei Polizisten und passen auf, dass nichts passiert.
Die Tiefgarage wirkt hell, modern und riesig. Rote und grüne Leuchten an der Decke zeigen an, wo noch Plätze frei sind. Das Parkhaus ist gut gefüllt und dennoch findet man rasch einen Platz. Auch die Wegeführung lässt nichts zu wünschen übrig und so finde ich rasch den Weg zum Fahrstuhl, der mich ins neue Stadtquartier befördern soll.

Dieses Parkhaus ist gigantisch. Fast 1.400 Plätze.
Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens ist der Fahrstuhl endlich da. Ich hätte ja auch die Treppe genommen – nur wo ist die? So zwänge ich mich zwischen die anderen Menschen in den Fahrstuhl. Es sind insgesamt fünf Personen und zwei Kinderwagen. Das erste Gefühl von Q6/Q7: Platzangst. Die Frau gegenüber sagt laut, was auch ich in dem Moment denke:
Mir sind die Fahrstühle hier zu klein.
Ich steige auf der untersten Ebene gleich wieder aus und entschließe mich, zunächst die Gastronomie zu erkunden. Der Magen knurrt. Es geht vorbei an der Information, wo man sich Kinderwägen, Rollstühle und Schirme ausleihen kann. Dann stehe ich zwischen „Nanu-Nana“ und „dm“. Nichts, das ich nicht schon kenne, denke ich mir. Die Umgebung erinnert mich spontan an eine U-Bahn-Station in Frankfurt, mit vielen Passanten, die zu den Rolltreppen rennen.
Ich entschließe mich für einen Burger mit Pommes bei „Die Küche“ und bin über die Wasserspender begeistert, aus denen man dort Tafelwasser zapfen kann. Naja, später mal. Aktuell funktionieren sie leider noch nicht. Meine Frage, was denn die Flasche Cola oder Limonade koste, löst bei den beiden Mitarbeitern an der Kasse leichte Panik aus: Sie müssen erstmal bei einem Kollegen nachfragen. Das Tafelwasser kostet pro Glas 1,40 Euro und die Halbliterflasche Cola 3,50 Euro. Das mit dem selbst gezapften Tafelwasser hätte mich jetzt noch mehr begeistert.
Ein Cent hin oder her
Man spürt dem Personal an, dass alle noch etwas nervös und ohne Routine sind. Ist ja auch irgendwie selbstverständlich. Die Dame an der Kasse verrechnet sich gleich mal um einen Cent, den sie zuviel abkassiert und vergisst, mir die Limo-Flasche zu öffnen. Kann passieren. Mein Burger mit Pommes und regionaler Limonade kosten mich in Q6/Q7 rund 14,50 Euro. Satter Preis. Wenigstens werde ich satt.
Während ich auf das Surren des elektronischen Kästchens warte, um damit meinen frischen Burger abzuholen, streift mein Blick über die Sitzplätze. Und da bin ich zum ersten Mal beeindruckt. Im runden und hellen Treppenaufgang zum Münzplatz, dem zentralen Platz zwischen den beiden Quadraten Q6 und Q7, kann man die Mittagspause sicher auch gut genießen.

Der Münzplatz
Oben auf dem Münzplatz steht die Zeit sowieso still. Da hier alle Plätze belegt sind, wähle ich einen der Plätze im inneren Bereich, die gemütlich und praktisch und in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Ich spüre, nun bin ich in Q6/Q7 angekommen.
Leider waren Burger und Pommes, obwohl doch gerade frisch zubereitet, nur lauwarm. Mich wundert nichts mehr, als ich meine Pfandflasche zurückgeben will. Die Jungs hinter der Kasse kennen natürlich noch nicht die Pfandpreise und in der Kasse sind leider keine Centstücke. Diesmal werden mir zwei Cent geschenkt. Danke. Das 1-Cent-Schnäppchen nehme ich mit.
Selbst die Toiletten sehen gut aus
Die klebrigen Hände will ich mir schnell mal waschen und so geht’s zurück in den Gang, wo ich schon her kam. Die Toiletten haben keine Türen sondern nur zwei Gänge und alles ist hell, sauber und ansprechend gestaltet. Nur Seife fehlt leider in allen Spendern – Sie ahnen es, die Seife. Ich bin sicher, das wird.
Ich schau noch schnell bei Rewe vorbei und durchwandere dann die beiden oberen Etagen mit den kleineren Läden. Mit Adidas, Dielmann, Swatch, S. Oliver und Marc O’Polo gibt es mir bekannte Marken, dann komme ich auch an Kult, Butiq und bei Glööckler vorbei. Mittendrin der Bayern-München-Fanshop und demnächst auch einer von den Adlern. Ich entdecke trendiges, kultiges und ausgefallenes in den Läden und dazwischen einen Sockenautomaten von Jungfeld. Die Mischung machts und ich hab Spass dabei.

Exklusiv trifft auf Masse.
Der Shop der Edel-Marke Glööckler, der eigentlich gar nicht pompös aussieht, steht eine Harley und ein großer Sessel auf einem Podest. Junge Kundinnen machen Fotos mit ihren Handys. Die Einkaufstüten der Billig-Marke Primark stehen nebendran. An der Kasse stehen Menschen aus allen Altersgruppen Schlange.
Vor dem Laden sind es nun schon vier Polizisten, die Position bezogen haben. Insgesamt 30 Polizistinnen und Polizisten sind an diesem Tag im gesamten Quartier unterwegs und achten neben Verkehr und allgemeiner Sicherheit auf mögliche Taschendiebe.
Architektur zwischen Bahnhof und Wohnzimmer
Beim Blick nach unten zum Eingang kommt mir diesmal der Berliner Hauptbahnhof in den Sinn. Das laute Abluftgebläse erinnert mich zudem an einen vorbeifahrenden Zug. Langsam ärgere ich mich, dass immer an den Eingängen der erste Eindruck für die Besucher hier so schlecht sein muss.
Kennen Architekten eigentlich nicht die Weisheit, dass man nur einmal einen ersten Eindruck machen kann? Denn während auf mich im Untergeschoss alles so groß, schnelllebig und steril wirkte, waren die Einkaufswege auf den beiden oberen Etagen das genaue Gegenteil davon.

Bahnhofsatmosphäre.
Wer auf Etage 0 und 1 shoppen geht, der wird es genießen. Denn es wirkt eben nicht wie in einem der großen bekannten Einkaufszentren. Durch die bogenförmige Wegeführung wirkt alles kleiner und an einigen Stellen fühlt man sich fast schon wie in einem kuscheligen Wohnzimmer. Gemütliche Sessel laden immer mal wieder zu einer Pause ein.
Bei Primark ist der Eindruck Q6/Q7 ganz anders
Der Riese am Rande des Einkaufsquartiers ist Primark. Bekeidung in Massen für die Massen ist doch ein etwas anderes Konzept als im Einkaufspalast nebenan. Ich gönne mir auch hier einen kurzen Rundgang und spüre, wie hier die Welt anders tickt. Das Verkaufspersonal ist verstärkt worden und man findet überall kompetente Ansprechpartner. In ein paar Tagen werden es wieder ein paar weniger werden. Doch man spürt, wie hier bereits am Eröffnungstag Ruhe, Gelassenheit und Routine herrscht.

Rund 60.000 Erstbesucher sollen es gewesen sein.
Auffällig ist hier auch das Publikum. Es ist jünger und vor allem internationaler. Man hört öfter mal eine fremde Sprache. Mal sind es die Kunden, mal die Verkäufer. Zwei Verkäuferinnen tragen ein Kopftuch. Überall blicken mich hilfsbereite Verkäuferinnen und Verkäufer an. Und alle sind bemüht, die Kleidungsstücke schnell wieder an die richtigen Stellen einzuordnen.
Es gibt noch einiges zu tun
Ich begebe mich wieder auf den Rückweg. Beim Fahrstuhl dauert es diesmal noch länger als drei Stunden zuvor. Aber er ist wieder genauso voll. Ein Rollstuhlfahrer und seine Begleiterin erzählen wütend im Aufzug, dass hier im Gegensatz zu Frankfurt Behindertenparkplätze im Parkhaus nicht kostenlos seien. Und auch sonst wurde an Rollstuhlfahrer angeblich nicht ausreichend gedacht.
Mein Eindruck ist – typisch Familienvater – , dass an Familien mit kleinen Kindern nicht wirklich gedacht wurde. Denn anders als bei Engelhorn oder den großen Einkaufszentren in der Region, gibt es hier keine Spielmöglichkeiten oder sonstige Angebote für diese kommende Kundschaft.

Nächstes Jahr ist großes Radjubiläum – an Fahrradstellplätze wurde nicht wirklich gedacht.
Auch fehlen Fahrradabstellplätze vor Q6/Q7. Lediglich vor Primark gibt es welche und die sind schnell voll.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Menschen im Untergeschoss beim Essen wirklich ohne Handyempfang bleiben wollen. Denn während anderswo in der Mannheimer Innenstadt freies WLAN installiert wurde, herrscht in Q6/Q7 unten Funkstille. Es bleibt also noch Einiges zu tun, was in den kommenden Monaten verändert werden sollte. Das Einkaufsquartier Q6/Q7 bleibt am Tag der Eröffnung noch unvollendet. Klar, der Zeitplan war straff.
Das Konzept geht trotzdem auf
Bei aller Kritik an Kleinigkeiten muss man jedoch sagen, dass das Konzept von Q6/Q7 nach meinem Eindruck aufgehen wird. Der Komplex ist keine Konkurrenz für die Innenstadtgeschäfte, sondern ergänzt diese auf kreative Art und Weise. Es wurde ein zusätzliches Angebot geschaffen und somit macht das Sinn.
In Q6/Q7 wird sich niemand einen ganzen oder halben Tag aufhalten. Man wird geradezu nach draußen geleitet und verspürt stets den Drang, auch in die Breite Straße zu gehen. Denn die Geschäfte, die es dort gibt, gibt es hier eben nicht.
Und auch andersrum wird es funktionieren. Nach Q6/Q7 werden junge Menschen genauso nach einem Innenstadtbummel gehen, wie ältere Kunden hier noch ihren Einkauf ergänzen werden. Es ist für jeden etwas dabei und man entdeckt Läden und Produkte, die man kennt, neben neuen Dingen und wird neugierig. Man darf gespannt sein, wie City und Q6/Q7 in den kommenden Wochen und Monaten zusammenwachsen werden.
Viel Freude mit den Foto-Impressionen: