Weinheim, 28. April 2018. (red/pro) Der Oberbürgermeisterwahlkampf in Weinheim bekommt zunehmend Konturen. Aktuell hat der Kandidat Manuel Just sein grundsätzliches Wahlprogramm veröffentlicht und geht damit in Vorleistung, an der sich die anderen Kandidaten orientieren werden müssen. Im Gespräch mit uns erläutert er sein Programm und die wesentliche Inhalte, denen man anmerkt, dass Kandidat Just, selbst amtierender Bürgermeister in Hirschberg an der Bergstraße, sich mit viel Energie in Weinheimer Themen eingearbeitet hat und gleichzeitig seinen „Style“ einbringt. (Bitte lesen Sie dazu am Ende auch unsere redaktionelle Anmerkung, die sehr interessant ist.)
Interview: Hardy Prothmann
Oberbürgermeisterwahl Weinheim:
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Herr Just, Sie haben Ihre Kandidatur Anfang des Jahres als eine der schwierigsten Entscheidungen Ihrer beruflichen Laufbahn bezeichnet. Wie fühlt sich das drei Monate später an?
Manuel Just: Drei Monate später bin ich voll in den Wahlkampf eingetaucht. Ich habe viel Zeit aufgewendet, um die Stadt, die Menschen und ihre Stadtteile kennenzulernen – mit ihren Problemen, aber auch mit ihren zahlreichen Chancen, ihren Vorzügen und Reizen.
Sieben Zielsetzungen
Ihr Wahlprogramm besteht aus sieben Zielsetzungen. Die erste ist „Bürgerbeteiligung und Partizipation“. Warum ist das Punkt 1?
Just: Grundsätzlich möchte ich nochmal betonen – die verschiedenen Cluster haben keine Nummerierung. Es sind eigentlich alle sieben Themenfelder gleich wichtig. Bürgerbeteiligung und Partizipation stehen oben, weil das eben in der heutigen Zeit wichtig ist: Die Menschen müssen nicht nur das Gefühl haben, dass sie mitgenommen werden, sondern man muss sie in der Tat mitnehmen. Das gilt insbesondere für die richtungsweisenden Entscheidungen einer Kommune, in dem Fall einer Stadt mit 45.000 Einwohnern bei der Frage, wie soll die Stadt 2030 aussehen? Das würde ich gerne mit einer Art Zukunftswerkstatt angehen.
Sie wollen eine Beteiligungsrichtlinie erarbeiten – mit wem und was soll diese befördern, aber auch verhindern?
Just: Es gibt ja in einer jeden Gemeinde, einer jeden Stadt ständig wiederkehrende Prozesse und da halte ich es für wichtig, dass man sich eine Art Beteiligungsrichtlinie selbst gibt, das heißt, bei welchen ständig wiederkehrenden Prozessen sind welche Personengruppen in welcher Art und Weise zu beteiligen? Es mag immer das eine oder andere Projekt dazwischenkommen, wo man sagt, das kann eine im besten Fall vom Gemeinderat verabschiedete Beteiligungsrichtlinie nicht leisten, dann muss man den Prozess sicherlich neu denken, aber grundsätzlich kann eine solche Richtlinie den weit überwiegenden Teil der Prozesse, die auf eine Stadt zukommen, auch abdecken.
Wie nimmt man alle mit?
Es gibt sogenannte “Berufsbürger”, die trifft man häufiger als andere bei solchen Themen der Beteiligung. Wie wollen Sie es schaffen, auch andere Bürger, die man sonst eher weniger sieht, zu interessieren.
Just: Das ist natürlich die Kunst in der heutigen Zeit, dass man alle einlädt, sich zu beteiligen und sich dann auch möglichst viele und nicht immer nur dieselben einbringen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern das ist natürlich nur über Monate und Jahre erreichbar. Es braucht Vertrauen in die handelnden Akteure. Ich glaube, es geht den Menschen gar nicht immer darum, dass ein Vorschlag auch zu 100 Prozent umgesetzt wird, aber dass man ihn ernst nimmt, dass man darüber diskutiert, dass er in den Abwägungsprozessen eine Rolle spielt, das halte ich schon für wichtig.
Ihr zweiter Punkt ist ein Bekenntnis zu Lebens- und Wohnqualität sowie zu Stadtentwicklung. Das ist wieder ein sehr bürgernaher Punkt. Wollen Sie der Wohlfühl-OB Weinheims werden?
Just: (lacht) Aufenthaltsqualität auf Plätzen, auf Grünflächen zu steigern, dass wenn man in einen Ort hineinfährt, dass man als Kommune eine gute Visitenkarte abgibt, an den Ortseingängen. Da weiß ich persönlich auch aus meiner eigenen Erfahrung in Hirschberg, das ist nicht immer ganz einfach und speziell mit städtebaulichen Herausforderungen einhergehend. Doch man muss immer den Fokus darauf richten, um den Menschen eine gewisse Lebens- und Aufenthaltsqualität zu liefern.
Wie mit Ärger umgehen?
Wie bringen Sie Entscheidungen den Bürgern nahe, die wenig Freude bereiten?
Just: Auch das ist mein tagtägliches Brot – mit möglichst viel Aufklärung. In Hirschberg bin ich gut damit gefahren, weil wir immer wieder bei schwierigen Entscheidungen versucht haben zu erklären, warum wir dahin gekommen sind. Und auch wenn es am Ende nicht immer nur zufriedene Menschen gegeben hat, der meist überwiegende Teil hat zumindest das Ergebnis nachvollziehen können und hatte dann Verständnis, auch wenn man vielleicht für sich persönlich zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Ich bin mir schon bewusst, das ist ein großer Zeitaufwand, den man für die Beteiligung während eines Prozesses betreiben muss, und das gleiche gilt dann auch in der Nachbereitung.
Herr Just, Sie betonen mehrfach die Stadtteile. Wie stehen Sie denn zu einer möglichen Abschaffung der unechten Teilortswahl?
Just: Zum heutigen Zeitpunkt würde ich die Abschaffung der unechten Teilortswahl nicht vorantreiben wollen. Ich kenne natürlich die Vor- und Nachteile auch aus meinem aktuellen Wirken und ich merke, dass es den Stadtteilen noch wichtig ist, dass sie eine gesicherte Vertretung im Gemeinderat haben. Deswegen bin ich zunächst für eine Beibehaltung der unechten Teilortswahl. Klar steht die Frage im Raum, ob es “gerecht” ist, ob jemand in den Ortsteilen mit viel weniger Stimmen in den Gemeinderat kommt als in der Kernstadt, aber solange es rechtens, ist erachte ich das Problem nicht als dringlich.
WOHNRAUM!
Wohnraum in Weinheim, insbesondere bezahlbarer, also im sozialen Bereich, ist in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich sträflich vernachlässigt worden. Was sind Ihre Ideen zu diesem Thema?
Just: Ganz grundsätzlich muss man sagen, dass mit der Beschlussfassung zu den Allmendäckern meines Erachtens der richtige Weg eingeschlagen wurde. Dass hier 20 Prozent dem sozialen Wohnungsbau, sprich bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Ich finde, da hat die Stadt Weinheim als Vorreiter vieles richtig gemacht in den letzten Jahren. Aber auch der Bestand muss nochmal auf den Prüfstand, ob nicht auch die eine oder andere Immobilie zu sanieren ist, weil es eben Zustände gibt, die man kurzfristig oder auch langfristig abstellen könnte. Aktuell fällt es mir aber noch schwer, belastbare Aussagen zu treffen, weil mir vielfach der Zugang zu Informationsmaterial fehlt. Ich bin aktuell Außenstehender und habe vielfach keinen Zugang zu Verwaltungsinformationen, sondern nur zu dem, was öffentlich zur Verfügung gestellt wird, wie beispielsweise den Sitzungsvorlagen.
Herr Just, das ist nachvollziehbar. Ziel 3 ist ein Bekenntnis zu Umwelt und Klimazielen sowie Mobilität. War das der Punkt mit dem Sie sich die nicht unbedingt erwartete Unterstützung durch die Grün-Alternative-Liste gesichert haben?
Just: (lacht) Die Frage können Ihnen eigentlich die Grünen selbst besser beantworten als ich. Aber ich glaube, das war der Punkt in unserer gemeinsamen Sitzung, wo wir in der Tat festgestellt haben, dass es mehr Schnittstellen gibt, als wir glaubten zu haben, weil es mir eben tatsächlich auch wichtig ist, Dinge voranzutreiben wie Lade-Stationen für Fahrräder, aber natürlich auch für Elektroautos. Ein gutes und auch schnelles Radwegenetz und das Thema Energieeffizienz als Beitrag zur Nachhaltigkeit sind mir wie andere grüne Themen ebenfalls wichtig. Da haben wir in der Tat eine ganze Reihe von Deckungsgleichheit festgestellt, was uns so vorschwebt in den kommenden Jahren.
Beim Verkehr kann man nicht viel richtig machen…
Herr Just, Verkehrsprobleme kennen Sie aus Hirschberg zu Genüge. Echte Lösungen konnten Sie nicht realisieren, oder haben wir etwas übersehen?
Just: Wir sind im Moment dabei, die Ampelschaltung in Großsachsen nochmal zu überarbeiten, im Moment sind wir in einer Phase, wo nach wie vor kleinere Feinjustierungen vorgenommen werden. Das Problem der Verkehrsströme auf der B3 ist nicht einfach zu lösen. Es gab immer wieder Lösungsansätze, und diese Lösungsansätze hätten wieder andere Nachteile, deswegen bin ich an der Stelle auch sehr vorsichtig mit meinem Wahlprogramm Verkehr. Denn ich habe gelernt, wenn Sie eine Lösung für ein Problem haben, haben Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer anderen Stelle einen Nachteil. Und baut man eine Straße als Umgehung, dann ist eben klar, dass der Verkehr vielleicht woanders fließt, aber natürlich wird der jemand anderen belasten. Das ist beim Verkehr vielleicht so ausgeprägt wie an wenigen anderen Stellen. Mir schwebt für Weinheim in der Tat ein Verkehrskonzept vor, wo man sich vielleicht auch speziell für den Süden, festlegt welche Lösungsansätze kann es geben, um, wenn das fertig ist in einem Planungsprozess in die Diskussion zu kommen. Wenn wir von Anfang an in einem Prozess starten und dies und jenes nicht wollen, weil wir an dieser Stelle zu viele Nachteile für irgendwas erwarten, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn hinterher nichts Vernünftiges dabei rum kommt. Wir müssen also ohne Denkverbote starten und dann muss die Politik hinterher entscheiden, was sie will. Vielleicht kommt man sogar zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Lösung zwar nicht sonderlich befriedigend ist, aber immer noch das Beste.
Auch mit Punkt 7 hätten Sie Ihre Ziele anfangen können: Solide Finanz- und Haushaltspolitik. Als neuer OB haben Sie nicht viel zu verteilen, sondern müssten tatsächlich konsolidieren. Wie passt das zu anderen Zielen?
Just: Ich habe das ja auch so definiert: Ich bin der Überzeugung, dass die Finanzen der Stadt Weinheim in einem signifikanten Spannungsverhältnis stehen, zwischen dem, was man sich erhalten muss und dem, was man sich eigentlich als Stadt wünscht. Deswegen ist für mich klar, es gibt eigentlich nur zwei Ebenen. Zum einen Haushaltskonsolidierung. Das wirkt einerseits darüber, dass man natürlich noch einmal alle Ausgabenpositionen auf den Prüfstand stellt, sie hinterfragt, und andererseits natürlich auch über die Stärkung der Ertragslage nachdenkt. Denn zum einen muss man sehen, dass gerade die Steuerarten, die die Stadt Weinheim selbst in der Hand hat, Grundsteuer A und Grundsteuer B und Gewerbesteuer, schon relativ hohe Hebesätze haben, wenn man sie mit anderen Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis vergleicht. Also ist für mich eigentlich klar, es muss in der Tat an irgendeiner Stelle eine Gewerbeentwicklung in der Stadt geben, um die Ertragssituation zu stärken. Und da kommt dann wieder die Verzahnung zur Bürgerbeteiligung und zur Zukunftswerkstatt ins Spiel, in der wir nämlich gemeinsam definieren, wo soll das sein, welche Grenzen setzen wir in der Stadt Weinheim mit Blick auf die Zersiedelung, was sind wir noch bereit zu akzeptieren, um den gewünschten, in Anführungszeichen, Wohlstand auch tatsächlich zu sichern. Das ist die eine Säule dieser finanzpolitischen Betrachtungsweise. Und das zweite ist eben die Prioritätenliste, das ist eigentlich nichts anderes als zum einen Sammeln jeglicher investiver Wünsche und zu versuchen, diese zusammen im besten Fall auf einer Zeitachse zu verteilen und sie nach und nach abzuarbeiten, um den Menschen zu verdeutlichen, wir können nicht alles auf einmal machen, aber andererseits ihnen auch eine Perspektive und ein Vertrauen zu geben, und zwar mit Konsequenzen, wenn man sich an dieser Liste dann orientiert.
Verantwortungsbewusst übersetzt
In Ihrem Bekenntnis zu Wirtschaft und Arbeit steht ein Satz: “Das Flächenmanagement ist verantwortungsbewusst weiterzuentwickeln.” Übersetzen Sie das doch auch vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen eben mal auf das Thema Breitwiesen.
Just: Verantwortungsbewusst auch hier wieder natürlich im engen Schulterschluss mit der Bürgerschaft, also zu was ist die Bürgerschaft bereit? Und ich finde schon, dass man das, was wir eben vertieft haben, den Bürgern anhand der Zahlen erklären muss, sowie den Zusammenhang zwischen Wohlstand und dem Erhalt einer Infrastruktur einer Stadt und einem gewissen Flächenverbrauch. Das gilt für Wohnbebauung aber auch natürlich insbesondere für Gewerbe. Und ich glaube natürlich, dass in einem solchen Zusammenhang auch der Landwirtschaft eine Perspektive geboten werden muss, also eine Art kommunaler Landwirtschaftsentwicklungsplan – der genauso ein Bestandteil dieser Beratungen sein muss wie die Gewerbegebietsdiskussion. Also wir müssen auch gemeinsam mit der Landwirten in ein Gespräch kommen, wo sehen denn sie ihre Entwicklung 2030, was sind ihre Ziele? Wir dürfen nicht nur immer die eine Seite diskutieren, sondern wir müssen immer über alle Bedürfnisse und Befindlichkeiten diskutieren.
Sie schreiben weiter, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wesentliche Grundlage Ihrer Arbeit sein wird. Wie und durch was kann man denn Vertrauen verspielen? Was darf man nicht tun?
Just: Was man nicht tun darf? Ganz einfach: Wenn Sie Entscheidungen treffen, und diese werden nicht so umgesetzt, dann verspielt man Vertrauen. Man verspielt auch Vertrauen, wenn man sich von den Menschen entfernt.
Es wird auch analoge Lösungen brauchen
Die Digitalisierung kommt an fünfter Stelle. Auch hier wollen Sie eine Strategie entwickeln. Mit wem und in welche Richtung soll das gehen?
Just: Mir wäre auch hier eine Art Digitalisierungskonzept wichtig. Digitalisierung ist teilweise ja sogar negativ konnotiert, es wird auch diskutiert, ob sie überhaupt gut ist. Ich kann diese Sorgen zum Teil nachvollziehen, glaube aber, dass wir dieses Thema nicht aufhalten werden. Deswegen müssen wir es begleiten, das würde ich gerne mit einer Digitalisierungsstrategie tun. Da wird natürlich das Thema Breitbandversorgung eine zentrale Rolle spielen, aber auch eGovernment-Lösungen. Die Digitalisierung von Schulen ebenso. Wie gehen wir dran und auch natürlich die Fragestellung, wie bezahlen wir das? Was in dem Zusammenhang aber auch nicht zu kurz kommen darf ist die Tatsache, dass es Menschen geben wird, die diesen Weg entweder nicht mitgehen können, nicht mitgehen wollen, oder ihn nicht in der Geschwindigkeit mitgehen können. Und da brauchen wir, glaube ich, auch weiterhin übergangsweise analoge Lösungen.
Sie haben einen weiteren Punkt, der bündelt Vereine, Integration, Bildung und Betreuung. Wie kam es denn zu diesem Themenbündel?
Just: Ich habe einfach festgestellt, dass speziell in dem immens wichtigen Vereinsbereich Integration eine ganz wichtige Rolle spielt, beispielsweise in Weinheim über den AK Asyl. Der AK leistet in meinen Augen einen ganz wichtigen integrativen Beitrag. Genauso wie zahlreiche Vereine, die positiv eine aktive Rolle im Bereich der Betreuung spielen. Nehmen sie exemplarisch nur einmal die TSG. Möglicherweise wird es bald einen Sportkindergarten geben…
Manchmal sind es Kleinigkeiten
Insbesondere Vereine bezeichnen Sie als wichtig. Trotzdem haben Vereine Probleme in der heutigen Zeit, was die Mitgliederzahl angeht, was möglicherweise auch die Vermittlung ihrer Vorhaben und Ziele angeht. Wie wollen Sie denn Ehrenamt in Weinheim befördern?
Just: Das ist natürlich wahnsinnig schwer, weil auch da sind die Finanzen betroffen und ich kann jetzt natürlich nicht von vorneherein allen das Blaue vom Himmel versprechen. Aber eines ist klar, und das ist meine Erfahrung: Unterstützung, die man als Stadt leisten kann, sind gar nicht immer an monetäre Aspekte geknüpft. Das liegt oft auch an Kleinigkeiten und Wertschätzung und Hilfestellungen, zum Beispiel durch den Bauhof. Da kann man schon den Vereinen oft mit pragmatischen Unterstützungen helfen.
Als amtierender Bürgermeister von Hirschberg haben Sie eigentlich genug zu tun. Dazu kommt der Wahlkampf. Erklären Sie doch bitte mal, wie es Ihnen gelingt, einen durchschnittlichen 24-Stunden-Tag zu einem 40-Stunden-Tag umzufunktionieren.
Just: (lacht) Ja klar – ganz einfach, der Tag hat 24 Stunden, und wenn das nicht reicht, nimmt man die Nacht noch dazu.
Nach unserer Einschätzung sind Sie für uns der klare Favorit unter den bislang vier ernst zu nehmenden Kandidaten. Sie haben die beste Qualifikation, Sie sind als Mitglied im Bürgermeister-Sprengel auch grundsätzlich über die Situation anderer Gemeinden informiert, wollen die kommunale Zusammenarbeit fördern, auch in Sachen Kosten. Sie haben es geschafft, eine breite Unterstützung durch CDU, Freie Wähler und die Grün-Alternative-Liste zu erhalten. Glauben Sie, dass Sie die Wahl im ersten Anlauf schaffen?
Just: Die Frage können die Weinheimer selbst wahrscheinlich besser beantworten als ich. Also ich konzentriere mich auf den Wahlkampf, den ich mit großem Engagement führe, und versuche die Probleme und Wünsche der Menschen kennenzulernen. Gestern war meine sechste Ortsbegehung. Ich sauge alle Informationen auf wie ein Schwamm und will auch mit diesen Themen das Wahlprogramm in den kommenden Tagen und Wochen weiter ergänzen. Aber ob ich einerseits Favorit bin und inwieweit meine Chancen auf Sieg stehen, das kann ich im Moment wirklich noch ganz, ganz schwer einordnen. Ich werde bis zum Wahltag voller Elan arbeiten, um die Wähler für mich und meine programmatischen Ideen zu überzeugen. Und dann haben die Menschen die Auswahl aus mehreren Bewerbern, verschiedenen Ideen, Wahlprogrammen. Und Auswahl, mit Verlaub, ist grundsätzlich immer gut…
Anm. d. Red.: Am Montag ging uns wie anderen Medien vorab das Wahlprogramm von Herrn Just zu, mit der Bitte, darüber erst ab Mittwoch zu berichten. Daran haben sich nicht alle Medien gehalten – wir schon. Wegen Terminlichkeiten war erst am Mittwoch ein Gespräch möglich, obwohl wir das gerne früher gehalten hätten. Das Gespräch haben wir am Mittwoch, den 25. April am frühen Morgen (08:30 Uhr) geführt. Ein erster Versuch über Whatsapp scheiterte, weil die Verbindung zu schlecht war. Wir hatten das versucht, um Kosten zu sparen, weil Hardy Prothmann sich als Podiumsteilnehmer zu einer Konferenz von Deutscher Welle und der Maharat Foundation zu „Fake News and Media Viability“ in Beirut (Libanon) aufhielt, wo er auf dem Panel „What is truth?“ teilgenommen hat. Letztlich haben wir über Telefon gesprochen, was rund 50 Euro Kosten erzeugt hat. Im Anschluss wurde das Gespräch transkribiert, was ebenfalls nochmals rund 70 Euro Kosten für die Abschrift der Audioaufnahme durch eine Mitarbeiterin erzeugt hat. Im Anschluss wurde das Gespräch durch Hardy Prothmann „in Form gebracht“, also in eine möglichst authentische Wiedergabe des Gesprächsverlaufs mit Korrekturen, die bei der Übertragung von gesprochener auf schriftliche Form immer notwendig ist (was wegen des sehr klaren Gesprächsverlaufs nur etwa eine Stunde Arbeit gemacht hat, dafür würden wir nochmals 70 Euro ansetzen). Dazu kommen noch mehrere Stunden Vorrecherche. Summa summarum kostet allein dieser Text rund rund 400 Euro. Frühere Leistungen sind dabei überhaupt nicht einberechnet. Journalismus kostet Geld – wir weisen immer wieder darauf hin – und Sie sind gefordert, unsere Leistung, die Sie nutzen, zu bezahlen.
Wir gehen bei Interviews immer sehr „hart“ vor, bleiben also so gut es geht am Originalwortlaut, was aus unserer Sicht unsere Interviews sehr authentisch macht. Diese Textfassung hat Herr Just „zur Ansicht“ erhalten – wir verschicken nie Interviews „zur Freigabe“. „Zur Ansicht“ heißt, dass Gesprächspartner Korrekturen einfügen können, wo sie Fehler (Versprecher, Verständnisfehler usw.) präzisieren möchten. Am Textverlauf können sie nichts mehr ändern, wer das versucht, muss mit Zurückweisung rechnen (was tatsächlich selten, aber durchaus vorkommt, dann erscheint ein Interview nicht). Beides schauen wir uns in Bezug auf das reale Gespräch sehr genau an und prüfen, ob diese Vorschläge dem Gespräch angemessen sind und bestätigen das oder „verhandeln“ nach.
„Angemessen“ heißt – wir versuchen immer so nah wie möglich am tatsächlichen Gespräch zu bleiben. Die Anmerkungen von Herrn Just waren allesamt nicht zu beanstanden, sondern haben das Gespräch präzisiert und den Text damit aufgewertet oder aktualisiert. Beispielsweise die Ortsbegehungen – im Gespräch hatte es fünf gegeben, am Freitag, als die „korrigierte“ Fassung zurückkam, gab es ein weiteres, also steht im Interview sechs statt fünf. Das ist eine Präzisierung, die den grundsätzlichen Verlauf des Gesprächs nicht tangiert.
Wir informieren Sie wie immer sehr transparent über grundlegende Bedingungen unserer Arbeit, weil uns diese Transparenz wichtig ist. Damit sind wir gegenüber anderen Medien absolute Vorreiter. Journalismus muss sich Kritik stellen und deshalb ist Transparenz sehr wichtig.
Ebenso Ehrlichkeit. Wir haben bereits deutlich gemacht, dass Redaktionsleiter Hardy Prothmann den parteilosen Kandidaten Just nicht nur für den besten Kandidaten hält, sondern vor allem für einen mit den besten Voraussetzungen qualifizierten Kandidaten. Deswegen steht das RNB auch zur Unterstützung für Herrn Just ohne anderen die Chance nehmen zu wollen – es handelt sich lediglich um unsere Empfehlung.
Das disqualifiziert im Grundsatz andere Kandidaten nicht. Die SPD-Kandidatin Stella Kirgiane-Efremidou ist zweifelsohne die stärkste Konkurrentin, die auf viele Jahre von erheblichem lokalpolitischem Engagement verweisen kann und daher durch viele und auch nach unserer Bewertung einen hohen Respekt genießt. Und Dr. Carsten Labudda haben wir sogar schon zum „Lieblingsstadtrat“ gekürt, weil es dem Vertreter von Die Linke immer wieder gelingt, mit herausragenden Eingaben im Gemeinderat sehr positiv aufzufallen. Leider, und das leider meinen wir ernst, hat sich Herr Simon Pflästerer gleich zu Beginn erheblich disqualifiziert. All dies können Sie in vielen Artikeln bei uns nachlesen.
Es gibt jetzt zwei neue Kandidaten – ernst nehmen wir diese bislang nicht, wir arbeiten dran, uns einen Überblick zu verschaffen und Sie dann zu informieren, wenn es interessante Informationen gibt. Mehr als die Information, dass es zwei neue Kandidaten gibt, ist uns das bislang nicht, weil wir keinen Boulevard machen, sondern gesellschaftlich relevanten Journalismus.
Bei Herrn Just bedanken wir uns aktuell, weil er mit hohem Respekt vor unserer journalistischen Leistung wirklich nur marginale Anmerkungen gemacht hat, die ihm wichtig waren, um sich selbst zu präzisieren. Er hat überhaupt nicht versucht, irgendetwas in „PR-Sprech“ umzuschreiben, sondern unsere Fassung grundsätzlich unumwunden akzeptiert. So kennen wir ihn seit Jahren – konzentriert und offen im Gespräch. Wir haben in der Vergangenheit keine wesentlichen Widersprüche bei ihm erleben müssen. Klar ist: Er ist als Bürgermeister von Hirschberg ein auf Zeit gewählter „politischer Beamter“ (wie jeder Bürgermeister) und nutzt „Spielräume“. Aber klar ist für uns auch – er spielt „ehrlich“.
Hinweis: Wir messen Politiker immer an Ihren Aussagen und das sollten auch unsere Leser tun. Herr Just legt ein Programm auf, er ist bereit sich dazu zu äußern und er wird sich daran messen lassen müssen. Nutzen Sie unser Interview und fühlen Sie ihm auf den Zahn. Teilen Sie uns gerne Ihre Erfahrung und Meinung mit – auch zu anderen Kandidaten. Wir berücksichtigen das gerne bei inhaltlicher Tiefe.
Einen hat Herr Just bei uns weg: Er ist Mister „mit Verlaub“ – diese Sprachfloskel kennen wir in voller Intensität nur von ihm und – mit Verlaub – die meint er so.
Und – mit Verlaub – denken Sie bitte sehr genau darüber nach, was Ihnen fehlen würde, würde es das RNB nicht mehr geben. Das wäre aus Sicht vieler unserer Gegner kein Schaden, sondern ein Triumph, weil kritischer und ehrlicher Journalismus keine Rolle mehr spielen würde.
Und – mit Verlaub – gehen Sie mit Sicherheit davon aus, dass das RNB nicht über Gebühren finanziert ist, sondern von Werbeeinnahmen und Zahlungen durch Nutzer abhängig ist. Wir leisten harte journalistische Arbeit. Wenn diese nicht bezahlt wird, stellen wir ein. Die Konsequenzen malen Sie sich bitte selbst aus.