Mannheim, 24. Mai 2016. (red/hmb) Grotesk-komische und bildgewaltige Szenen: Tanz hat seine ganz eigene Sprache – und dennoch wird er in „Body & Language“ für eine wortlose Hommage an die Schrift genutzt. Dazu gab es eine außergewöhnliche Kooperation des Gastchoreografen Lukáš Timulak mit einem Schriftdesigner.
Von Hannah-Marie Beck
Lange Zeit flimmert nur der Buchstabe „A“ über eine Leinwand, später finden ein B dazu, ein C und ein D – bis das gesamte Alphabet vor den Augen der Zuschauer vorbeizieht. Dann formen die Buchstaben einen Satz:
26 letters to say everything,
– „26 Buchstaben, um alles zu sagen“. Auf der Bühne wird allerdings kein einziges Wort gesprochen.
Vielmehr wollte Gastchoreograf Lukáš Timulak den Zusammenhang zwischen Schrift- und Körpersprache ergründen. Dies gelang ihm durch eine außergewöhnliche Zusammenarbeit mit dem slowakischen Schriftdesigner Peter Bil’ak.
Grotesk-komische Bilder
Schwarze Balken schränken das Sichtfeld ein und lassen nur Blicke auf Teile der Bühne zu. Dann treten Beine in Erscheinung – die dazugehörigen Oberkörper bleiben allerdings verdeckt. Sie marschieren im Takt der elektronischen Musik, die das Schauspiel untermalt.
Schließlich tauchen Köpfe und Schultern auf und verschmelzen mit den Unterleibern – allerdings nicht ihren eigenen. Dadurch entstehen grotesk-komische Bilder: Zarte weibliche Oberkörper und kräftige Männerbeine bewegen sich gemeinsam über die Bühne.
Bis im klassischen Sinn getanzt wird, dauert es – dann hebt sich die Leinwand und die Tänzer beginnen mit ihren Soli. Die Kostüme sind schlicht und simpel, ebenso wie sich das Bühnenbild auf wenige Schwerpunkte konzentriert – und dennoch erzeugt das Stück eine dichte, unnahbare Stimmung. Die Botschaft bleibt kryptisch.
Die Tänzerinnen und Tänzer liefern eine großartige Leistung: In starken, aber fließenden Bewegungen mit schnellen Wechseln, bewegen sie sich leichtfüßig über die Bühne. Nach einem Solo von Zoulfia Choniiazowa gibt es sogar Szenenapplaus.
Die Musik strapaziert hingegen durch sich ständig wiederholendes Piepen und tief-dröhnende Bässe. Der Klang ist brachial und schmerzt in den Ohren – im krassen Kontrast dazu bewegen sich die Tänzer grazil und anmutig. Die Gruppenszenen hingegen sind angenehmer anzuhören – denn hier wird sanfte Klaviermusik eingespielt.
Bildgewaltige Szenen
Immer wieder gibt es bildgewaltige Szenen und herausragende Momente: Einmal schwebt eine C-förmige Konstruktion über der Bühne, sie ist zusammengesetzt aus Fäden und Bällen. Ein Teil dieser fällt überraschend zu Boden und fügt sich fließend in den Tanz ein.
Danach müssen die Bälle allerdings erstmal wieder aufgeräumt werden – und es gibt eine Pause. Leider. Denn gerade als die Atmosphäre am eindrücklichsten ist, wird man herausgerissen. Im zweiten Teil fällt es umso schwerer, wieder hineinzufinden.
Eine Hommage an die Sprache
Körper und Sprache. Tanz und Worte. Was ist die Idee hinter diesem Konzept? Funktioniert Tanz doch wortlos, hat seine ganz eigene Sprache. Und dennoch wirkt das Stück wie eine Hommage an die Schrift. Selbst die Körper der Tänzer bilden bisweilen Buchstaben – sie formen unter anderem das A und das Z, symbolisch für Anfang und Ende.
Alle 26 Lettern werden allerdings nicht auf die Bühne gebracht. Der Fokus wird auf einzelne Ausdrücke und deren Wirkung gelegt – Begriffe geformt durch die Sprache des Körpers und wie sie trösten und verletzen, bekräftigen und binden, entzweien und zusammenführen.
Manchmal fehlen Worte, um Emotionen zu beschreiben. Indem die Sprache ihr Vokabular um den Tanz erweitert, können sie, völlig wortlos, dennoch zum Ausdruck gebracht werden.
Weitere Aufführungen finden am 05. und 12. Juni um 20:00 Uhr statt. Der Eintritt kostet 4,25 – 32 Euro.