Rhein-Neckar, 24. September 2013. (red) In Heidelberg haben wir Dr. Franziska Brantner, Lothar Binding, Sahra Mirow und Jens Brandburg bei der Wahlparty getroffen. Wir dokumentieren Statements, die gegen 21:00 Uhr abgegeben wurden. Dr. Karl A. Lamers feierte mit Parteifreunden im “Reichsapfel” und hat sich Montagnachmittag telefonisch gemeldet.
Dr. Karl A. Lamers (CDU) gewann mit 40,9 Prozent aller Erststimmen das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg. Auch in den Zweitstimmen schnitt die CDU in Heidelberg mit 37,5 Prozent am besten ab:
Das war ein toller Abend, der schönste in meiner 19-jährigen Zeit als Bundestagsabgeordneter. Ich freue mich sehr, dass ich die Menschen so erreichen konnte. Dieses Wahlergebnis ist für mich Ausdruck, dass die Menschen meine Art und Arbeit schätzen und mir ihr Vertrauen geschenkt haben. Der Auftrag ist klar: Ich soll meine Arbeit wie gewohnt fortsetzen. Die Gründe für diesen grandiosen Wahlerfolg sind vielfältig. Die Popularität der Kanzlerin ist ein sehr wichtiger Grund. Die Niederlage der FDP ein anderer.
Die Lage ist jetzt aber nicht ganz einfach. Zuerst müssen Gespräche mit der SPD geführt werden. Gespräche mit den Grünen würde ich nicht ausschließen, aber die SPD ist erster Ansprechpartner. Was gar nicht geht, sind Gespräche über rot-rot-grün. Das wäre ein immenser Vertrauensbruch. Die Kanzlerin hat einen klaren Führungsauftrag erhalten und ein linkes Bündnis würde die eindeutige Wahl der Mehrheit konterkarieren und Deutschland massiv schwächen sowie die Stabilität des Landes gefährden.
Das Ergebnis der AfD habe ich registriert – die haben aber keine politische Bühne und in vier Jahren sieht die Welt anders aus. Ganz klar muss man sich auch mit deren Positionen auseinandersetzen. Wie immer gilt für mich: Respekt vor Andersdenkenden praktiziere ich schon immer.
Lothar Binding (SPD) lag hinter dem CDU-Kandidaten Lamers mehr als 10 Prozentunkte zurück. Nur 30,6 Prozent der Wähler hatten für ihn gestimmt:
Es hat keiner damit gerechnet, dass die FDP aus dem Bundestag fliegt. Das Problem war, dass sich die Regierung in der Koalition nicht einig war und viele Dinge im Koalitionsvertrag nicht umgesetzt hat. Und deshalb haben die traditionellen Kernwähler die FDP nicht mehr gewählt. Jetzt wird die CDU beweisen müssen, was sie alleine regieren kann. Und mit wem sie es eigentlich kann, wenn sie die absolute Mehrheit nicht erreicht.
Ich wage keine Prognose, was nächste Woche passiert. Wir wollen keine große Koalition, schon gar nicht bei diesen Kräfteverhältnissen. Rot-Rot-Grün kann nur über die Inhalte funktionieren. Ich wäre dafür, wenn sich bei der Linken alle auf ihre Stasivergangenheit überprüfen lassen. Eine große Koalition halte ich für ganz schwierig.
Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) musste nur kurz um ihren Platz im Bundestag zittern. Zwar wählten sie 12,3 Prozent der Wähler direkt. Über die Landesliste Baden-Württemberg hat sie ihren Platz aber sicher. Mit 14,9 Prozent lag das Ergebnis für die Grünen in Heidelberg deutlich über dem Bundesergebnis:
Ich bin auf jeden Fall gewählt, auch wenn die AfD gewählt wird. Ich hoffe aber, dass sie draußen bleibt, für ganz Deutschland.
Zu dem grünen Ergebnis klar: Das ist ein schlechtes Ergebnis; fast schon katastrophal. Wir müssen schauen, woran es lag. Wir hatten Gegenwind auf Bundes- und Landesebene aus unserer eigenen Partei, vor Ort haben wir alles gegeben. Im Vergleich zu den anderen Hochburgen haben wir in Heidelberg relativ wenig verloren. Von daher: Mal sehen.
Ich denke, bei uns steht ein Generationenwechsel an. Ich glaube, das war jetzt eine der letzten Reden von Jürgen Trittin. Ich denke, auch für uns steht eine Neuaufstellung und Neuausrichtung an und ich hoffe, dass wir bei Schwarz-Rot eine gute Opposition machen können. Denn bei einer so großen Mehrheit brauchen wir das für unsere Demokratie und dann, was Inhalte und Power betrifft, starke Grüne haben.
Ich glaube nicht, dass Schwarz-Grün eine Option ist. Ich glaube, das Realistische ist eine große Koalition. Ohne Steinbrück, dafür mit Steinmeier und Gabriel. In Hessen ist Schwarz-Grün komplett ausgeschlossen. Der Bouffier ist ein CDU-ler von vorvorgestern. Da wird Schwarz-Grün sehr schwer. Rot-Rot-Grün wird in Hessen auch nicht kommen. Die Grünen haben das nie ausgeschlossen. Ich glaube, dass es an der SPD hängen wird. Wir haben eine klare Präferenz und die ist Rot-Grün.
Sahra Mihrow (Die Linke) wollten nur 4,1 Prozent der Wähler per Direktmandat in den Bundestag schicken. Nur 5,7 Prozent gaben der Linken ihre Zweitstimme:
Wir haben uns natürlich ein zweistelliges Ergebnis erhofft. Wir sind jetzt drittstärkste Fraktion. Das ist schon ziemlich gut.
Ich fand es wahrscheinlich, dass die FDP scheitert, denn viele, die mit der Politik von Schwarz-Gelb nicht einverstanden waren, haben das der FDP zugeschrieben. Politische Unzufriedenheit merkt man leider an dem starken Ergebnis für die AfD: 4,9 Prozent! Das ist haarscharf.
Die Linke ist im hessischen Landtag eingezogen. Das ist ein großer Erfolg für uns. Jetzt müssen wir zeigen, wie es weitergeht. Jetzt liegt eine rot-rot-grüne Mehrheit vor, ob und wie das genutzt wird, wird sich zeigen. In einer großen Koalition wird es der SPD nicht möglich sein, Akzente zu setzen. Ein möglicher Kurswechsel ist absolut illusorisch. Schwarz-Grün würde ich den Grünen nicht empfehlen.
Die Linke hat von vornherein gesagt, dass eine rot-rot-grüne Koalition möglich ist, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Laut dem Wahlprogramm sind die erfüllt. Die Linke hat eine interne Regelung, dass die Stasi-Vergangenheit der Mitglieder angegeben werden muss. Die gibt es in unserer Fraktion nicht. Das ist also kein Ausschlussgrund.
Jens Brandenburg (FDP) war Direktkandidat im Wahlkreis Rhein-Neckar. In Heidelberg vertrat er den eigentlichen Direktkandidaten Dirk Niebel, der 3,1 Prozent der Erststimmen holte. Im Wahlkreis Rhein-Neckar stimmten nur 2,6 Prozent für Herrn Brandenburg. Immerhin 6,5 Prozent der Wähler gaben dort der FDP ihre Zweitstimme – in Heidelberg waren 7,0 Prozent.
Das ist ein grottiges Ergebnis. Das hat niemand erwartet. Eine absolute Mehrheit für die Union halte ich für fatal. Gerade für Deutschland wäre es sehr schwierig, wenn eine Partei alleine den Kurs bestimmen kann – gerade in der EU-Politik.
Wir sind an dem Ergebnis auch mit schuldig. Wir haben in den ersten beiden Jahren einen schlechten Start in der Regierung hingelegt. Da gab es auch viele Personalstreitigkeiten. Bei den Bürgerrechtsthemen mit der Aussetzung der Wehrpflicht, der Vorratsdatenspeicherung und der Internetzensur haben wir uns gegen die Union durchgesetzt. Trotzdem ist es uns nicht gelungen, unsere Wählergruppen zu erreichen. Ab morgen müssen wir daraus Konsequenzen für die nächsten Jahre ziehen. Ich sehe für die FDP das Potential, in vier Jahren wieder im Bundestag gewählt zu werden. Wir sind die einzige Partei im Spektrum, die marktwirtschaftlich orientiert, gesellschaftspolitisch sehr liberal ist und für Bürgerrechte und gesellschaftliche Freiheit steht.
Bei Schwarz-Grün kommt es darauf an, wer bei den Grünen das Sagen hat. Angela Merkel und Jürgen Trittin kann ich mir nicht vorstellen, aber andere Grüne schon. Frau Merkel ist inhaltlich sehr flexibel. Mein Tip ist eine große Koalition. Zumindest bei der Sitzverteilung im Bundestag hat die SPD das Recht auf Rot-Rot-Grün. Aber nachdem jeder SPD-Spitzenpolitiker gesagt hat, nicht mit der Linken zu koalieren, wird diee SPD das nicht machen. Das wäre sonst ein massiver Vertrauensverlust bei den Wählern. Von daher rechne ich mit einer großen Koalition, die den minimalen Kompromiss durchsetzen, aber nicht viel bewegen wird.