Mannheim, 23. Oktober 2016. (red/pro) Die Beprobung der Vogelbestände des Luisenparks hat weitere Infektionen bei zahlreichen Vögeln mit dem Vogelgrippe-Virus H7N3 festgestellt. 52 Tiere mussten deshalb noch am Samstag eingeschläfert werden. Alle weiteren rund 450 Vögel werden nun systematisch untersucht. Im schlimmsten Fall müssen alle getötet werden, um eine Ausbreitung der Seuche so gut es geht zu vermeiden.
Von Hardy Prothmann
Es klingt nicht nur dramatisch, es ist dramatisch. Bislang mussten insgesamt 86 der rund 450 Vögel im Luisenpark getötet werden, seitdem am Dienstag zunächst bei zwei toten Fasanen die Erkrankung an der Vogel-Grippe festgestellt worden ist. Konkret wurde der Subtyp H7N3 festgestellt, der sowohl hochpathogen als auch wenig pathogen vorkommt. Aktuell handele es sich nach Auskunft der Stadt Mannheim um eine gering pathogene (krankmachende) Form.
Schnelle Mutationen möglich
Das Problem: Vogelgrippe-Viren können sehr schnell mutieren und werden insbesondere über Ausatmung, Kot und alle Formen von Sekreten sowie Blut übertragen. Tödlich verläuft eine Ansteckung häufig für Nutzvögel und Volierentiere. Insbesondere Wasservögel gelten als Virenträger, erkranken allerdings sehr selten schwer an Formen der Vogelgrippe, weil sich die Viren an diese Wirte angepasst haben.
2006 kam es zum ersten großen Ausbruch der Vogelgrippe durch das Virus H5N1 in Deutschland. Damals mussten in einem Zuchtbetrieb in Sachsen rund 16.000 Tiere getötet werden, den H5N1 ist auch für den Menschen gefährlich. Seit 2003 sind nach neuesten Angaben der Weltgesundheitsorganisation weltweit 856 Erkrankungen bei Menschen diagnostiziert worden – 452 Menschen starben an der Infektion. Wie häufig bei viralen Infektionen ist nicht das Virus tödlich, sondern Folgeinfektionen insbesondere durch Bakterien, die durch das geschwächte Immunsystem nicht mehr abgwehrt werden können.
Fachleute entscheiden sich für Tötung
Am Samstagmorgen wurde bei einer Telefonkonferenz zwischen dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (oberste Landesbehörde im Sinne des Tierseuchengesetzes), Vertretern des Mannheimer Veterinäramtes, der Task-Force Tierseuchenbekämpfung Baden-Württemberg und des Regierungspräsidiums Karlsruhe für alle untersuchten Vögel die Ergebnisse der Untersuchungen besprochen und bewertet.
Die Fachleute kamen übereinstimmend zum Ergebnis, dass eine Tötung weiterer befallener 52 Vögel noch am gleichen Tag unvermeidlich ist, um alles zu tun, damit eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe so weit als möglich unterbunden wird. Sämtliche Maßnahmen sind im Übrigen auch mit dem für Artenschutz zuständigen Stuttgarter Umweltministerium abgestimmt, teilt die Stadt Mannheim mit.
Unklarer Übertragungsweg
Obwohl es sich bislang um eine niedrig pathogene Form der Vogelgrippe handelt, kann sich diese durch sogenannte Spontanmutationen in gefährlichere Varianten umwandeln. Die einzige Möglichkeit der Abwehr ist, den Seuchenherd schnellstmöglich zu beseitigen.
Bislang ist anscheinend völlig unklar, wie es zur Übertragung des Vogelgrippe-Virus gekommen ist. Wie oben beschrieben könnten insbesondere Gänse dafür verantwortlich sein. Auch Störche können Träger des Virus sein. Ganz überwiegend gehen Experten aber von Enten und Gänsen als Hauptwirten aus.
Die Stadt Mannheim ist nach dem Gesetz zur Ausführung des Tierseuchengesetzes verpflichtet, die erforderlichen Tötungen im Fall von Tierseuchen durchzuführen. Alle Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, den Bestand des Luisenparks an Vögeln soweit nur irgend möglich, vor einer weiteren Ausbreitung zu schützen. Die Stadt weist hier auf eine „reibungslose Zusammenarbeit mit der Stadtpark Mannheim gGmbH“ hin. Alle angeordneten Maßnahmen zum Schutz vor einer Ausbreitung des Virus seien von dort reibungslos umgesetzt worden.
Müssen alle Vögel getötet werden?
Die Verantwortung aller beteiligten ist groß:
Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir müssen aber alles tun, um die Ausbreitung der Seuche, im schlimmsten Fall auch noch außerhalb des Luisenparks zu vermeiden,
sagt Dr. Walter Haag, der als zuständiger Amtsveterinär beim Fachbereich Sicherheit und Ordnung an den Telefonkonferenzen für die Stadt teilnimmt und die tierärztlichen Maßnahmen vor Ort koordiniert.
Jeder einzelne Vogel, den wir im Luisenpark töten müssen, schmerzt uns. Aber wir müssen alles tun, um den Vogelbestand des Luisenparks insbesondere auch im Hinblick auf Vögel, die besonders selten und damit wertvoll für die Fauna sind, soweit wie möglich zu schützen,
teilte der Erste Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht mit. Was Herr Specht noch nicht sagt, aber durchaus wahrscheinlich werden kann, ist, dass der gesamte Bestand an Vögeln getötet werden muss, damit eine Ausbreitung der Seuche oder Mutation zu einem gefährlicheren Erreger im Land Baden-Württemberg, im Bund oder gar in Europa verhindert wird.
Ich muss akzeptieren, dass wir auch im Sinne des großen Ganzen dem begründeten Wunsch unserer Aufsichtsbehörden nach konsequentem Handeln entsprechen müssen,
formuliert Herr Specht die möglicherweise drohende Konsequenz verklausuliert.
Parkbesucher haben nichts zu befürchten
Auch Bürgermeisterin Felicitas Kubala, die Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtpark Mannheim gGmbH ist, sagt:
Ich vertraue den beteiligten Fachleuten aller Behörden, dass die getroffenen Maßnahmen im Interesse der Erhaltung des Vogelbestands des Luisenparks als Ganzes sind und der Park für seine Besucherinnen und Besucher dadurch nach wie vor sicher ist.
Zur Sicherheit des Luisenparks brauchen sich Besucherinnen und Besucher des Luisenparks wenig Gedanken machen. Die betroffenen Bereiche sind abgesperrt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Selbstverständlich – das gilt überall – soll man den direkten Kontakt zu toten Vögeln und Kot vermeiden.
Fragen und Antworten
Die Stadt Mannheim bietet um Beachtung folgender Hinweise:
1. Welcher Erreger wurde festgestellt?
H 7 N 3
2. Kann der Erreger auch für Menschen gefährlich werden?
Der Fachbereich Gesundheit stuft die Gefährdung in diesem konkreten Fall als äußerst gering ein, da eine Übertragung des vorgefundene Virus‘ auf den Menschen sehr unwahrscheinlich ist. Bürgerinnen und Bürger sollten bei einem Besuch des Luisenparks vorsichtshalber direkten Kontakt mit Wildvögeln und deren Ausscheidungen vermeiden.
3. Wie findet eine mögliche Übertragung statt?
Die Eintrittspforten sind vor allem die Nasen-, Rachenschleimhäute sowie die Bindehäute der Augen. Inhalation von Staubpartikeln, Tröpfchen und mangelnde Händehygiene stellen vermutlich die hauptsächlichen Übertragungswege dar.
4. Wie kann ich mich schützen?
Bürgerinnen und Bürger sollten den direkten Kontakt mit Wildvögeln und deren Ausscheidungen vermeiden. Unbedenklich ist der Verzehr von Geflügelfleisch, wenn dieses ausreichend erhitzt bzw. durchgegart ist.
5. Gibt es Impfungen oder Medikamente zur Vorbeugung oder Behandlung?
Zur Behandlung der Erkrankung stehen insbesondere für Risikogruppen Medikamente, sogenannte Neuraminidasehemmer, zur Verfügung. Zur Vorbeugung ist das Beachten der Verhaltensregeln (direkten Kontakt mit Wildvögeln und deren Ausscheidungen vermeiden) wesentlich.
Unabhängig davon wird empfohlen, sich gegen die „normale“ saisonale Influenza (Grippe) impfen zu lassen.
6. Welche Symptome treten beim Menschen im Falle einer Infektion auf?
1 bis 5 Tage nach einer Ansteckung treten schwere grippeähnliche Symptome auf mit plötzlichem hohem Fieber, Husten, Atemnot, Halsschmerzen, bei ungefähr der Hälfte der Erkrankten Durchfall, selten Bauchschmerzen und Erbrechen.
Im weiteren Verlauf kann sich in den folgenden Tagen eine Lungenentzündung entwickeln.
7. An wen kann ich mich beim Veterinärdienst wenden?
E.Mail: veterinaerdienst@mannheim.de
Tel. 293 – 25 25
8. Sollen tote Wildvögel der Veterinärbehörde gemeldet werden?
Nach derzeitiger Lage nur, wenn mehrere tote Tiere an derselben Stelle aufgefunden werden, also eine Häufung vorliegt. Anhand dessen kann sich die Veterinärbehörde einen Überblick zur Situation verschaffen. Beprobungen der toten Wildvögel können auf dieser Basis veranlasst werden.
9. Kann der Erreger auch für meine Haustiere gefährlich werden?
Nach aktuellem Stand beschränkt sich das Geschehen ausschließlich auf den Bereich des Luisenparks, in dem eine Vogelhaltung stattfindet. Insofern ist von einer Gefährdung von Haustieren derzeit nicht auszugehen.
10. Bestehen Bedenken zum Besuch des Luisenparks
Nein, unter Beachtung der unter Ziff. 2 und 4 aufgeführten allg. Vorsichtsmaßnahmen.
11. Können tote Kleinvögel, die auf Privatgrundstücken gefunden werden, weiterhin selbst (über den Hausmüll oder auf Grundstück vergraben) entsorgt werden?
Ja. Zur Sicherheit sollten aber Einmalhandschuhe verwendet werden. Alternativ, eine Plastiktüte umgekehrt darüberstülpen. Staubentwicklung bitte vermeiden.
12. Kann die Abfallwirtschaft weiterhin ohne Gefährdung der Beschäftigten tote Kleinvögel, die im öffentlichen Straßenraum gefunden werden, entsorgen?
Ja, siehe Antwort zu 11.