Mannheim, 23. Juni 2017. (red/momo) Der Rheinhochwasserdamm bei Mannheim ist dringend sanierungsbedürftig. Zusammen mit der Stadt Mannheim hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe am Dienstagabend in die Rheingoldhalle geladen. Dort kamen Bürger und Spezialisten der an Planung und Bau beteiligten Behörden und Firmen zu einem ersten Informationsabend zusammen. Die Veranstaltung war mit rund 100 Personen trotz drückender Hitze sehr gut besucht.
Von Moritz Bayer
Hochwasser wird eines der zentralen Themen unseres Jahrhunderts sein. Durch Phänomene wie die Erderwärmung und häufiger auftretenden Starkregen müssen wir darauf vorbereitet sein,
sagte Umwelt-Bürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne), die nach ihrer Begrüßungsrede zügig an Ralf Hübner übergab, den stellvertretenden Leiter des Umweltreferats im Regierungspräsidium Karlsruhe.
Dieser gab einen kurzen Einblick über den Ablauf des Abends. Nach drei Impulsvorträgen zur Vorstellung des Projektes, des Planungsstatus und der Umweltplanung waren fünf Themeninseln angedacht, wo sich die Bürger an Stellwänden mit den wichtigsten Informationen mit jeweiligen Spezialisten zu den Themen unterhalten konnten, welche sie jeweils am meisten betrafen und interessierten.
Notwendigkeit ist absolut gegeben
Bereits die ersten Zahlen erstaunten. Von Baden-Württembergs rund 1.000 Kilometern Gesamtlänge an Dämmen sind sage und schreibe 757 Kilometer sanierungsbedürftig. Um eine sinnvolle Abarbeitung zu gewährleisten, wurden diese in Priorisierungsstufen unterteilt. Dabei kommt es auf zwei Faktoren an.
Die Zustandsklasse beschreibt die Sanierungsbedürftigkeit des Dammes hinsichtlich seiner geotechnischen Kriterien wie zum Beispiel das Risiko von Erosionen und Böschungsbrüchen. Die Schutzklasse hingegen hat nichts mit der Dammbeschaffenheit an sich zu tun, sondern kategorisiert die Schutzbedürftigkeit der Landnutzung hinter dem jeweiligen Dammabschnitt. Dabei spielen Kraftwerke, überregional bedeutende Betriebe und zu erwartende Umweltschäden bei Dammbrüchen eine Rolle.
Der Rheinhochwasserdamm RHWD XXXIX, so die exakte Bezeichnung, wurde dabei in die höchste von vier Schutzklassen und die zweithöchste (= zweitschlechteste) von vier Zustandsklassen eingeordnet. Er ist somit einer von lediglich drei baden-württembergischen Dämmen in der höchsten Priorisierungsstufe (zwei bei Karlsruhe kommen hinzu).
Schutz und Möglichkeiten zur Dammverteidigung
Die Ziele der Sanierung wurden von Heinrich Weber, Projektleiter der Planungsgemeinschaft, klar benannt. Die Sicherung der Landflächen vor Überflutung, Anpassung der Standsicherheit an die allgemein anerkannten Regeln der Technik, Schaffung einer durchgängigen Zugänglichkeit zur Dammverteidigung und der Ausgleich von Fehlhöhen.
Momentan ist der Damm an mehreren Stellen zu steil oder hat zu viele Kurven. Dazu kommt starker Baumbewuchs, welcher ab einer gewissen Größe der Bäume zu Risiken führt. Denn fällt ein solches “Hochholz” wegen Sturm, Krankheit oder anderen Gründen aus, zerstört der Aushub an Wurzeln die Dammfestigkeit. Auch sind tote Wurzeln Leitungen, durch welche Wasser schnell fließen kann und sich somit leichter unterirdische Wege bahnt.
Zur besseren Möglichkeit der Dammverteidigung im Hochwasserfall soll auch ein durchgängiger Weg entstehen, auf dem auch schwere Transporte wie Lkw fahren könnten. Fehlhöhen im Vergleich zur rheinland-pfälzischen Seiten sind im geringen Beriech von unter einem Meter auszugleichen und anzupassen.
Einteilung in fünf Bereiche
Der Rheinhochwasserdamm reicht vom Großkraftwerk in Mannheim-Neckarau bis zur Speyerer Straße in Mannheim-Lindenhof. Zu Sanierungsplanung wurde er in fünf Bereiche eingeteilt:
- 1.) Großkraftwerk Mannheim; dort müssen vor allem die wasserseitigen Grundstücke berücksichtig werden
- 2.) Sportanlagen; einige reichen bis direkt an den Damm
- 3.) Dammbegradigung; an dieser Stelle müssen Kurven abgemildert werden
- 4.) Kleingärten; der Waldsaum reicht hier bis zur Dammkrone
- 5.) Wohnbebauung; derzeit mit Grundstücken bis zur Dammkrone
Es ist auch ein zusätzlicher sechster Abschnitt angedacht (Stadt Mannheim), dieser liegt allerdings im Verantwortungsbereich der Stadt Mannheim und gehört nicht zum Rheinhochwasserdamm XXXIX. Das RPK und die Stadt Mannheim arbeiten an einer Vereinbarung, da eine gemeinsame Durchführung aus planerischer und finanzieller Sicht Sinn macht.
Planung und Finanzierung
Als baden-württembergischer Damm obliegt die Sanierung und Instandhaltung dem Land, in Nordbaden also dem Regierungspräsidium Karlsruhe (RPK), welches bei diesem Projekt als Vorhabensträger auftritt und in letzter Instanz auch entscheiden muss. Wegen der Lage ist die Stadt Mannheim allerdings die Genehmigungsbehörde, was eine enge Zusammenarbeit unumgänglich macht.
Noch befindet sich alles in der Vorplanung. Ab 2018 soll die Entwurfs- und Genehmigungsplanung stattfinden, sodass ab 2019 mit den Anträgen zu rechnen ist. Bei reibungslosem Verlauf folgt dann das Planfeststellungsverfahren.
Um Schwierigkeiten wie Klagen von Privatpersonen schon im Ansatz vorzubeugen, versucht das RPK, mit einer transparenten Politik und der Möglichkeit zur Mitgestaltung, das Verständnis bei allen Beteiligten und eventuell Betroffenen so hoch wie möglich zu halten. “Mitwirken im Rahmen der Spielräume” lautet hier das Credo.
Ist die Sanierung des Damms bis auf den sechsten Abschnitt (der obliegt der Stadt Mannheim) Ländersache, bezahlt auch das Land Baden-Württemberg. Seriöse Aussagen über Zahlen lasen sich aber in einem solch frühen Stadium wie der Vorplanung nicht treffen. Lediglich die Erfahrung aus der Vergangenheit lassen grobe Rückschlüsse zu, in welchen Größenordnungen sich hier bewegt wird.
Ohne Komplikationen kann man pro Kilometer Damm grob mit zwei Millionen Euro für die Sanierung rechnen. Beim Mannheimer Damm geht es um eine Gesamtlänge von etwa 3,5 Kilometern.
Umweltschutz und neue Chancen
Beim Reizthema Umweltschutz gelang es Andreas Ness vom Institut für Umweltstudien Geibel & Ness GmbH, viele Sorgen zu zerstreuen. So liegt auf wasserseitiger Ebene neben dem Damm ein Vogelschutz-, Naturschutz-, Wald- und Landschaftsschutzgebiet.
Dass Bäume entfernt werden müssen, gab er unumwuden zu, aber auch dies würde mit größtmöglicher Sorgfalt geschehen. So reiche es teilweise aus, ausfallende Bäume nicht mehr nachzupflanzen, das Fällen würde lediglich an den kritischen Stellen (beispielsweise Abschnitt “Dammbegradigung”) als letzte Lösung dienen. Dafür würden an anderer Stelle neue Bäume gepflanzt, wenngleich die Suche dafür in Mannheim schwierig wäre und eventuell ein mehrere Hektar große Gebiet erst in einiger Entfernung zu finden sei.
Einfacher gestalte sich dies beim Schutz der Tiere. Durch Qualitätsverbesserungen in den bestehenden Gebieten ließen sich viele Arten besser ansiedeln. Laubfrosch, Mückenfledermaus, Spechte und Stare seien dort unter Beobachtung. Als Tipp gab es gleich noch die Bitte hinzu, Bretter und anderes Material, das dort herum liegen könnte, nicht aufzuheben oder umzudrehen. Auch wenn es teils aussähe, als wäre es einfach weggeworfen worden, seien dies oft extra angelegte Biotope für Schlagen und andere Tiere.
Umweltschäden sind an einigen Stellen leider unvermeidlich, aber wir können und sollten die darin enthaltenen Chancen sehen,
fasste Herr Ness zusammen.
Diskussionen an Themeninseln
Anschließend gab es rege Beteiligung an den fünf Stationen der Themeninseln (zu jedem Bereich eine), an denen mit den zuständigen Spezialisten im Dialog Probleme und Sorgen erörtert und diskutiert werden konnten.
Manche Fragen konnten direkt beantwortet werden, wie zum Beispiel, ob alle Gebäude, die zu nahe am Damm stünden, eingerissen werden müssten. Dies ist nicht der Fall, bei jedem Gebäude wird nämlich einzeln geprüft und ein Abriss ist die letzte zu ziehende Option.
Oft können, beispielsweise durch das Einsetzen metallener Spundwände, die eigentlich einzuhaltenden Abstandsfristen etwas verkürzt werden, ohne die Dammfestigkeit zu beeinträchtigen.
Andere Fragen bedürfen einer längeren Zeit, um entsprechende spezifische Informationen zu sammeln. Es bestand daher die Möglichkeit, diese auf Karten (wahlweise mit Kontaktadresse auf der Rückseite) zu schreiben. Die relevantesten dieser öffentlichen Fragen veröffentlicht das RPK dann samt Beantwortung auf ihrer Homepage.
Wie gut diese Beteiligungsmöglichkeit bei den Besuchern ankam, zeigte, dass die für die Themeninseln veranschlagte Zeit von 45 Minuten beinahe zu knapp bemessen war.
Im nun folgenden Plenum wurden Erkenntnisse besprochen und wiederholt auftauchende Fragen verlesen. Eine zentrale Erkenntnis war, wie ernst das Thema des Hochwasserschutzes in der Bevölkerung genommen wird.
Erkenntnisse aus der Veranstaltung fließen direkt in weitere Planungen mit ein
Die eigentlich erst für Ende 2018 angedachte, zweite öffentliche Informationsveranstaltung um den Rheinhochwasserdamm wurde als zu spät bemängelt und die Regierungspräsidiums-Vertreter versprachen sogleich, eine zeitnähere Veranstaltung in Betracht zu ziehen. Man müsse dabei natürlich im Blick haben, dass dies aber ohne einigen Fortschritt wenig Sinn machen würde.
Man werde die Wünsche aber miteinbeziehen und die Menschen nicht einfach “vor vollendete Tatsachen stellen”. Als nächster konkreter Schritt folgt die Veröffentlichung der Dokumentation über den Infoabend in den nächsten ein bis zwei Monaten und nach den Sommerferien ein Gesprächskreis mit den betroffenen Anwohnern.
Neben den zahlreichen Teilnehmern und dem regen Interesse konnten die Veranstalter vor allem das Wissen mitnehmen, dass die interessierte Bevölkerung sich zwar über die Beteiligungsmöglichkeiten freut, aber auch entschlossenes und zügiges Handeln wünscht.
So klang der erstaunliche Kommentar eines anwesendes Bürgers:
Ich bin dankbar über Ihre Bemühungen und die Informationen, aber ich hätte mir gewünscht, dass die ganzen Planungen schon etwas weiter wären und Sie nicht auf jede noch so kleine Befindlichkeit Rücksicht nehmen.
Denkt man an die Diskussionen um mögliche Baumfällungen beispielsweise bei Stuttgart 21, ist die Informationspolitik hier also durchaus als Erfolg zu werten.
Ralf Hübner schloss den Infoabend um den Rheinhochwasserdamm mit einem Dankeschön an alle Beteiligten und versicherte, dass er und sein Team “mit Hochdruck” weiter arbeiten würden.