Heddesheim/Ladenburg/Rhein-Neckar, 23. Januar 2016. (red/pro/Fotos: local4u) In Heddesheim geht die Angst um. Bei Frauen, vor allem aber bei Müttern mit Kindern, die in Ladenburg in die Schule gehen. Der Grund: Seit kurzem sind zwischen Ladenburg und Heddesheim Flüchtlinge untergebracht. Die werden von vielen als Bedrohung empfunden.
Von Hardy Prothmann
Es sind 165 Männer. Schwarzafrikaner aus Ghana und Gambia, dazu anderen Nationen wie Afghanistan. Trostlos untergebracht in früheren Erntehelfer-Unterkünften. Mitten auf dem Feld zwischen Ladenburg und Heddesheim. In unmittelbarer Nähe zur Unterkunft verläuft ein Feldweg zwischen der Gemeinde Heddesheim und der Stadt Ladenburg.
Beide Orte haben je rund 11.500 Einwohner. Heddesheim hat eine Werkrealschule, Ladenburg auch und zusätzlich eine Realschule und ein Gymnasium. Heddesheimer Kinder, die einen höherwertigen Schulabschluss anstreben, tun dies überwiegend in Ladenburg. Der Schulweg ist der Feldweg.

Seit die Flüchtlinge da sind, geht die Angst im Ort um: „Die gucken“.
Angst um die Mädchen
Seit kurzem sind die Flüchtlinge da und seitdem beherrscht die Angst viele Mütter:
Wir lassen unsere Kinder nicht mehr mit dem Rad fahren. Der Hinweg würde ja noch gehen. Aber weil die Kinder alle zu unterschiedlichen Zeiten Schulende haben, müssten sie alleine oder in sehr kleinen Gruppen zurückfahren. Das ist einfach zu riskant – vor allem für die Mädchen. Jetzt müssen wir das mit Autos organisieren.
Niemand habe an die Eltern und deren Kinder gedacht, als „diese einsame Entscheidung“ vom Landratsamt Rhein-Neckar und der Stadt Ladenburg, auf deren Gemarkung die Gemeinschaftsunterkunft liegt, getroffen worden sei. Auch der Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler habe den Ort „im Stich gelassen“.
Der Umstieg auf Busse sei nicht möglich: „Die fahren nicht in einem Takt, damit die Kinder ordentlich nach Hause kommen. Meine 13-jährige Tochter müsste mehrmals die Woche immer über eine Stunde warten“, erzählt eine aufgebrachte Mutter.
Gerücht über „widerliche Sachen“
Seit Tagen wabert ein Gerücht durch den Ort – in einer Gaststube mitten im Ort hätten mehrere Schwarzafrikaner Frauen massiv sexuell belästigt:
Da müssen ganz widerliche Sachen passiert sein. Sechs bis acht Ghanaer haben sich an Frauen rangemacht. Die Polizei war im Einsatz, aber man erfährt nichts. Über Kontakte zum Rathaus habe ich erfahren, dass das unterdrückt werden soll. Man will nicht, dass die Leute erfahren, was wirklich passiert. Es darf nichts passieren, damit der Ruf der Wohngemeinde keinen Schaden erleidet. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Auch Reinhold Dionysius (44), Leiter des Polizeipostens in Heddesheim, hat von diesem Gerücht erfahren und ist der „Angelegenheit“ sofort nachgegangen:
Es gab einen Vorfall mit Schwarzafrikanern in der Gastronomie. Das wurde mir von den Betreibern bestätigt. Einige Männer sind dort eingekehrt und ein Mann war wohl sehr angetrunken und störte die anderen Gäste. Weil er das Lokal nicht verlassen wollte, wurden meine Kollegen gerufen, um die Lage zu klären. Das ist gelungen. Von sexuellen Übergriffen wurde auch auf Nachfrage nichts berichtet.
Man kann jetzt einem deutschen Polizeibeamten trauen – oder auch nicht. Das ist ja aktuell bei einigen Menschen in Mode, die meinen, den „staatlichen Organen, den Medien und überhaupt“ könne man nicht mehr trauen. Dann doch lieber Gerüchten, mit denen sich jeder selbst seine „Wahrheiten“ stricken kann.

165 Männer. Mitten auf dem Feld. Gemeinschaftsunterkunft.
Keine strafrechtlich relevanten Vorfälle
Der Polizeibeamte Dionysius, bald sechs Jahre Chef des Postens, sagt auf Nachfrage am Freitag:
Ich habe heute schon sieben Anrufe von besorgten Frauen und Müttern gehabt. Selbstverständlich sind wir für die Bevölkerung da und nehmen Beobachtungen und Hinweise ernst. Tatsächlich muss ich bis heute aber feststellen: Es gibt sehr viele Sorgen, aber nicht ansatzweise etwas, was strafrechtlich relevant wäre.
Im Neubaugebiet Gänsgräben, am Feld und am nächsten zur Gemeinschaftsunterkunft gelegen, tauschten die dortigen Bewohner bereits Mobilnummern aus und riefen zur gemeinsamen Wachsamkeit auf, erzählt ein anderer sorgenvoller Heddesheimer. Und wie immer folgt auch hier das „Argument“ auf dem Fuß:
Ich habe mir Heddesheim als Wohngemeinde ausgesucht, hier gebaut und investiert. Die Flüchtlinge werten meine Immobilie ab. Besser wärs gewesen, ich hätte gleich verkauft. Noch ist ja nichts passiert, aber da muss man ja nur drauf warten.
Noch ist also nichts passiert. Die Betonung liegt auf dem Noch. Es ist die Angst vor der Veränderung. Vor dem Fremden oder „den Fremden“. Man weiß nichts über diese Menschen, aber man hört ja so viel.
Tratsch – schneller als der Wind
Und gibt es nicht überall Nachrichten von sexuellen Übergriffen, Raubüberfallen, Taschendiebstählen? Und wurde nicht ein Bub auf der Vogelstang gerade von „Nordafrikanern“ vom Rad gestoßen, so dass er sich verletzte? Und kann man wirklich sicher sein, dass die Polizei jeden Vorgang meldet? Insbesondere, wo gerade Wahl ist? Da kann die Landesregierung doch keine schlechten Nachrichten gebrauchen?!
Das ist mal wieder typisch Heddesheim. Hier verreißt man sich besonders gern das Maul über alle, die „nicht dazu gehören“. Selbst „Noigeblaggte“ haben es schwer hier anzukommen. Fremde, dazu noch Schwarze? Das können Sie grad mal vergessen,
sagt uns ein Heddesheimer, den wir auf der Straße ansprechen und der selbst seit 20 Jahren im Ort wohnt und weiter: „Hier gibt es viele Leute, die andere belauern und die dörfliche Buschtrommel verbreitet jeden Tratsch in Windeseile. Schlimm.“
Und so geht es weiter. Am Hirschplatz habe man schon häufiger Schwarze und auch „Neger“ beobachtet, die „dort rumlungern“ und auch schon am OEG-Bahnhof. Außerdem „laufen die Schwarzen“ in Gruppen durch den Ort und „gucken“.
Was wird das erst im Sommer am Badesee? Kann man da noch hingehen? Kann man da die „Mädchen noch hinlassen“, wenn „die da auch sind“?
Ich sage Ihnen das, früher hat man sich nach einer schönen Wohnung oder einem schönen Haus umgeguckt und auch in Kauf genommen, dass die Kinder einen längeren Schulweg haben. Das wird sich ändern. Eltern werden schauen, dass sie dahin ziehen, wo die Kinder einen möglichst kurzen Schulweg haben, was bedeutet, möglichst wenig Gefahren ausgesetzt zu sein,
sagt eine andere Mutter und:
Die Politik wird ihre Quittung dafür bekommen, wie sie mit uns Bürgern umgeht und die Willkommenskultur vor unser Wohlsein stellt.
Und nein, sie sei keine Rassistin, sagt sie auf Nachfrage. Nur Realistin. So, wie die anderen auch.
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