Mannheim, 23. Juli 2015. (red/ms) 5.711 Bürgerinnen und Bürgern haben beim Mannheimer Beteiligungshaushalt mitgemacht. Das ist – auch im Vergleich mit anderen Städten mit Beteiligungshaushalt – eine respektable Anzahl. Die Stadtverwaltung spricht davon, dass man von der regen Teilnahme regelrecht überwältigt sei und dass es bislang sehr positives Feedback gebe. Beinahe die Hälfte aller eingereichten Vorschläge hat die notwendige Unterstützeranzahl erreicht, damit die Verwaltung sich mit dem Vorschlag befasst. Doch wie viele Anregungen können überhaupt umgesetzt werden? Auf was hat die Stadt Einfluss? Und wie wird das Feedback ausfallen, wenn beliebte Vorschläge nicht verwirklicht werden?
Von Minh Schredle
5.711 Bürgerinnnen und Bürger aus Mannheim und Umgebung haben beim ersten Mannheimer Beteiligungshaushalt mitgemacht. Auf 350 Vorschläge kamen insgesamt 40.937 Bewertungen. 174 Vorschläge – also quasi die Hälfte – haben 100 oder mehr Unterstützer gefunden. Das bedeutet, dass die Verwaltung diese Anregungen prüfen und eine Stellungnahme abgeben wird. Womöglich werden einige Vorschläge in den diesjährigen Haushaltsberatungen berücksichtigt und tatsächlich verwirklicht. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.
In Mannheim ist der Beteiligungshaushalt ein Novum – andere Städte in Deutschland haben mit diesem Instrument schon mehr Erfahrungen machen können. In Stuttgart gibt es bereits seit 2001 einen Beteiligungshaushalt – wenn auch in etwas anderer Form. Im ersten Jahr haben sich 8.983 Bürgerinnen und Bürger beteiligt – 2015 waren es schon 38.369. Gemessen an Stuttgarts Einwohnerzahl (etwa 600.000 Menschen) ist die Beteiligung beim ersten Versuch ähnlich hoch gewesen. Insofern könnte man Mannheim eine ähnliche Entwicklung zutrauen und wünschen.
Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten steht Mannheim schon jetzt gut da: In Köln haben sich 2014 beispielsweise 3.967 Menschen beteiligt – obwohl die Einwohnerzahl deutlich über der von Mannheim liegt. In Frankfurt gibt es seit September 2014 einen Beteiligungshaushalt. Seitdem haben 442 Bürgerinnen und Bürger mitgemacht. In Anbetracht der niedrigen Wahlbeteiligung bei der Mannheimer Oberbürgermeisterwahl ist es erfreulich zu sehen, wie intensiv die Möglichkeit zur Teilnahme genutzt wurde.
Regionale Unterschiede
Aber Beteiligungshaushalt ist nicht gleich Beteiligungshaushalt: Zwischen dem Mannheimer Modell und dem Stuttgarter Modell gibt es beispielsweise wesentliche Unterschiede. In Stuttgart werden das Einbringen von Vorschlägen und die Abstimmung über diese Vorschläge in zwei strikte Phasen getrennt. In Mannheim konnte ab dem ersten Tag abgestimmt werden – wer seinen Vorschlag also früh einbrachte, hatte mehr Zeit, dafür Unterstützer zu finden.
Außerdem werden in Stuttgart gedoppelte Vorschläge von der Verwaltung aussortiert. Das ist in Mannheim nicht der Fall und einige Vorhaben tauchen mehrfach auf. In Stuttgart werden nach dem Abstimmungsverfahren die 100 beliebtesten Vorschläge ausgewählt – nicht automatisch alle, die eine bestimmte Unterstützerzahl erreichen.
Die Hürden sinnvoll festzulegen, ist eine große Herausforderung. Denn wenn zu wenige Vorschläge es schaffen, Beachtung zu finden, führt das schnell zu Frustration und Demotivation. Umgekehrt könnten zu viele Vorschläge die Verwaltung überlasten. Hinzu kommt, dass der Beteiligungshaushalt in Mannheim nicht nur von Bürgerinnen und Bürgern genutzt wurde – sondern offenbar auch von Politikern, die eigene Projekte populärer machen wollten. Beispiel Kulturparkett.
Das ist ein großes Problem: Denn wenn nur eine begrenzte Anzahl von Vorschlägen zugelassen wird, ist es wahrscheinlicher, dass nicht die inhaltlich besten Anregungen, sondern die mit den besten Netzwerken im Hintergrund, berücksichtigt werden.
Was lässt sich verwirklichen?
Bei den kommenden Haushaltsberatungen wird sich der Mannheimer Gemeinderat nun also mit bis zu 174 Vorschlägen auseinandersetzen müssen – von Seiten des Gemeinderats werden in der Regel knapp 300 Vorschläge eingereicht. Stadträten, Bürgermeistern und Verwaltung steht demnach ein erheblicher Mehraufwand bevor. Doch werden nicht alle Vorschläge beraten werden. Denn in vielen Fällen ist eine Idee zwar gut – die Stadt Mannheim ist aber nicht dafür zuständig oder hat nur marginalen Einfluss.
Ein mögliches Beispiel dafür, ist die beliebte Forderung vom Gelben Sack auf eine Gelbe Tonne umzusteigen – unter den neun beliebtesten Vorschlägen taucht diese Forderung gleich vier mal auf. Das macht deutlich, was für ein Ärgernis die Ist-Lage bei der Wertstoffentsorgung für die Mannheimerinnen und Mannheimer ist.
Allerdings hat die Stadt bei dieser Frage quasi gar keine Entscheidungskompetenz. Pressesprecher Dennis Baranski sagt dazu:
Eine vollständige Entsorgung aller Abfallarten ist in kommunaler Verantwortung wegen der aktuellen Rechtslage leider nicht möglich.
Für Wertstoffentsorgungen ist die „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH“ (DSD) zuständig. Die Verpackungsverordnung besagt, dass Handel und Produzenten dazu verpflichtet sind, Verkaufsverpackungen wieder zurückzunehmen. Deswegen ist nicht der Staat, sondern die Privatwirtschaft für die Entsorgung zuständig – daran kann die Stadt Mannheim nichts verändern.
Aktuell hat das DSD die Firma Knettenbrech+Gurdulic mit der Entsorgung beauftragt. Der Vertrag läuft Ende 2016 aus und die Dienstleistung wird anschließend ausgeschrieben. Der Auftrag geht immer an den günstigsten Anbieter. Auf das Ausschreibungsverfahren und das Ergebnis kann die Stadt Mannheim keinen Einfluss nehmen – höchstens selbst das günstigste Angebot einreichen.
Die Stadt Mannheim versuche laut Herrn Baranski bereits seit Längerem, die DSD davon zu überzeugen, vom Gelben Sack auf die Gelbe Tonne umzusteigen. Denkbar ist also, dass ab 2017 ein Umstieg erfolgt. Letztendlich hat die Stadt aber auch hier keine Weisungsbefugnis – die Entscheidung liegt beim DSD.
Wie gelingt die Vermittlung?
Bislang ist das Feedback zum Mannheimer Beteiligungshaushalt sehr positiv – das könnte sich allerdings ändern, wenn zu viele Vorschläge nicht berücksichtigt werden. Der beliebteste Vorschlag dieses Jahr war ein Badeschiff für Mannheim. Dass dieses tatsächlich verwirklicht wird, ist in Anbetracht der Haushaltslage fast völlig undenkbar. Ein Finanzierungskonzept fehlt in der Anregung.
Es ist gut möglich, dass der Beteiligungshaushalt jede Menge Frustration hervorruft, wenn die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgerschaft nicht feinfühlig und nachvollziehbar genug abläuft. Wenn jemand einen Vorschlag einreicht, der jede Menge Unterstützung bekommt, dann mit einer unbefriedigenden Stellungnahme abgefertigt wird, kann das für noch mehr Politikverdrossenheit sorgen. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sagt dazu:
Viele Forderungen sind sinnvoll. Aber nicht umsetzbar.
Wenn etwas beispielsweise außerhalb der Macht der Stadt stehe, werde man entsprechende Stellungnahmen mit Verweis auf die Zuständigkeit schon vor den Haushaltsberatungen veröffentlichen.
Wenn der Beteiligungshaushalt zum Erfolg werden will, müssen die Stellungnahmen der Verwaltung leicht verständlich und nachvollziehbar sein – am besten in einer Sprache, die nicht nach allerschlimmstem Bürokraten-Deutsch klingt. Wenn das gelingt, kann der Beteiligungshaushalt zu einem hervorragenden Instrument der Bürgerbeteiligung werden.
Laut Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz sei der Beteilgungshaushalt in jedem Fall „ein wichtiger Baustein in der Bürgerbeteiligung“ und man stehe noch ganz am Anfang. Das Instrument sei in jedem Fall hilfreich, um Stimmungen und Bedürfnisse der Bevölkerung zu erkennen. Man werde prüfen, ob man den Beteiligungshaushalt ganzjährig anbieten kann und sei daran interessiert, den Dialog zwischen Politik und Bürgerschaft weiter zu intensivieren.