Mannheim, 22. Dezember 2014. (red/cb) Das Syndikat, ein Zusammenschluss von deutschsprachigen Autoren, veranstaltet jedes Jahr einen Krimitag. In diesem Jahr findet er in 20 verschiedenen Städten statt. Mannheim war zum ersten Mal dabei. Die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern wurden an den Weissen Ring e.V. gespendet, der für die Opferhilfe in Mannheim zuständig ist.
Von Carolin Beez
Die beiden Polizisten richteten große Stablampen auf den Toten. Nun konnte ihn auch Melanie richtig sehen. Er stand mit weit ausgestreckten Armen an der Holzwand, die Hände waren mit Nägeln fixiert. Die Haare hingen ihm über die Stirn, der Kopf hing nach unten. Und nun, da er hell ausgeleuchtet wurde, sah man auch noch etwas weiteres: Unter der Jacke, die er trug, beulte auf Herzhöhe etwas aus.
Melanie trat näher an ihn heran, fasste mit spitzen Fingern danach und klappte die Jacke um. Nun konnten sie es alle sehen: Im Brustkorb steckte ein Messer, von dem nur der Griff herausragte. Der Schaft war zur Gänze versunken, kein Blut war ausgedrungen. Ein gezielter Stich direkt in die Pumpe verursachte kaum Blutungen, das wusste Melanie
schreibt Claudia Schmid in ihrem Krimi „Mannheimer Todesmess„, in dem die Kommissarin Melanie Härter ermittelt. Die Zuschauer schrecken regelrecht zusammen, als die Autorin die Szene auf dem Mannheimer Volksfest mit ihrer lauten und eindringlichen Stimme beschreibt.
Fünf Autoren, fünf Krimis, fünf Lesungen
Neben Claudia Schmid lesen vier weitere Autoren aus ihren Büchern. Ingrid Noll bringt mit den Auszügen aus ihrem Krimi „Hab und Gier“ oftmals ein Schmunzeln auf die Gesichter der Zuschauer. Sie erzählt von der Rentnerin Karla, die Weinheim lebt. Ihr ehemaliger Kollege Wolfram macht ihr ein nicht alltägliches – schon unmoralisches – Angebot. Sie soll nach seinem Tod eine beachtliche Summe seines Vermögens erben, unter der Bedingung, dass sie ihn zuvor nach seinen eigenen Vorstellung umbringt.
Weil Karlas Freundin Judith Wolframs verstorbener Frau so ähnlich sieht, soll diese ihn im Bett erwürgen. Denn das Würgen ist eine seiner Vorlieben beim Sex. Doch dann findet Karla Wolfram tot im Bett. Und sie weiß nicht wie das passieren konnte. Also macht sie sich selbst auf die Suche nach dem Mörder, der sie um das Vermögen bringen könnte. Mit einer Mischung aus Witz und Spannung erzählt Ingrid Noll ihre Geschichte.
Wenn man nach Ingrid Noll lesen soll, dann hat man eigentlich nie so gute Karten
sagt Krimiautor Wolfgang Burger, der danach dran ist und dessen Bücher schon mehrmals auf der Bestseller-Liste des Spiegel zu finden waren. Doch entgegen seiner Sorgen ist das Publikum auch von ihm und seinem Krimi „Tödliche Geliebte“, der in Heidelberg spielt, begeistert und es lacht über die kleinen Witze und Sticheleien zwischen dem Protagonisten, Kommissar Alexander Gerlach, und seiner Mutter.
Blutig und gruselig
Doch dann friert das Lachen der Besucher jäh ein, als Walter Landin beginnt, aus seinem „Mordherbst“ zu lesen. Der Autor beschreibt den grauenvollen Tod, eines Kirchengängers in der Feudenheimer Sankt Peter und Paul Kirche: Ein großer, dunkelhäutiger Mann. Seine Hände sind mit Klebeband an die Kirchenbank geklebt. Die Finger stehen unnatürlich nach außen. Sie sind gebrochen. Alle zehn. Der Kopf ist nach unten gesackt und die Stirn liegt auf der Betbank. Ein Messer ragt ihm aus der gekrümmten Brust. Und auf dem Boden hat sich eine große rote Pfütze gebildet.
Nein, das war keine rote Farbe. Es musste Blut sein. Sein Blut.
denkt die Frau im Buch, die auf den Leichnam aufmerksam wird. Im Publikum wird es sehr still: Das Bild des Toten geht einem so schnell nicht aus dem Kopf. Das Publikum ist wie gelähmt – für einen kurzen Moment. Dann geht der Applaus los. Und Walter Landin gibt weiter an Harald Schneider.
In „Tote Beete“, wird es als letzte Lesung wieder beschwingter und lustiger. Wenn der Protagonist Reiner Palzki zu einem Familienausflug mit seinen drei Kindern und seiner Frau gezwungen wird und zur Landesgartenschau nach Landau fahren muss.
Denn mit Blumen kann der Kommissar leider gar nichts anfangen und auch das viele Laufen strengt ihn ziemlich an. Als er dann aber live bei einer Bombenexplosion dabei ist, wird der Tag in Landau für ihn doch noch interessant. Lustig, frisch geschrieben und spritzig vorgetragen, können die Zuschauer ihren Abend beruhigt und gut gelaunt genießen.
Zusammenschluss aus 800 Autoren
Alle fünf Autoren sind Mitglied im Syndikat, ein Zusammenschluss von inzwischen mehr als 800 Krimiautoren verteilt in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Seit 1986 ist das Autorennetzwerk damit beschäftigt, die deutschsprachige Krimiliteratur zu fördern und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Außerdem schafft das Syndikat einen Austausch zwischen den Mitgliedern und verbindet so überregional.
Neben dem großen Krimifestival – die Criminale – veranstaltet das Syndikat auch den Krimitag. Zu Ehren von Friedrich Glauser finden jedes Jahr am 08. Dezember Lesungen in 20 verschiedenen Städten statt. Dieses Datum soll an Friedrich Glauser erinnern. Er war einer der ersten deutschen Krimiautoren und ist an einem 08. Dezember verstorben. Die Schriftsteller lesen an diesem Tag honorarfrei aus ihren Büchern und spenden den Erlös der Eintrittskarten für einen guten Zweck.
Zum ersten Mal in Mannheim
In diesem Jahr fand die Veranstaltung zum ersten Mal auch in Mannheim statt. Passend zum Thema der Mordgeschichten hatte sich die Organisatorin Claudia Schmid das Polizeipräsidium ausgesucht. Es sei eine nette Abwechslung, mal nur fiktive Verbrechen behandeln zu müssen sagt Thomas Habermehl, Kriminalhauptkomissar in Mannheim.
Herr Habermehl ist gleichzeitig der Leiter des Weissen Rings in Mannheim. Der Verein setzt sich für den Opferschutz ein.
Die Opferhilfsorganisation leistet in unserer Gesellschaft eine wertvolle Aufgabe. Opfer sind oftmals schwer traumatisiert. Es ist wichtig, dass es Stellen gibt, an die sie sich wenden können, um professionelle Hilfe zu erhalten. Ich habe den Eindruck, dass der Täter im Anschluss an sein Delikt oftmals mehr Aufmerksamkeit erhält als das Opfer.
In Mannheim wurden rund 1.393 Euro gesammelt und an den Weissen Ring übergeben. Damit haben die Mannheimer von allen 20 Städten am Meisten gespendet. Man kann also gut sagen, der Krimitag was ein absoluter Erfolg.