
Und dann spielte sie doch „Twist in My Sobriety“. Das Lied, das sie berühmt gemacht hat. Das Publikum hat nur darauf gewartet.
Mannheim, 20. Juli 2013. (red/ld) „Twist in My Sobriety“ kennt jeder. Sogar ich. Dabei war ich zu der Zeit, als das Lied ein Hit war, noch nicht einmal sechs Jahre alt. Das Lied wird im Radio immer noch hoch und runter gespielt. Es ist der einzige Song von Tanita Tikaram, den ich kenne – dachte ich. Am Samstag habe ich sie zum ersten Mal live gesehen. Bei ihrem Konzert zum Seebühnenzauber im Mannheimer Luisenpark.
Von Lydia Dartsch
Ich mag es nicht, wenn Stars von früher ein Comeback versuchen. Das hat für mich immer einen Beigeschmack von „Sie brauchen Geld. Deshalb spielen sie wieder“. Vielleicht stört mich auch einfach der Gedanke, dass die Stars, die früher so geglänzt haben – und in ihren Musikvideos immer noch glänzen – über die Jahre Falten bekommen haben, reifer geworden sind und immer noch die ewig gleichen Lieder spielen.

Eigentlich mag ich es nicht besonders, wenn Künstler 20 Jahre später ein Comeback versuchen. Tanita Tikaram hat mich begeistert.
Noch skeptisch von der Vorband – Stephanie Neigel und Band – warte ich also auf das Ende der Umbaupause. Dann betreten drei Musiker die Bühne, zum Schluss stürmt Tanita Tikaram auf die Bühne – der Star des Abends. Wie klein sie ist; wie zierlich. Ihre schwarzen Haare trägt sie viel kürzer als früher. Das Gesicht ist sehr viel schmaler als ich es aus dem Musikvideo von damals kenne. Sie sieht toll aus.
Bitte spiel es nicht!
Tanita geht direkt zu ihrem Mikrofonständer, hängt sich ihre Gitarre um und stellt sich erst einmal auf die Zehenspitzen, um ihr Mikrofon zu erreichen.
Ihr denk wohl, dass ich richtig groß bin,
sagt sie auf englisch und schraubt den Mikrofonständer in die richtige Höhe. Dann legt sie los.

Keine Spur von der Melancholie aus „Twist in My Sobriety“. Tanita Tikaram riss das Publikum mit.
„Spiel bloß nicht Twist in my Sobriety“, denke ich und bin mit einem Mal sehr überrascht: Das ist auch von ihr? Sie startet mit „Good Tradition“ und ich bin sofort begeistert. Das Publikum auch: Es klatscht, es jubelt und hat einfach nur Spaß. Ich hätte mir kaum ein besseres erstes Stück wünschen können.
Die haben Spaß
Tanita geht ab auf der Bühne. Sie macht Spaß mit ihrem Saxophonisten Martin Winning und der macht mit, genau wie die anderen Musiker. Man kann sehen: Diese vier haben einfach nur Freude auf der Bühne – Bryan Day an Klavier und Gitarre und Bobby Trehern am Schlagzeug. Und dieser Spaß überträgt sich auf die Zuschauer, die ganz spontan im Takt klatschen. Dazu hat sie niemand auffordern müssen.
Ich bin begeistert von dieser fröhlichen Frau, die ich nur mit ihrer melancholischen, fast gelangweilten Art aus „Twist in My Sobriety“ kenne. Sie hat sich gewandelt in den vergangenen 25 Jahren. Trotzdem bleibt ihre Musik einfach: Drei Akkorde, die sich immer wieder zum Grundakkord auflösen. Musikalisch passiert kaum etwas Unerwartetes. Keine Spielereien. Sie bewegt sich im normalen Schema der Popmusik.
Physiker sind sexy!
Sie ist trotzdem nicht langweilig, sondern reißt die Zuhörer mit. Sie spielt alte Songs und Lieder von ihrem aktuellen Album „Can’t Go Back“. Und sie erzählt von sich: Sie finde Wissenschaftler attraktiv, sagt sie – vor allem Physiker. Deshalb habe sie das Lied „Science“ geschrieben. In ihren Songs erzählt sie noch mehr: Wie sie sich gefühlt hat, als sie zum ersten Mal verliebt war: Ganz klein neben etwas ganz großem. Aus diesem Gefühl ist „Cathedral“ entstanden. Sie singt „Dust on My Shoes“, „Can’t Give You Anything But Love“, „One Kiss“ und „Valentine Heart“.

Sie spiele furchtbar Gitarre, hat sie uns im Interview gesagt und geflachst. Bei „Can’t Go Back“ spielte sie sogar Klavier.
Als in der Mitte des Konzerts, bei „What Do I Know About Rock’n’Roll“, die Luft raus zu sein scheint, legt Martin Winning einen drauf. Er spielt ein Saxophon-Solo, das die Menge zum Ausflippen bringt: Die Zuhörer jubeln und klatschen im Takt. Bei seinem nächsten Einsatz passiert das gleiche.
Das Unvermeidliche
Sehr spät im Konzert passiert dann doch das Unvermeidliche: Tanita und ihre Band spielen „Twist in My Sobriety“. Das Lied hätte sie nicht spielen sollen, finde ich und doch gehört es genau hier her. Dieses Lied will das Publikum hören. Deswegen ist es da. Es erinnert sie an ihre Zeit vor 25 Jahren, als das Lied zum Hit wurde – die wilde Zeit. Die Zuschauer jubeln, sind begeistert.
Tanita spielt „Do You“ und „Can’t Go Back“ – ihr letzter Song. Das sagt sie jedenfalls. Tatsächlich ist ihr letzter Song ein Cover von John Paul Young: „Love Is in the Air“, den sie gemeinsam mit Stephanie Neigel spielt. Leider viel zu langsam und zu brav. Das Publikum ist trotzdem begeistert, es klatscht, es jubelt. Manche Besucher geben stehende Ovationen.