Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Juli 2013. (red/ms) „There ain’t no grave can hold my body down“. Mit diesen Worten startet der letzte Song, den Johnny Cash vor seinem Tod aufgenommen hat. Und tatsächlich: In der Popkultur wird Cash am Leben erhalten. Neben Veröffentlichungen nach dem Tod und dem biographischen Film „Walk the Line“ haben sich auch einige Musicals die Ikone zum Vorbild gemacht. In Berlin wurde am 26. August 2010 zum ersten Mal „Hello, I’m Johnny Cash“ aufgeführt. In der Hauptrolle: Gunter Gabriel, ein Freund und Bewunderer Cashs. Am 16. August wird das Musical im Luisenpark aufgeführt, Gabriel war gestern schon für eine Pressekonferenz im Luisenpark zu Gast.
Von Minh Schredle
Dann bin ich kurz nach meinem Schlaganfall in die Staaten geflogen. Mein Manager betonte immer wieder: Das könnte deine letzte Chance sein. Dann habe ich mich doch überwunden und bin ziemlich angeschlagen in die Staaten nach Tennessee geflogen. Johnny ging es aber noch schlechter. Er sah zu dem Zeitpunkt ganz anders aus, irgendwie ausgelaugt. Und trotzdem ist er noch ins Studio gegangen. Er hat auch einen Satz für mein Album eingesprochen. Wir haben dann in einer Woche achtzehn Songs aufgenommen! Sein Zustand ist immer schlimmer geworden. Manche Aufnahmen haben wir abbrechen müssen, weil er einfach nicht mehr weitermachen konnte. Und trotzdem haben wir es geschafft! Bei einer Aufnahme standen ihm die Tränen in den Augen, das werde ich nie vergessen. Vierzehn Tage später ist er gestorben.
Mal amüsant, mal tieftraurig und ergreifend – aber immer begeisternd und begeistert. Gunter Gabriel hat ein Talent dafür, Geschichten zu erzählen – nicht nur in seinen Songs.

Wie er von Freund und Idol Johnny Cash erzählte, war wirklich ergreifend.
Gestern war der deutsche Country-Musiker für eine Pressekonferenz im Luisenpark. Am 16. August wird er erneut erscheinen, dann allerdings, um in einem Musical mitzuwirken: „Hello, I’m Johnny Cash!“
Nicht nur, dass Gunter Gabriel seit etwa 40 Jahren Cashs Lieder covert und ins Deutsche überträgt: Er war auch noch eng mit seinem Idol befreundet.
Natürlich ist es spannend, so einen Weltstar aus der Nähe kennenzulernen. Aber man sieht dann auch die Schwächen. Ich habe oft mitgekriegt, wie Johnny und June sich gestritten haben. Einmal, als er wieder betrunken war – vielleicht hatte er auch ein paar andere Drogen genommen – hat June ihm sogar auf die Fresse gegeben.
Offen, direkt, ehrlich
Gunter Gabriel nimmt kein Blatt vor den Mund. Was er sagt, ist offen und direkt. Sein Lebensmotto:
Ich lebe nur nach dem, wie ich bin. Nicht nach dem, was ich habe.
Das war aber nicht immer so: Er berichtet davon, wie er zum Hochpunkt seiner Karriere alles besaß, was er wollte – und wie sein Besitz ihn besessen hat:
Ich hatte ein großes Haus, ich hatte ein großes Auto, meine Harley, viele Frauen. Und trotzdem war ich unglücklich. Weil ich nicht wusste, wofür ich lebe.
Inzwischen hat er eine eigene Lebensphilosophie entwickelt.

Gunter Gabriel ist ein Geschichtenerzähler – ob mit oder ohne Gitarre. Und ein ehrlicher Mensch: „Ich hatte alles. Aber wusste nicht, wofür ich lebe.“
Für mich ist der Text bei einem Musikstück besonders wichtig. Bei fast jedem Lied mit Gesang, schaue ich mir später an, wer den Text geschrieben hat. Mit fünfzehn hat es mich einfach faszieniert, wie gut und atmosphärisch manche Musiker ihre Geschichten erzählen.
Inzwischen ist er selbst zu einem der großen Geschichtenerzähler geworden. Auch in einem normalen Gespräch lebt der 71-Jährige jeden seiner Sätze und unterstreicht sie gekonnt mit Mimik und Gestik.
Schicksale erzählen
In seinen Liedern greift er viele verschiedene Themen auf. Er hat Arbeiterlieder, Philosophisches, Politisches. Wichtig ist ihm aber, dass alles einfach verständlich ist. Wie er selbst, sind seine Songs offen und direkt.
Am liebsten texte ich über gebrochene Schicksale. Davon werde ich irgendwie angezogen. Vielleicht, weil in meinem Leben auch so viel Scheiße passiert ist. Als ich vier war, ist meine Mutter gestorben.
Auch Johnny Cash erzählte in seinen Liedern gerne außergewöhnliche Geschichten von außergewöhnlichen Menschen. Möglicherweise ist es gerade das, was die beiden so verbindet: Schicksale. Die Rolle als Johnny Cash ist Gunter Gabriels erste Rolle als Schauspieler. Zuerst hatte er sich das gar nicht zugetraut.
Da stand wirklich eine Menge auf dem Spiel. Ich habe mir über Jahrzehnte ein Image aufgebaut. Wenn ich dort versagt hätte, wäre vielleicht schon alles vorbei.
Er beschloss, eine zweite Meinung einzuholen – die seiner Astrologin.
Ich bin weder ein religiöser, noch ein sonderlich spiritueller Mensch, aber ich lasse mich gerne davon faszinieren.
Tatsächlich überzeugte seine Astrologin ihn dazu, die Rolle anzunehmen. Die Sterne stünden einfach fantastisch. Gabriel lacht. Trotzdem war der Anfang schwer:
Bei den ersten Proben hatte der Intendant beinahe einen Herzinfakt.
Wieder lacht er. Am Ende ist alles gut gegangen. Publikum und Presse nahmen das Stück positiv auf, viele Termine sind sch0n mehrere Wochen im voraus ausgebucht. Am 16. August wird der Musiker im Luisenpark auf der Seebühne auftreten – zusammen mit Helen Schneider als June Carter Cash.

„Was mich mit Mannheim verbindet? Drei Frauen. Die Namen habe ich vergessen.“