Mannheim/Rhein-Neckar, 29. Juni 2013. (red/pro) Konstantin Wecker hat vor einer Woche den Seebühnenzauber 2013 eröffnet – mit wundervoller Musik, viel Herz, Poesie und Politik. Es passiert nicht oft, dass man im Leben etwas nicht missen möchte. Alle, die an diesem Abend dabei waren, werden sich immer daran erinnern. Konstantin Wecker bewegt die Herzen, den Verstand und die Haltung. Wer was anderes behauptet, war nicht dabei.
Von Hardy Prothmann
Wow. Was für ein Erlebnis. Ich bin kein eingefleischter Konstantin Wecker-Fan. Aber ich mag ihn. Den Rebellen. Mit seiner frechen Schnauze. Mit seinem gewinnenden Lächeln. Mit seinem direkten Blick. Mit seiner einzigartigen Stimme und der Musik im Blut. Mit seiner Lust am Sein. Mit seiner angenehmen Präsenz. Mit seinem Spaß am Spiel.
Seit diesem Konzert mag ich ihn sogar sehr. Weil er so ehrlich ist. Er charmeurt, grantelt, kokettiert, zärtelt, spottet, witzelt, blödelt, ernstelt, herzelt. Und er kommt bei allem echt rüber. Glaubwürdig. Als Mensch.
Was für ein Erleben
Wenn er mit seinem Alter kokettiert und was er alles schon erlebt hat, dann kauft man ihm das ab:
Ich kenne mich aus in der Kunst des Scheiterns.
Sagt er. Spielt auf Drogen, Untersuchungshaft und eine schwere Zeit an. Und ist ehrlich, denn die „Verhaftung hat mir das Leben gerettet“. Da kann man nichts verdeuteln. Das war ein Einschnitt in seinem Leben – sicher auch in dem seiner Fans. Und er und sie sind froh, dass das alles so war, wie es war und heute ist.
Was hat einer wie er für ein Leben? Einer, der mit einer solch herausragenden Stimme gesegnet ist? Mit so unglaublich viel Musik im Blut? Mit Herz im Verstand? Mit Überzeugungen, die mehr sind als Blabla? Mit Erfolg, der irgendwann durch die Nase zu Kopf gestiegen ist? Mit einem Abstieg, der den Überflieger knallhart auf den Boden knallen ließ?
Kann sein ist bedeutungsvoll
Konstantin Wecker hat ein sehr bewegendes Leben. Früher und heute. Er lässt die Menschen daran teilhaben. Erzählt Anekdoten. Beispielsweise, als er mal als Aushilfspianist bei Harry Belafonte ein Konzert mitgespielt hat, ihn viele Jahre später wieder traf und fragte, ob dieser sich daran erinnern könnte: „Maybe“, war die Antwort des Superstars. Da lacht er über sich. Das Publikum lacht mit. Sie fühlen seinen Stolz mit, dabeigewesen zu sein. Sie fühlen seine Enttäuschung mit, nicht erinnert zu werden. Sie lachen mit ihm bei der nun gemeinsamen Erinnerung, das war, was war. Und das einem niemand ein Erlebnis nehmen kann. Konstantin Wecker kann auch Musik auf den Seeleninstrumenten des Publikums spielen. Und seine Musik ist menschlich. Harmonisch.
Seine Fans wissen, was er meint. Sehnsucht, Anerkennung, Bewunderung, Miteinander – wer wünscht sich das nicht? Und was bleibt? Ein Maybe. Ein kannsein. Wecker bringt das als Botschaft rüber. Jeder kann alles sein, wenn er es sich nur wünscht, daran arbeitet, die Hoffnung und den Glauben nicht aufgibt und schon gar nicht die eigene Haltung.
Seine ist „aufmüpfig“. Oder zart. Er rezitiert Kästner und Rilke. Wie schön. Einfach so nebenbei präsentiert er Poesie. Mit Spaß und Lust und Laune. Das würde ich mir für viele Poesien wünschen. Er bewegt die Menschen damit. Zaubert mit Sprache und macht deren Zauber erlebbar.
Musik vom Feinsten
Schon erstaunlich, wenn man eine Konzertkritik verfasst und erst sehr spät im Text etwas zur Musik schreibt. Die Wecker’sche Musik ist wie seine Performance als Kabarettist, Schauspieler, Sprecher, politischer Aktivist und Mensch auf der Bühne – einfach unglaublich vielfältig und facettenreich. Es scheint kein Genre zu geben, das er und seine Band nicht aus dem Handgelenk beherrschen. Der Pianist Jo Barnikel spielt auch grandios Trompete oder trommelt mal eben zwischendurch. Jens Fischer-Rodrian wechselt zwischen Schlagzeug und Gitarre, nutzt eine Tretkoffer als Schlagzeug, singt und bringt mit schauspielerischen Einlagen eine Freude auf die Bühne, die allen gemein ist. Nils Tuxen scheint überweigend cool zu sein – sein Spiel mit der Pedal-Steel und diversen anderen Gitarren zeigt einfach nur eine herzliche Hingabe an die Schönheit der Musik. Was alle eint ist überbordende Spielfreude und ein perfektes Handwerk. Einfach toll.
Konstantin Wecker kann aber nicht ohne politische Botschaft. Er blödelt über Kanzlerin Merkel und ihren Busenausschnitt, er brandmarkt den Raubtier-Kapitalismus. Und wenn es um Krieg und Frieden geht, wird er eindeutig:
Früher gab es eine Friedensbewegung und keinen Krieg, an dem Deutschland beteiligt war. Heute ist Deutschland an vielen Kriegen beteiligt und es gibt keine Friedensbewegung mehr.
„Empört Euch“ – immer wieder lässt er durchblicken, worauf es ihm ankommt. Auch, wenn man scheinbar keinen Erfolg hat, trotzdem weiterzukämpfen. Für das, woran man glaubt und gegen das, was man ablehnt. Er ist ein Botschafter des Miteinanders. Gegen Gewalt. Er entwaffnet mit Musik und der uneingeschränkten Bekenntnis zur Liebe.
Utopien und Ironie
Selbst um den Preis, dass, wenn er einmal an Merkels Busen schmusen könnte, nie mehr die Linke wählen würde. Natürlich bricht er das ironisch und man glaubt es ihm doch. Wenn Mutti das zuließe – wofür bräuchte es noch eine Linke?
Konstantin Wecker ist ein Empörer. Ein Mutmacher. Und ein Utopist. Das macht ihn über alle Maßen sympathisch. Das begeistert die Menschen. Als er die Bühne verlässt und zu den Menschen geht, die immer wieder „stehende Ovationen“ bringen, unter ihnen ist, sagt er:
Dass ich das nochmal erleben darf – ein Wecker-Konzert wird zum Kirchentag.
Da ist er ironisch und doch liebevoll. Kirchentag ist für ihn und die Menschen das, was sie erleben – gemeinsam feiern, gemeinsam an etwas glauben, gemeinsam einstehen. Er macht an diesem Abend keine Debatte daraus, was an „Kirche“ alles nicht gut ist. Er fokussiert sich auf das, was Freude macht.
Zugaben
Es ist mein erstes Wecker-Konzert. Ich habe keine Ahnung, ob er immer so drauf ist. An diesem Abend spielt und spielt er mit Freude und Lust. Selbst als kleine Regenschauer niedergehen und die Instrumente schnell abgedeckt werden müssen, spielt die Band weiter. Unter den Planen. Und als wären sie Schamanen, hört der Regen immer wieder auf, wenn es so aussieht, als wäre das die letzte Zugabe. Fünf Mal treten sie für Zugaben an, immer wieder besiegen sie den Regen und erfüllen die Herzen.
Lieber Konstantin Wecker, lieber Jo Barnikel, lieber Jens Fischer-Rodrian, lieber Nils Tuxen, liebes Technik- und Licht-Team, liebes Luisenpark-Team, liebes Publikum. Ich habe als Journalist schon viele Konzerte erlebt, aber selten so viel Freude, Spaß, Lust und Seeligkeit erlebt, wie an diesem Abend. Alle, die dabei waren, hatten Glück, dabei zu sein und das erleben zu dürfen.
Viel Freude mit den Fotos:
[nggallery id=121]