Mannheim, 20. Februar 2018. (red/pro) Aktuell startet die Mitgliederbefragung innerhalb der SPD – Ja oder Nein zur Groko, darum geht es. Ja oder Nein – Positionen sind seit der Entdeckung des Dilemmas schon immer tragisch: Tust Du das eine, verlierst Du das andere. Tust Du das andere, verlierst Du das eine. Das größere Problem der SPD ist ihre Hybris. Ganz lokal betrachtet.
Essay: Hardy Prothmann
Haben Sie es mitbekommen? Nach einer aktuellen Umfrage von Insa liegt die AfD erstmals bundesweit vor der SPD: 16 Prozent für die AfD, 15,5 Prozent für die SPD. Umfragen sollte man nicht zu viel Glauben schenken, aber selbst wenn sie von der Realität abweichen, diese „Gleichaufhöhe“ ist brutal für die älteste demokratische Partei Deutschlands gegen einen „Newcomer“.
Weicht diese Umfrage von der Realität ab? Das kann sein, aber ein paar Prozentpunkte hoch oder runter sind nicht wirklich bedeutend. Entscheidend ist, dass die ehemalige Volkspartei SPD sich mit der neuen rechtspopulistischen AfD mittlerweile um den Platz 2 hinter den Unionsparteien auf dem Feld streiten muss. Das ist für die SPD sehr, sehr bitter.
Noch mehr, als vor einem Jahr alle Schulz-euphorisiert waren und tatsächlich sogar eine Kanzlerschaft für möglich hielten.
Was für ein bitterer Absturz. Was für ein Trümmerhaufen.
Ich habe leider kein Mitleid mit der SPD, obwohl ich die SPD sehr schätze und ihr eigentlich mehr Erfolg wünsche, als der AfD. Aber eben nur dann, wenn ich das Gefühl habe, dass die SPD sich gesellschaftlichen Problemen adäquat annimmt und nicht nur einfach selbstherrlich ist.
Meinen Eindruck stütze ich auf meine Erfahrung als politischer Journalist und insbesondere auf eine sehr intensive Arbeit hier im Raum seit 2009.
Damals habe ich aus zufälligen Umständen das Heddesheimblog ins Leben gerufen, aus dem später das Rheinneckarblog geworden ist und sehr engagiert berichtet.
Eine ganz entscheidende Erinnerung habe ich an das Projekt „Pfenning“ in Heddesheim: Die SPD-Vertreter im Gemeinderat haben mit Verve die Ansiedlung eines Unternehmens forciert, bei dem klar war, dass es überwiegend den Niedriglohnsektor mit prekären Beschäftigungsverhältnissen bedient.
Ich kann mich an glühende Augen erinnern, die mir beweisen wollten, dass die SPD Heddesheim einfach Recht hat. Basta.
Ich kann mich gleichzeitig an den Hass aus diesen Augen erinnern, weil ich der SPD Heddesheim widersprochen habe und argumentieren wollte. Das hat mich nachhaltig schockiert. Nicht, weil ich tatsächlich Angst vor einem dieser miesen Typen gehabt hätte, die waren mir intellektuell und physisch jeder für sich und sogar in der Gruppe unterlegen sind, sondern weil ich fassungslos war, welchen Hordentrieb Menschen entwickeln können, die angeblich SPD sind.
Mit dem Rheinneckarblog kam dann auch Mannheim als Ort der Berichterstattung dazu. Hier lernte ich eine Stadträtin kennen, die sich von solchen Provinz-SPDlern distanzierte und meinte, die SPD Mannheim sei anders. Wir verstanden uns ganz gut bis „Mannheim sagt ja“. Da habe ich kritische Fragen gestellt, da wollte ich Positionen erfahren und musste lernen, dass die SPD Mannheim weitaus cleverer ist als deren Provinz-Genossen, aber leider falsch spielt, ideologisch getrieben ist und nicht bereit war, auf inhaltliche Kritik zu reagieren. Ich wurde massiv enttäuscht, insbesondere deshalb, weil diese Stimmkönigin sich anders darstellte als ihre Provinzgenossen, tatsächlich aber noch ideologisch verblendeter war, als sie meinte, es nicht zu sein.
Den letzten Satz schränke ich ein: Es gibt sehr gute Kontakte in die SPD Mannheim zu sehr klugen Köpfen, die ich sehr schätze. Trotzdem bleibt das Problem insgesamt ein Problem der SPD selbst.
Die SPD Mannheim hat aus dem Stand den Wahlkreis Mannheim-Nord an die AfD verloren. Das letzte Direktmandat. Ausgerechnet. Nicht an die Grünen, nicht an die CDU. Sondern an den ausgemachten Hassgegner AfD. An den Kandidaten Rüdiger Klos, der noch nicht mal aus Mannheim ist, sondern aus Eppelheim. Das ist wie Vierteilen, Köpfen, Verbrennen und Verbannen in einem. Reaktion der SPD? „Jetzt erst recht gegen die AfD!“
Ganz ehrlich? So viel politische Arroganz, so viel politische Dummheit tut mir persönlich weh – weil mein Herz gerne sozial schlägt. Das muss nicht meinen, dass ich SPD-Sympathisant bin, sondern dass ich lebensklug bin. Wenn man in ein friedlichen Gesellschaft leben will, muss man Bedingungen schaffen, die ein soziales Miteinander ermöglichen. Allein schon deshalb bin ich gegen die AfD – aber noch lange nicht für die SPD.
Die SPD scheitert massiv an einem Wort: Solidarität. Lesen Sie andere Medien zum Thema. Sie werden keine so einfache Analyse finden, wie beim RNB. Das Kernproblem der SPD ist ihr fataler Hang zur falsch verstandenen Solidarität.
Die Bevölkerung ist solidarisch mit Flüchtlingen. Sie will helfen, setzt sich ein oder nimmt es hin, das geteilt werden muss. Sie nimmt es aber nicht hin, wenn die Kriminalität steigt, wenn es einen Wettbewerb der Wenighaber gibt, die es eh schwer hatten. Und auch die Mittelschicht nimmt es nicht hin, nicht mehr feiern zu können, wie gut es einem geht und dafür auf dem Weg nach Hause ausgeraubt zu werden. Und die Oberschicht interessiert das wenig, außer, wenn die Versicherung kündigt, weil zum dritten Mal das Navi geklaut wurde.
Die SPD ist in der Zeit stehen geblieben (die CDU und andere etablierten Parteien auch) und muss das am heftigsten büßen. Sie steht für Multikulti-Utopien und ganz fatal für ihre Erfolge für das Gemeinwesen in früheren Zeiten, die aktuell durch Misserfolge entwertet werden. Die SPD hat so viel erreicht für dieses Land und seine Menschen – aber nicht erkannt, dass die Utopie nicht vor den Wählern kommt.
Die SPD hat ein veritables Vermittlungsproblem, wofür sie steht, warum man sie wählen sollte und was sie besser machen will als andere. Da gibt es viel zu tun, aber keine Botschaften der SPD, die die Menschen glauben.
Ich als Betriebsleiter einer kleinen Unternehmung wähle sicher keine SPD – die killt mich und mein Bestreben, Arbeitsplätze zu schaffen. Die killt mich zudem, indem ich journalistisch mit der SPD sehr, sehr miese Erfahrungen mache, weil die SPD, egal, ob auf dem Kaff oder in der Stadt, absolut in Richtung Massenmedien orientiert ist. Meinungsfreiheit? Kritik? Auseinandersetzung? Das erlebe ich nicht mit der SPD. Ich erlebe überwiegend bräsige, selbstgefällige, arrogante Haltungen.
Stimmt nicht ganz – mit einem Oberbürgermeister zum Beispiel bin ich im intensiven Austausch. Der ist klar SPD, aber auch ein Intellektueller und jemand, der in der SPD nicht unbedingt als schick gilt. Die SPD hat dafür gesorgt, dass dessen Wiederwahl kritisch wurde. Der Wahlleiter ist SPD durch und durch und zu keinem Zeitpunkt bereit, auch nur einmal über seinen Misserfolg nachzudenken oder drüber abzudanken, weil seine Zeit vorbei ist.
Wie die Mitgleiderbefragung der SPD ausgeht, ist noch offen. Vielleicht gibt es eine Groko, dann hat die SPD knappe drei Jahre Zeit, sich neu aufzurichten. Gibt es keine Groko, geht es von ganz unten los.
Ehrlich? Wer sich selbst über Jahre so dermaßen demontiert hat, darf auf die Bretter gehen und von ganz unten anfangen – meine Meinung. Die SPD und ihre ursprünglichen Werte sind wichtig – auch für die Zukunft.
Die SPD im aktuellen Zustand kann dann mal weggeräumt werden.
Ich gebe der SPD einen entscheidenden Tipp: Achtet drauf, wen Ihr vertretet und wer Euch sein Vertrauen schenkt. Das sind die Menschen in Deutschland und nicht irgendwelche utopischen Geschichtsbücher. Seid Sozialdemokraten in Deutschland und in erster Linie für Deutsche und in zweiter Linie für andere, die hier friedlich leben wollen.
Und wendet Euch gegen den Unfrieden. Auch das ein Schlüsselerlebnis für mich: Als der später gescheiterte Bundestagskandidat Stefan Rebmann nach einer körperlichen Attacke von vermummten Antifa-Leuten auf mich meinte, ich solle das doch mal „cool“ sehen, ist mir die Spucke weggeblieben.
Nein, ich sehe das nicht cool. Ich sehe das bis heute als Angriff auf einen Pressevertreter. Ohne Anlass – außer einem ideologischen Hass heraus. Das RNB ist nicht Linie und deshalb Feind. Das drehe ich um: Wer mich auf Linie bringen will, ist ein Feind der Meinungsfreiheit. In Persona: Stefan Rebmann.
Das, liebe SPD, versteht Ihr oder nicht.
Wenn es nach mir geht, stimmt die Basis gegen eine Groko. Lasst es gewittern – ein Platzregen kann hilfreich sein, zu Verstand zu kommen.
Deutschland braucht eine sozialdemokratische Partei. Die muss aber nicht SPD heißen.
Denkt mal drüber nach.
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