Weinheim/Rhein-Neckar, 20. November 2014. (red/pro) Wie lange soll das Chaos-Theater noch aufgeführt werden? Gibt es ein Bewusstsein für die Peinlichkeiten, die sich Oberbürgermeister und Gemeinderat in Sachen NPD/Rechtsradikale leisten? Ist die Schmerzgrenze erreicht oder kann man sich auf weitere Überraschungen gefasst machen?
Kommentar: Hardy Prothmann
2013 Bundesparteitag der NPD in Sulzbach. 2014 Bundesparteitag der NPD in der Stadthalle Weinheim. Seit vielen Jahren: Weinheim ist das Zentrum, von dem aus alle Aktivitäten der NPD in Verbindung mit „Freien Kameradschaften“ und anderen Rechtsradikalen in der Region gesteuert wird.
Günter Deckert, mehrfach vorbestrafter Neonazi, bringt Weinheim bis heute in ein schlechtes Licht. Jan Jaeschke, Kreisvorsitzender der NPD und Stellvertreter im Landesverband, foppt den Oberbürgermeister und die Grünen mit Foto und Händeschütteln zum Neujahrsempfang.
Weinheim war im Dritten Reich eine Nazi-Hochburg. Vielleicht auch, weil schon damals der Widerstand gegen die Rechtsradikalen so jämmerlich organisiert war.
2013 wurde ein Bündnis ins Leben gerufen. Weinheim ist bunt, nicht braun. Das soll jetzt Weinheim bleibt bunt heißen oder doch Weinheim gegen Rechts? Gibt es alles, aber anscheinend kocht jeder sein eigenes Süppchen und keiner zieht an einem gemeinsamen Strang.
Wird Weinheim die NPD-Hauptstadt in Baden-Württemberg?
Die Gefahr, dass Weinheim sich zum braunen Zentrum der Region etabliert, ist enorm groß. Ist außer Parolen ein echter Wille erkennbar, dies zu unterbinden? Bis heute ganz definitiv nicht. Bis heute gibt es nur Parolen.
Weder die Grünen, deren Stadtrat Hans-Ulrich Sckerl die NPD so gerne verbieten lassen will, noch die Gewerkschaften, die oft federführend im Kampf gegen Rechts sind, haben auch nur ansatzweise etwas auf die Beine gestellt, um der „Verbraunung Weinheims“ entgegenzuwirken.
Der Innenminister hat klar festgestellt, dass in Nordbaden und Karlsruhe „gefestigte rechtsradikale Strukturen bestehen“. Was wird getan? Nichts. In Sinsheim empfehlen Oberbürgermeister und Gemeinderat tatsächlich, dass die Bevölkerung die Rollläden runter lassen soll, wenn die Neonazis vorbeimarschieren. Kommt diese Wegschau- und Rückzugspolitik demnächst auch in Weinheim?
Dass der Gemeinderat geschlossen gegen den Verwaltungsvorschlag gestimmt hat, der parteipolitische Veranstaltungen in der Stadthalle ausschließen sollte, ist gut und richtig, weil man sich sonst nur selbst beschnitten hätte.
Was es jetzt braucht, ist ein Parteitag der demokratischen Vereinigungen. Und auch, wenn es CDU und SPD schwer fallen sollte, dazu gehören nicht nur FDP, Freie Wähler und die Weinheimer Liste, sondern auch Die Linke. Natürlich auch mit den Gewerkschaften und dem Jugendgemeinderat. Am besten in der Stadthalle. Am besten schon Anfang 2015. Am besten mit Inhalten und konkreten Zielsetzungen, wie man den Rechtsradikalen begegnen will.
Wenn nicht zeitnah „ein Zeichen gegen Rechts“ gesetzt wird, hat die NPD gewonnen. Der Imageschaden für Weinheim ist jetzt schon enorm. Das haben viele – auch im Gemeinderat – noch nicht realisiert.
Die NPD wird alles unternehmen, um Weinheim für die eigene PR zu missbrauchen. Und bislang geschieht das sogar „erfolgreich“. Ohne klare Konzepte und Handlungen wird sich Weinheim als NPD-Hauptstadt Baden-Württembergs etablieren.
Vor allem auch, wenn der Oberbürgermeister Beschlussvorlagen zur Abstimmung stellt, die der Gemeinderat kassiert. Falls das dem ein oder anderen beim guten Gefühl, für die Demokratie abzustimmen, noch nicht ganz klar ist: Mit der Abstimmung von gestern hat der Gemeinderat entschieden, dass die NPD auch in Zukunft ihre Bundesparteitage in Weinheim abhalten kann. Die NPD wird dies als „Legitimierung“ nach außen darstellen, als Anerkennung, dass man eine „demokratische“ Partei ist. Diese Anerkennung ist der NPD durch die Beschlussvorlage des Oberbürgermeisters zuteil geworden.
Gut gemeint, aber schlecht gemacht – das gilt leider für alles, was Verwaltung und gesellschaftliche Gruppen in Weinheim bislang in der Bilanz bei ihrem Widerstand gegen Rechts verbuchen können.