Rhein-Neckar, 19. März 2018. (red/pro) Die Medienbranche hat viele Probleme: Den Zeitungen brechen die Abos weg und auch das Anzeigengeschäft macht Sorgen. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender erreichen immer weniger junge Menschen. Soziale Netzwerke treten mit klassischen Medien in Konkurrenz, was die Aufmerksamkeit angeht. Und nun haben Medienleute ein neues Problem entdeckt: Angeblich macht die Polizei den Medien erhebliche Konkurrenz.
Von Hardy Prothmann
Der Zustand der Medienbranche ist in erheblichen Teilen erbärmlich. Denn insbesondere „klassische“ Medien kommen mit dem Umbruch, den das Internet mit sich bringt, bis heute eher schlecht zurecht. Das große Jammern wird nun durch einen neuen Aufreger ergänzt: Die Polizei wird als Konkurrenz betrachtet. Deren umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit gehe angeblich zu Lasten dieser klassischen Medien.
Konkurrenz um Aufmerksamkeit
Ist das so? Ja, das ist so. Alle, die Öffentlichkeit herstellen, konkurrieren um die Aufmerksamkeit eben dieser Öffentlichkeit. Genau darum geht es im Kern dieser Debatte – um die Angst vieler Medien, ihr klassisches Geschäftsmodell zu verlieren. Denn früher war man „Gatekeeper“ – man stand am Tor der Informationen und entschied, welche durchkamen und welche nicht.
Journalismus ist weder staatlich organisiert, noch ein Wohlfahrtsverein, sondern ein Geschäftsmodell. Die journalistisch erarbeitete Aufmerksamkeit wird verkauft – ob als Copypreis für ein Druckwerk oder über Anzeigen, die im Umfeld des Aufmerksamkeit erzeugenden Inhalts gegen Geld veröffentlicht werden. Gleichzeitig üben journalistische Angebote eine wichtige Funktion aus: Sie helfen bei der Meinungsbildung der Öffentlichkeit. Sie transportieren Informationen, die sich der einzelne Mensch nur schwer oder gar nicht verschaffen kann.
Wenn nun die Polizeien in hohem Umfang die Öffentlichkeit direkt durch „Pressemitteilungen“ informieren, beeinträchtigt das die Verbreitungskanäle der Medien auf dieses Themenfeld, „polizeilich relevante Vorgänge“, in durchaus erheblichem Maße.
Verlogene Argumente
Die Schlüsse und Folgerungen, die daraus gezogen werden, sind in erheblichem Maße verlogen. Es gibt nämlich nirgendwo ein verbrieftes Recht auf einen exklusiven Zugriff auf solche Inhalte. Es gibt auch kein Gesetz, dass der Polizei vorschreibt, welche Informationen wie an die Öffentlichkeit gegeben werden. Es gibt Landespressegesetze, die Behörden zur Auskunft gegenüber Medienvertreter verpflichten. Und diese Landespressegesetze (die heute eigentlich Landesmediengesetze heißen sollten) schützen auf eine gewisse Art und Weise die besondere Rolle von professionellen Medien, denn diese müssen eine gewisse „Periodizität“ der Veröffentlichungspraxis aufweisen. Das ist wichtig zu wissen, denn die Berufsbezeichnung „Journalist“ ist nicht geschützt – jeder könnte theoretisch Journalist sein, abgeleitet aus Artikel 5 Grundgesetz, nachdem jeder das Recht hat, sich aus öffentlichen Quellen zu informieren und seine Meinung öffentlich zu verbreiten.
Genau dies findet seit einigen Jahren zunehmen statt – ob man einen eigenen Internetauftritt einrichtet oder sich mit Beiträgen in sozialen Netzwerken oder anderer Dienste äußert.
Dies hat unzweifelhaft Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit der Menschen. Aus Sicht der Medien ist jede Aufmerksamkeit, die nicht den eigenen Produkten zukommt, ein Verlust. Es gibt aber kein Gesetz, das wie auch immer die Aufmerksamkeitsökonomie der Menschen regelt – alle andere wäre ein Zwang und der Weg hin zu einer von wem auch immer gesteuerten Propaganda.
Journalistische Plagiate en mass
Dass jetzt (verlags)branchenintern eine Debatte darüber ausbricht, ob die Polizei möglicherweise eine Funktion wie ein Medium einnimmt, zeigt, wie verzweifelt gewisse Teile dieser Branche sind. Die Verlogenheit ergibt sich wie so häufig aus dem, was nicht thematisiert wird: Es ist seit Jahrzehnten gängige Praxis, sich kostenfreie fremde Inhalte von Dritten, in diesem Fall also einer Behörde, zu besorgen und diese als Information zu verkaufen. Bieten diese Dritte diese Informationen „umsonst“ an, kann man diese nur noch schlecht oder gar nicht verkaufen.
Die weitere, nicht thematisierte Wahrheit: Häufig wurden diese fremden Inhalte ein wenig bearbeitet und sehr häufig wurde das Umschreiben von behördlichen Informationen als „Journalismus“ verkauft. Ganz dreiste „Journalisten“ formulieren einfach Sätze um und schreiben dann sogar ihren Namen über den Artikel. Das ist nichts anderes als die vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit über eine Leistung, die nicht stattgefunden hat. Es handelt sich um „journalistische“ Plagiate – worüber die „klassischen“ Medien aber natürlich niemals informieren.
Klare Trennung von eigenen und fremden Inhalten
Das Rheinneckarblog ist das einzige Medium in der Region und darüber hinaus, das konsequent transparent vorgeht. Inhalte von Dritten veröffentlichen wir immer mit klarem Hinweis auf die Quelle. „Information von xy“ steht darüber, dann folgt der unveränderte Text in Anführungszeichen. Reichern wir solche Texte mit selbst recherchierten Informationen an, machen wir immer deutlich, was „unsere“ Information ist und was „Fremdinformation“. Auch wir verwenden also fremde Inhalte. Unsere Leistung besteht in der Auswahl und Aufbereitung bei uns, um unsere Leser zu Vorgängen zu informieren, die wir für relevant halten.
Die Polizei wird aktuell kritisch in den Blick genommen, ist dabei aber nur ein pars pro toto. Denn in den vergangenen Jahren gingen fast alle Behörden dazu über, eigene Informationen ins Internet zu stellen und auch über soziale Medien zu verbreiten, weil dies eben mit geringen Kosten möglich geworden ist.
Diese Entwicklung habe ich schon vor Jahren beobachtet und auch die Konsequenz erkannt: Für die reine Übermittlung solcher Informationen braucht es keine (journalistischen) Medien mehr. Ist das gut oder schlecht? Es ist gut für die Öffentlichkeit, denn diese kann sich nun aus direkter Quelle unabhängig von Zeit und Ort informieren. Einzige Voraussetzung: Zugang zum Internet. Und es ist schlecht für journalistische Medien, deren Geschäftsmodell die gewerbliche Veräußerung kostenfreier Inhalte war.
Polizei zahlt für eigene Meldungen? Klingt absurd? Ist aber so
Interessanterweise werden den Polizeien Vorwürfe gemacht, mit denen die Verleger indirekt Geld verdienen. Glauben Sie nicht? Ist aber so. Viele Behörden nutzen den Dienst ots, um Pressemitteilungen zu veröffentlichen. Dieser Dienst muss bezahlt werden. „Originaltextservice“ ist eine Tochter der Deutschen Presseagentur dpa. Die Gesellschafter der dpa sind der überwiegende Teil der deutschen Tageszeitungsverlage. dpa wiederum erzeugt Agenturmeldungen ähnlich einer „Behörde“ und hat innerhalb vieler Zeitungen auch diese Stellung: Was dpa berichtet, ist „die Wahrheit“.
Da immer mehr Zeitungen immer weniger eigene Inhalte und dafür mehr Agenturtexte veröffentlichen, sind diese Medien kaum noch voneinander zu unterscheiden. Und es entsteht bei vielen Menschen zudem der Eindruck einer „Gleichschaltung“ der Presse. Die wird allerdings nicht von verborgenen Mächten organisiert, sondern hat ökonomische Gründe. Unterm Strich sind Agenturtexte günstiger als selbst erarbeitete Informationen und man kann Themen berichten, für die man selbst keine Ressourcen aufbringen kann.
Diese Entwicklungen lösen bei vielen Medienmenschen Existenzängste aus, statt die eigene Existenz neu zu betrachten und an die Umstände anzupassen. Die früheren Monopolstellungen der Verbreitung von fremden Inhalten gibt es immer weniger.
Gesetzliche Aufgaben
Der schon panisch wirkenden Sicht der Verlage stehen Gesetze gegenüber: „Unsere Informationsübermittelung ergibt sich beispielsweise auch aus dem Polizeiaufgabengesetz“, sagt Marcus da Gloria Martins, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums München: „Wir nutzen die Information der Öffentlichkeit beispielsweise zur Gefahrenabwehr, wie das unsere Pflicht ist.“
Im Gespräch mit dem Rheinneckarblog erzählt er, dass seine Behörde jährlich mehrere zehntausend Euro an die Verwertungsgesellschaft Wort zahlt – weil die Polizei interne Pressespiegel erstellt. Die VG Wort wiederum schüttet die Einnahmen aus der Weiterverwertung von Inhalte durch Dritte an Verlage und Journalisten aus. Zahlt die Behörde also für Inhalte, die sie selbst erstellt hat? „Zum Teil ja, weil es tatsächlich viele Texte gibt, deren Inhalt zum überwiegenden Teil aus originalen Polizeimeldungen bestehen. Aber es gibt auch die Medien, die unsere Informationen für selbständig und über die Meldung hinausgehende Artikel verwenden, wie das bei gutem Journalismus zu erwarten sein sollte. Das muss man differenzieren.“
Das gilt zum Beispiel auch zur Debatte über den Pressekodex. Hier wird es absurd, wenn Verleger beklagen, man selbst müsse diesen beachten, während Behörden dies nicht müssten. Richtig ist: Der Pressekodex gilt weder für Funk und Fernsehen, noch für andere Medien, die nicht Mitglied des Deutschen Presserats sind und alle die das sind, können den Pressekodex missachten, was häufig genug vorkommt. Der Deutsche Presserat kann im Falle eines Verstoßes gegen den Kodex als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle dann eine Missbilligung oder Rüge als „Strafe“ aussprechen. Der Pressekodex ist eine moralische Instanz und keine gesetzliche.
Exklusivität ist die Zukunft des Journalismus
Behörden vorzuwerfen, diese seien besser gestellt, ist absurd. Kein Medium ist zur wahrhaftigen Information verpflichtet – alle Behörden hingegen schon. Diese müssen zutreffend und ohne Wertung informieren.
Auch in der Medienbranche sollte eine differenzierte Auseinandersetzung stattfinden, was Journalismus heute und in Zukunft sein soll oder kann und wie er finanziert wird. Anbieter von journalistischen Inhalten, die exklusive Informationen anbieten, also aufbereitete und eingeordnete Inhalte, haben auch in Zukunft eine Chance im Markt, weil sie ein Produkt anbieten, das einzigartig ist.
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