Mannheim/Rhein-Neckar, 18. September 2015. (red/hmb) In sozialen Netzwerken ist der Umgangston häufig mindestens rau. Oft eskalieren “Diskussionen” zu ekligen Anfeindungen. Und dann gibt es Hasskommentare: Beleidigungen, die jede Grenze überschreiten und eindeutig diskriminierend sind. Norbert Schätzle, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Mannheim, sagt, man solle in solchen Situationen nicht einfach wegsehen – sondern Anzeige erstatten.
Interview: Hannah-Marie Beck
Wie sollte man sich verhalten, wenn man in sozialen Netzwerken auf Hasskommentare stößt?
Norbert Schätzle: Natürlich sollte man nicht nur schweigen, wegsehen und wegklicken, sondern die Polizei informieren. Es fällt allerdings vielen schwer zu bewerten, was ein Hasskommentar ist. Hier ist die bürgerschaftliche Verantwortung im Sinne des Gemeinwohls gefragt: Man sollte nicht jeden Kommentar direkt zur Anzeige bringen. Wir möchten schließlich kein Denunziantentum fördern, sondern eine verantwortungsvolle Zeugenkultur entwickeln, die zwischen Hasskommentar und freier Meinungsäußerung differenzieren kann.
In welchen Fällen handelt es sich denn um einen Hasskommentar, der strafrechtlich verfolgbar ist?
Schätzle: Bei rechtsextremen Aussagen, Hass, Häme und Hetze in sozialen Netzwerken sind die Chancen auf eine strafrechtliche Verfolgung immer gut. Eine freie Meinungsäußerung endet dann, wenn andere aufgrund ihrer Ethnie, Herkunft oder Religion beleidigt werden.
Jedes Beweismaterial kann helfen
Soll man Beweismaterial sichern?
Schätzle: Ja, das Sichern von Beweismaterial ist ganz wichtig. Man sollte der Polizei einen Link schicken und wenn möglich auch noch einen Screenshot anfertigen. Für die Polizei ist die Straftat damit leichter zu verfolgen.
Wo und wie bringt man Hasskommentare zur Anzeige?
Schätzle: Es gibt eine Internetwache, bei der man Anzeige erstatten kann. Eine andere Möglichkeit ist es, bei einer Polizeidienststelle in Wohnortnähe Anzeige zu stellen. Gerade wenn es schnell gehen muss, macht es Sinn, sich direkt an die Nächstgelegene zu wenden. Man sollte ein Kommentar nur einmalig und nicht bei beliebig vielen Stellen anzeigen – ansonsten ist es für die Polizei sehr schwierig und belastend, die Anzeigenbearbeitung zu koordinieren.
“Wir hoffen auf mehr Anzeigen”
Erfährt der Angezeigte den Namen des Anzeigenstellers? Bringt man sich damit möglicherweise in Gefahr?
Schätzle: Wie bei jeder Anzeige wird der Name des Anzeigenerstatters dokumentiert. Wenn der Angezeigte seinen Anwalt einschaltet und dieser Akteneinsicht beantragt, kann der Angezeigte den Namen durchaus erfahren. Es liegen allerdings keine Erkenntnisse vor, dass daraus in der Vergangenheit Probleme entstanden sind.
Wie viele Anzeigen wegen Hasskommentaren oder Volksverhetzung in sozialen Medien gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Schätzle: Uns lagen bislang nur sehr wenige Anzeigen vor. Nach der jetzigen Medienoffensive, dass die sozialen Netzwerke nicht auf solche Hasskommentare reagieren, könnte sich das in Zukunft vielleicht ändern. Häufiger werden wir auf Gewaltvideos im Netz hingewiesen. Wir überprüfen dann, ob bereits eine Anzeige bei einer anderen Polizeidienststelle bearbeitet wird. Meistens war das in der Vergangenheit der Fall.
“Jede Anzeige wird einzeln bewertet”
Es gibt die Behauptung, die Polizei gehe erst gegen solche Kommentare vor, wenn mehrere Anzeigen gegen einen Kommentar vorliegen – trifft das zu?
Schätzle: Nein! Jede Anzeige wird einzeln bewertet. In jedem Fall überprüft die Polizei die strafrechtliche Relevanz – unabhängig davon, wie viele Anzeigen vorliegen.
Reagiert die Polizei nur auf Anzeigen oder ist man selbst präventiv auf der Suche danach?
Schätzle: Außer vor großen Demonstrationen oder Veranstaltungen, zu denen möglicherweise im Netz zur Gewalt aufgerufen werden könnte oder in Verbindung dazu mit Hasstiraden zu rechnen ist, sind wir selbst nicht aktiv auf der Suche im Internet. Wir haben beim Polizeipräsidium Mannheim keine spezielle Abteilung, die sich ausschließlich mit Internetrecherche befasst. Das ist für uns personell nicht leistbar. Umso wichtiger ist es, dass Jedermann seine persönliche Verantwortung ernst nimmt und im konkreten Fall Anzeige erstattet.
Urheber im Ausland können schwieriger verfolgt werden
Die Verbreitung von sozialen Netzwerken geht über die Landesgrenzen hinaus. Welche Probleme ergeben sich daraus für die Polizei?
Schätzle: In unterschiedlichen Ländern unterliegen die sozialen Netzwerke unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen – das ist für die Polizei durchaus ein Problem: Wenn wir auf ein gewaltsames Video hingewiesen werden, dessen Urheber im Ausland lebt können wir nur schwer dagegen vorgehen.
Was wäre aus Sicht der Polizei ein geeignetes Mittel, um die zunehmende Zahl von Hasskommentaren einzudämmen?
Schätzle: Viele wähnen sich in sozialen Netzwerken sicher und erstellen einen Account unter einem Pseudonym. Es gibt natürlich immer Mittel und Wege um den Urheber herauszufinden. Um Hasskommentare einzudämmen wäre aus polizeilicher Sicht eine der Lösungen, wenn die Betreiber von sozialen Netzwerken eine Pflicht zur Verwendung des öffentlichen Namens einführen würden – und diese dann auch überprüfen.