Rhein-Neckar/Karlsruhe, 18. August 2016. (red/pro) Aktualisiert. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe sowie die Justizbehörden der Bundesländer ermitteln gegen weit über 200 Beschuldigte im Bereich “Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch”. Anfang Juni hatte die Generalbundesanwaltschaft in Leimen einen syrischen Flüchtling verhaften lassen, der Sprenggürtel und Granaten gebaut haben soll. Das Netzwerk der Terroristen erstreckt sich über ganz Deutschland – und sie sind gut vernetzt.
Die Bedrohung durch terroristische Gewalttäter ist spätestens seit Würzburg und Ansbach keine “abstrakte” mehr. Der Axt-Attentäter von Würzburg wollte wahllos töten. Ungeklärt ist bis heute, ob er Afghane oder Pakistani war. Er wurde, kurz nachdem er eine chinesische Reisegruppe in einem Regionalzug überfallen hatte, von Polizisten erschossen.
Der erste Terror-Bombenattentäter in Deutschland sprengte sich in Ansbach in die Luft – wollte andere Menschen töten, was nicht gelungen ist. Auch er stand in Verbindung mit Terror-Gruppen, die sich auf den Islam beziehen.
Anklage gegen Tarik S.
Die Bundesanwaltschaft hat am 15. August 2016 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage gegen den 22-jährigen deutschen Staatsangehörigen Tarik S. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB), Vorbereitens einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB), Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKontrG), Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) und Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) erhoben.
Getragen von einer radikal-islamistischen Einstellung reiste der Angeschuldigte Ende Dezember 2013 über die Türkei nach Syrien. Dort schloss er sich spätestens im Januar 2014 dem sogenannten „Islamischen Staat (IS)“ an, um sich in dessen Namen am syrischen Bürgerkrieg zu beteiligen. Dazu ließ sich der Angeschuldigte im Umgang mit Schusswaffen ausbilden.
Anschließend kämpfte er für die Terrororganisation und führte Grenzkontrollen durch. An einem Kontrollpunkt setzte er gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des „IS“ einen Lastwagenfahrer für einen Tag fest, weil er Zigaretten in großen Mengen geladen hatte. Daneben wirkte der Angeschuldigte an mehreren im Internet veröffentlichten Videobeiträgen der Terrorvereinigung mit und entwickelte sich zu einer bekannten Propagandafigur. In einem dieser Videos verspottet der Angeschuldigte gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des „IS“ den Leichnam eines enthaupteten Menschen.
Bundesweit 130 Ermittlungsverfahren gegen 190 Beschuldigte – weitere 50 Verfahren bei den Ländern
Des Weiteren versandte er gemeinsam mit einem aus Österreich stammenden „IS“-Mitglied eine Drohbotschaft an zwei Mitarbeiter einer Versicherungsgesellschaft in Wien. Darin drohen sie, die beiden Versicherungsangestellten töten lassen zu wollen. Im Frühjahr 2016 kehrte der Angeschuldigte nach Deutschland zurück. Grund hierfür war die Schwangerschaft seiner Frau. Der Angeschuldigte befindet sich seit seiner Festnahme am 16. März 2016 in Untersuchungshaft.
Im Zusammenhang mit dem Konflikt in Syrien und im Irak führt die Bundesanwaltschaft gegenwärtig rund 130 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen rund 190 Beschuldigte. Etwa weitere 50 Verfahren haben wir an die Justizbehörden der Länder abgegeben, teilte uns die Generalbundesanwaltschaft auf Anfrage mit. Und: Anfang 2014 waren es noch 5 Verfahren gegen 8 Beschuldigte, Anfang 2015 waren es schon knapp 50 Verfahren gegen rund 80 Beschuldigte.
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Bisher wurden 22 Anklagen erhoben, drei davon wegen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Rund fünfzehn Urteile sind bereits ergangen. Die Schuldsprüche lauten von Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer solchen bis hin zu versuchtem Mord, eine Verurteilung erfolgte wegen der Begehung eines Kriegsverbrechens.
Viele kamen als syrische Flüchtlinge
Die mutmaßlichen Terroristen sind über ganz Deutschland verteilt und viele kamen als Flüchtlinge ins Land – so auch die drei Verdächtigen, von denen einer in Leimen lebte und der “Spezialist” für den Bau von Bombenwesten sein soll. Allesamt Syrer.
Die Beschuldigten Saleh A. und Hamza C. schlossen sich im Frühjahr 2014 in Syrien dem ISIG an. Dort erhielten sie von der Führungsebene der Vereinigung den Auftrag, in der Düsseldorfer Altstadt einen Anschlag zu verüben.
Nach den weiterführenden Planungen von Saleh A. und Hamza C. sollten zwei Selbstmordattentäter in Düsseldorf auf der Heinrich-Heine-Allee jeweils eine Sprengweste zünden. Anschließend sollten weitere Attentäter möglichst viele Passanten mit Gewehren und weiteren Sprengsätzen töten.
Zu diesem Zweck reisten Saleh A. und Hamza C. mit Billigung der ISIG-Führung im Mai 2014 in die Türkei. Von dort aus ging es im März und im Juli 2015 getrennt voneinander über Griechenland weiter nach Deutschland. Spätestens im Januar 2016 überzeugten Saleh A. und Hamza C. den Beschuldigten Mahood B., sich an dem Anschlag zu beteiligen.
Darüber hinaus nahmen im Januar 2016 Saleh A. und Abd Arahman A. K. Kontakt zueinander auf. Abd Arahman A. K. war bereits im Oktober 2014 im Auftrag der ISIG-Führung nach Deutschland gereist, um sich an dem geplanten Anschlag zu beteiligen. Konkret sollte er die erforderlichen Sprengwesten herstellen. Abd Arahman A. K. hatte bereits 2013 in Syrien für die ausländische terroristische Vereinigung „Jabhat al-Nusra“ Sprenggürtel und Granaten gebaut.
Zu weiteren Tatplanungen zwischen Saleh A. und den weiteren Beschuldigten kam es nicht, weil sich Saleh A. am 1. Februar 2016 in Paris gegenüber den französischen Strafverfolgungsbehörden offenbarte. Er befindet sich seither in Frankreich in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft bemüht sich um seine Auslieferung nach Deutschland.
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