Mannheim, 17. Dezember 2015. (red(pm) Am 11. und 12. Dezember tagten die bildungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen. Dabei verabschiedeten sie eine „Mannheimer Erklärung“ zu Flüchtlingen im Schulalter. Darin definieren sie Integration nicht nur als Spracherwerb, sonder auch als „Identifikation mit den Grundwerten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Es müssten Unterstützungskonzepte für Lehrerinnen und Lehrer entwickelt werden anstatt nur neue Stellen auszuschreiben. Wir dokumentieren die Mannheimer Erklärung.
Information der CDU-Landtagsfraktion:
„Die Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen stellen anlässlich der bildungspolitischen Tagung am 11. und 12. Dezember 2015 in Mannheim fest:
Die Zuwanderung schulpflichtiger Flüchtlinge ist die größte bildungspolitische und pädagogische Herausforderung seit der Jahrtausendwende. Das Erlernen der deutschen Sprache sowie die Vermittlung von christlich-jüdisch-abendländischen Werten und altersspezifischen Alltagskompetenzen sind der Schlüssel zu deren Integration in Schule, Beruf und Gesellschaft. Die Zuwanderer im Kindes- und Jugendalter müssen möglichst schnell in die Lage versetzt werden, dem regulären Unterricht zu folgen und einen qualifizierten Schul- beziehungsweise Berufsabschluss erlangen zu können.
Sprachförderung
Junge Menschen, die voraussichtlich längerfristig oder dauerhaft bei uns bleiben, brauchen für ihre gelingende Integration möglichst frühzeitig eine umfassende Förderung. Neben dem Erlernen der deutschen Sprache bedarf es insbesondere auch der Vermittlung von altersgemäßer Alltagskompetenzen sowie spezifischer Unterstützung der zum Teil schwer traumatisierten Kinder und Jugendlichen.
Auch nach der Integration der Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter aus den Sprachlernklassen in den regulären Schulunterricht werden noch einige Jahre zusätzliche Fördermaßnahmen sowie eine sprachliche Frühförderung für noch nicht schulpflichtige Flüchtlingskinder notwendig sein. Die Sprachförderung muss sich dabei von der Frühkindlichen Bildung über den Grundschulbereich in die weiterführenden allgemeinbildenden und beruflichen Schulen erstrecken.
Das Ziel der Sprachförderung sollte mit der Entwicklung und dem Ausbau von Lese- und Rechtschreibekompetenzen bis zum Übergang in den Beruf mindestens das Sprachniveau B2 sein.
Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagfraktionen sprechen sich daher dafür aus, dass Flüchtlingskinder nicht deutscher Herkunftssprache die Möglichkeit erhalten, bei Bedarf in Vorbereitungsklassen die deutsche Sprache zu erlernen und erst danach am regulären Unterricht teilzunehmen.
Alltagskompetenzen und Werteerziehung
Für eine gelungene Integration ist nicht allein der Erwerb umfassender Kenntnisse der deutschen Sprache notwendig, sondern auch die Vermittlung und die Identifikation mit den Grundwerten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den darin bestehenden Werten der christlich-jüdisch-abendländischen Kultur. Konstitutionelle Normen wie die Achtung der Menschenwürde, das Gewaltmonopol des Staates und die Gewährleistung der Presse- und Meinungsfreiheit stehen als unverzichtbare Werte über kulturell oder religiös abweichenden Auffassungen.
Die Lebensform unserer humanistisch geprägten Demokratie beruht auf einer Kultur gleicher Anerkennung, gleichen Respekts und gleicher Freiheit. Dazu gehören die unveräußerlichen Menschenrechte, Religionsfreiheit, Toleranz gegenüber Andersdenkenden, der Schutz des Eigentums sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagfraktionen sprechen sich daher dafür aus, dass in den Vorbereitungsklassen, neben den Kenntnissen der deutschen Sprache insbesondere auch Werte und Normen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie kulturelle Traditionen unserer christlich-jüdisch-abendländisch geprägten Gesellschaft vermittelt werden und die Schüler dort altersgemäß Grundkenntnisse der Verfassung, insbesondere der parlamentarischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit erwerben.
Unterstützung für Schulen und Lehrkräfte
Um einen Beitrag zur Verbesserung des schulischen Unterrichts für Flüchtlingskinder leisten zu können, müssen alle relevanten Partner miteingebunden werden. Es muss Ziel sein, alle Maßnahmen zu ergreifen und zu bündeln, die zu einer möglichst gelingenden Förderung und Integration von Flüchtlingskindern beitragen können. Sämtliche öffentlichen und privaten Bildungsträger sind gefordert bei der Unterrichtung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter auf dieses gemeinsame Ziel hin zu arbeiten.
Hierzu müssen auch Unterstützungskonzepte für die Lehrerinnen und Lehrer entwickelt werden, die sich mit hohem persönlichem Engagement um die Integration von Flüchtlingen bemühen. Nur die Ausbringung neuer Lehrerstellen greift zu kurz. Schon heute stoßen viele Schulen beziehungsweise Lehrerinnen und Lehrer bei der Integration von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter zunehmend an ihre Belastungsgrenze.
Zum Teil sind die schulpflichtigen Flüchtlinge psychisch schwer belastet, manche sind Analphabeten. Hinzu kommt, dass die Kinder und Jugendliche durch den Alltag auf der Flucht nicht mehr gewohnt sind, einem regelmäßigen Schulalltag nachzukommen. Zwar besteht in der Lehrerschaft eine große Hilfsbereitschaft, die jedoch bei fehlender Unterstützung rasch nachlassen kann.
Pädagogisches Konzept nötig
Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagfraktionen sprechen sich daher dafür aus, hinsichtlich der Beschulung von Flüchtlingen im Kindes- und Jungendalter Unterstützungssysteme für Lehrkräfte durch Schulsozialarbeit, Schulpsychologen, Psycho-Therapeuten, Dolmetscher und einer engeren Kooperation der Schulen mit Jugendhilfe und Beratungsstellen und vielen mehr vorzuhalten.
Ebenso bedarf es – soweit noch nicht geschehen – eines Qualifizierungskonzepts für Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache, zumal es im Unterricht mit den Flüchtlingen nicht einfach nur darum geht, Deutsch zu unterrichten. Für den Unterricht mit den Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter braucht es ein um Interkulturalität und Integration angereichertes pädagogisches Konzept.
Berufliche Bildung
Ein gutes Drittel der Flüchtlinge ist zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die Mehrzahl dieser Zuwanderer verfügt über keine ausreichende Qualifikation, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich Fuß zu fassen. Damit sie nicht über die gesamte Aufenthaltsdauer in Deutschland auf Transferzahlungen angewiesen bleiben, bedarf es einer intensiven beruflichen Grundbildung, zu der auch eine berufsorientierte Sprachförderung gehören muss.
Die äußeren Rahmenbedingungen der Dualen Ausbildung bedürfen einer erhöhten Flexibilisierung, damit jugendlichen Flüchtlingen der Übergang ins Beschäftigungssystem gelingen kann. Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen sprechen sich dafür aus, den Anteil an Deutschunterricht in der Berufsschule zu erhöhen und dafür im Gegenzug eine angemessene Ausweitung der Ausbildungsdauer über drei Jahre hinaus zu ermöglichen. Die dualen Partner – Wirtschaft und Schule – können so gemeinsam einen wesentlichen Beitrag für eine gelingende Integration jugendlicher Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt leisten.
Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagfraktionen sprechen sich daher dafür aus, die beruflichen Schulen in die Lage zu versetzen, für Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter Kurse zur beruflichen Orientierung anzubieten. Diese Kurse sollen neben der berufsbezogenen Sprachförderung auch einen ausbildungsvorbereitenden Inhalt haben. Im Unterricht soll bei den Schülerinnen und Schülern ein Verständnis für die Vorteile einer dualen Berufsausbildung geweckt werden. Auch soll bei Ihnen das Bewusstsein entstehen, dass sie dafür die notwendigen Kompetenzen mitbringen müssen.
Weiter sprechen sich die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen angesichts der Vielzahl an volljährigen Flüchtlingen dafür aus, dass Übergangsregelungen angestrebt werden sollen, damit diese jungen Flüchtlinge zumindest in Teilen an den Berufsorientierungskursen teilnehmen können, obwohl keine Schulpflicht mehr besteht.
„Thema Schule fristet ein Schattendasein“
Bisher ist das Thema Flüchtlinge maßgeblich von Begrifflichkeiten wie Erstaufnahmestellen, Unterbringung, Sachleistungen, sichere Herkunftsländer und Rückführung geprägt. Das Thema Schule fristet ein Schattendasein, obwohl Schule einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Integration der Flüchtlinge leisten kann. Nur wenn eine umfassende Integration gelingt, bleibt die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft gesichert.
In der Zuwanderung der Flüchtlinge im Kinder- und Jugendalter liegt auch eine Chance zur Gewinnung qualifizierter Fachkräfte.
Es gilt jetzt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Schulen ihren Beitrag für eine gelingende Integration leisten können. Ein „Ganzheitliches Förderkonzept für Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter“, in dessen Zentrum Sprachförderung und Werteerziehung als Schlüssel zur Bildung und Integration stehen, muss in den Ländern schnellstmöglich zum Erfolg gebracht werden.
Die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen begrüßen das hohe und vielfältige gesellschaftliche beziehungsweise ehrenamtliche Engagement in den Schulen, das eine gelingende Integration befördert.“